Donnerstag, 20. September 2012

Noctambule III: Trauerflor

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Eine Nacht und einen Tag hatten ihren Tribut gefordert. Das Plappertäschchen Jocelyn war sehr still geworden, wofür Maurice Gott immer wieder dankte. Doch auch er hatte mit der Erschöpfung zu kämpfen. Die Nachricht seines Herrn hatte für ihn höchste Dringlichkeit, auch wenn es nicht explizit so in den Zeilen zu lesen gewesen war.
Dennoch war Maurice sicher, dass sein Dienstherr niemals geschrieben hätte, wenn es nicht unbedingt nötig gewesen wäre und alleine diese Tatsache genügte bereits, um die letzten Kraftreserven zu mobilisieren. Bei jeder Station hatte er die Pferde gewechselt und sich mit seiner jungen Begleiterin lediglich einmal eine warme Mahlzeit gegönnt.


Er hatte vor, diesen Luxus seinem Herrn zu beichten, obwohl der Pferdewechsel deutlich teurer gewesen war und die Verpflegung dabei kaum ins Gewicht fiel. Doch die Nacht war trotz der Decken sehr kalt gewesen und auch wenn er sich mit Jocelyn in der Aufgabe des Kutschers abgewechselt hatten, waren die kleinen Schläfchen nicht wirklich erholsam gewesen.
Nun war die Nacht erneut hereingebrochen. Jocelyn hatte bis zur letzten Station vor Marseille an seiner Seite gelehnt und sich unter die Decke gekuschelt, die sich beide umgehängt hatten. Aus den Tiefen der Decke hatte Maurice schmunzelt leichte Schnarchtöne vernommen und er bedauerte es beinahe, dass die Ankunft in der Station das Mädchen geweckt hatte.
Dummerweise war in dieser Station gerade eine Nacht zuvor der Stallbursche überraschend im Schlaf gestorben, sodass Maurice die Wahl hatte, auf den Postmeister zu warten oder selbst die Pferde zu wechseln. Nachdem Maurice einen günstigeren Preis ausgehandelt hatte, entschied er sich dazu, die Kaltblüter selbst einzuspannen, nur benötigte er dazu die Hilfe Jocelyns.
Irgendwie schafften sie es nach einiger Zeit endlich, zwei ausgeruhte Pferde einzuspannen und machten sich aufgeregt auf den Weg zu der Kirche, die im Brief erwähnt worden war. Da keiner von Beiden den Weg dorthin kannte, mussten sie sich die Route erfragen, was natürlich zu Fehlleitungen führte. Die Laune sank in den Keller, zumal immer weniger Menschen auf den Straßen waren, die man hätte fragen können.
"Dort drüben! Wir müssen da abbiegen!" verlangte Jocelyn schließlich energisch, doch Maurice schüttelte stur den Kopf.
"Das müssen wir keineswegs. Wir nehmen einen anderen Weg." widersprach er beherrscht, obwohl ihm nach einem anderen, schärferen Ton war. Jocelyn stieß einen missmutigen Schnaufer aus.
"Aber der Mann sagte, wir sollen die Straße nach links nehmen!" beharrte sie. Maurice wandte den Kopf zu ihr und musterte sie leicht verzweifelt.
"Eben, Madamoiselle! Aber Ihr geruht nach Rechts zu deuten! Rechts ist aber nicht links! Und wenn Ihr die Güte habt, das störrische Köpfchen zu heben, dann werdet Ihr etwas bergauf tatsächlich den erfreulichen Anblick eines Kirchturms genießen!" erklärte er trocken. Jocelyn schaute hinauf und biss sich auf die Lippen.
"Oh." meinte sie verlegen und schwieg, während Maurice endlich den richtigen Weg einschlug und die Gäule den recht steilen Weg hinauf führte. Der Kirchturm hatte sich schwach gegen den nächtlichen Himmel abgehoben und wies Maurice nun den Weg. So erreichten sie mit dem Karren schließlich den Platz vor der Kirche und hielten an.
Üblicherweise lag die Kirche nach Einbruch der Dunkelheit ebenfalls im Dunkel. So spät waren keine Gottesdienste mehr geplant, denn die Mitglieder der kleinen Gemeinde waren hart arbeitende Menschen, die sich nach einem langen Tag den erholsamen Feierabend hart verdient hatten. Wer den Beistand des Pfarrers benötigte, ging einfach direkt zum angrenzenden Pfarrhaus und klopfte dort an die Tür.
Hier starrten Maurice und Jocelyn betroffen auf ein ganz anderes Bild. Vor dem Haupttor der kleinen Kirche brannten unruhig zwei Fackeln, das Tor selbst war jedoch geschlossen und die Türgriffe mit einem schwarzen Band verbunden. Dieses Band war für jedermann als Trauerflor erkennbar. Da Maurice selbst in der Dunkelheit die fragende Unsicherheit von Jocelyn bemerkte, legte er kurz seine Hand auf ihre.
"Offenbar ist der Priester gestorben." Jocelyn nickte stumm und starrte auf das verschlossene Tor.
"Solange es keinen Nachfolger gibt, wird die Kirche geschlossen bleiben." erklärte er abschließend und kletterte vom Kutschbock herunter. Zu Fuß führte er die Pferde zu dem Brunnen in der Mitte des kleinen Platzes und zog einen Eimer Wasser hoch, aus dem er die Pferde trinken ließ. Jocelyn kletterte nun ebenfalls herunter und hockte sich auf den Brunnenrand. Sie schlenkerte etwas mit den Beinen und sah den Pferden beim Trinken zu.

1 Kommentar:

  1. Nun sind die zwei also da! Endlich ist die Gruppe wieder vereint und ist doch so nah am Verderben.

    Verzweifelt rechne ich immer wieder, wie lange sie wohl noch haben, bis die übrigen Florentiner auftauchen. Wie lange hat der Überlebende gebraucht um zurückzukehren und wie schnell wird die ausgesandte Schwadron da sein?

    Amüsant zu lesen, wie Maurice quasi der Spur von Anya und Armdand gefolgt ist.

    Erst hat er den toten Stallburschen besucht und nun den Pfarrer. Ich hatte ja schon vermutet, es könnte Maurice Kutsche sein, welche gerade ankam, bevor Anya an ihr Werk ging. Doch das war wohl nicht so.

    Nun stehen sie also unverrichteter Dinge vor der Kirche. Wie hatte Armand sich das gedacht ihn zu finden. Man streunt ja nun nicht gerade durch die Gegend und stößt allenthalben auf Vampire. Zumal bei dem Bewegungsradius, den die Geschwindigkeit der Vampire erlaubt.

    Aber ich bin sicher Maurice wird schon etwas einfallen, wie er sich bei seinem Herrn bemerkbar machen kann.

    Nun wird es jedenfalls noch mal spannender. Wobei? Eigentlich ganz einfach: Miriam aus den Händen von Yanis befreien. An dem Jüngling noch mal für die Reise stärken. Alle man auf die Kutsche hopsen und ab auf Miriams Landgut. Wenn sie erst ihren Sergej wiedersieht wird sie sich schon erinnern. Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.

    Oder nicht? :)

    LG
    Joe

    BTW: Plappertäschchen ist ein schönes Wort :)

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