Dienstag, 11. September 2012

Noctambule III - Rückblick: Untypisch für Agnes

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Calais 1588

Normalerweise schlug Armand nach einem Tag des Schlafs die Augen auf und war sofort hellwach. Auch an diesem Tag war das nicht anders, doch er hatte noch keine Lust aufzustehen. Zufrieden streckte er sich, was bedeutete, dass seine Füße weit aus dem zu kurzen Bett ragten und drehte sich auf den Rücken. Agnes würde gleich mit dem Essen fertig sein und so lange konnte er die Augen ja noch einmal schließen und etwas vor sich hin dösen.



Doch kurz darauf öffnete er die Augen stirnrunzelnd wieder. Er hörte weder ihre Schritte noch das typische Klappern von Töpfen und Geschirr aus der Küche. Seine Nasenflügel sogen witternd die Luft ein, aber er konnte auch kein Essen riechen, das auf dem Herd stehen könnte. Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt er aus dem Bett und trat ans Fenster, um die Tageszeit anzuschätzen, denn vielleicht war er ja viel zu früh wach geworden.
Mit bloßem Oberkörper stand er hinter dem schützenden, dicken Vorhang und schob ihn vorsichtig zur Seite. Draußen war die Dämmerung bereits dabei, einer lauwarmen Nacht zu weichen. Er hatte demnach sogar länger geschlafen, als er geglaubt hatte. Skeptisch griff er nach seinem Hemd und warf es sich über, während er schon das Zimmer verließ.
"Agnes?" Er hätte nicht rufen müssen, doch da sie dazu neigte, ihn mit seinen leichten Schritten nicht zu hören, vermied er es so, sie zu erschrecken, wenn sie in ihre Näherei vertieft war.
Ihre fröhliche Antwort blieb aus. Armand hatte die Küche erreicht und starrte nachdenklich auf den kalten Herd. Es sah Agnes nicht ähnlich, ihr Wort nicht zu halten. Zwar kam es hin und wieder vor, dass sie sich verspätete, weil ein Kunde sie länger aufgehalten hatte. Doch sie hatte ihm gesagt, sie sei früh zurück. Selbst wenn sie aufgehalten worden wäre, hätte sie doch schon längst wieder da sein müssen.
Ihm fiel die Möglichkeit ein, dass Agnes vielleicht noch einmal losgelaufen sein könnte, um etwas zum Essen einzukaufen. Hoffnungsvoll ging er in ihr Zimmer, denn dort verstaute sie neue Waschaufträge in einem Korb. Doch dieser war leer, wie er schnell herausfand. Beim Umsehen stellte Armand fest, dass auch keine neuen Nähaufträge auf dem kleinen Tisch lagen. Demnach war sie wohl überhaupt noch nicht zurück gekehrt. 


Nun begann Armand tatsächlich, sich Sorgen zu machen. Noch immer hatte er sein Hemd nicht zugeknöpft, als er das kleine Haus zu durchstreifen begann auf der Suche nach Hinweisen. Im Wohnzimmer schließlich entdeckte er einen großen Stoffbeutel, den er heute morgen nicht gesehen hatte. 

Als er ihn öffnete, schlug ihm männlicher Schweißgeruch entgegen. Armand verzog das Gesicht. Einmal mehr fragte er sich, wie Agnes sich diese Arbeit antun konnte, die Schmutzwäsche fremder Leute zu waschen. Vielleicht hatte Agnes noch nicht die Zeit gefunden, die Wäsche in den Korb zu tun. Offenbar war sie tatsächlich noch einmal los gelaufen, um einzukaufen.
Beruhigt sank er auf den Sessel und wartete. Er knöpfte sein Hemd langsam zu, stand noch einmal auf, um seine Stiefel zu holen und band sie langsam zu. Armand konnte viel Geduld aufbringen, doch nicht, wenn er auf jemanden wartete und sich Sorgen machte. 

Nach einer Viertelstunde stand er auf und begann, im Wohnzimmer auf und ab zu gehen. Immer wieder blickte er zur Haustür, als könnte er Agnes mit Blicken herbeizaubern, dann stellte er sich an das Fenster und blickte vorsichtig durch die Vorhänge. Nach weiteren zehn Minuten endete seine Geduld. 
Egal wo Agnes noch etwas hätte einkaufen wollen, sie müsste längst zurück sein. Dass dies nicht der Fall war, löste in ihm große Unruhe aus. Er griff nach seinem bodenlangen Umhang und verließ entschlossen das Haus.

1 Kommentar:

  1. Agnes hatte einige Dinge über andere Leute herausgefunden. Nicht zuletzt die Flecken, die "er nur mit seiner Frau machen sollte", waren ja in ihr Sichtfeld gerückt.
    Auch hatte der Mann sie bedrängt.

    Was kann da los sein? Was hat das fröhliche Mädchen aufgehalten, dass sie nun so unzuverlässig ist?

    Für mich klingt das überhaupt nicht nach einem kurzen Ausrutscher. Ich habe die Befürchtung, dass da etwas arges im Busch ist.

    Hoffen wir mal, dass Armand der Sache rechtzeitig auf die Spur kommt.
    Wobei: Als er Anya kennenlernt ist von Agnes keine Rede mehr. Was also sagt uns das? Sie ging den Weg alles irdischen. Dass er sie verwandelt hat und sich von ihr abgekehrt hat, ist zwar möglich aber halte ich für unwarscheinlich.
    Bleibt also die Möglichkeit, dass sie doch noch einen jungen Burschen kennengelernt hat, und ihm eine treusorgende Hausfrau geworden ist.

    Doch wenn ich mir ihre Bevorzugung von Frauen so vor Augen halte und dazu die heutige Episode, glaube ich an ein weit schlimmeres Schicksal.

    LG
    Joe

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