Dienstag, 4. September 2012

Noctambule III: Kundschafter Satans

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Bernadette wollte nicht hier draußen mit ihm weiter reden, daher unterbrach sie die Stille, die nach ihren Worten eingesetzt hatte und ächzte sich auf die Beine. Sie führte Yanis in die Küche und bot ihm dort mit einer Handbewegung zum Küchentisch Platz an.


"Ich mache dir etwas Brot und Wurst. Du bist ja so mager." erklärte sie. Yanis kannte Bernadette gut genug, um nun nicht zu widersprechen. Sie würde ihm trotzdem etwas zu Essen hinstellen und dann sogar noch böse werden, wenn er es nicht anrühren würde. Daher war er froh, nicht gefrühstückt zu haben, denn er war kein guter Esser und würde von Bernadettes Portion bis abends satt bleiben.
Es sah ihr zu, wie sie den Teller zubereitete und sich schließlich mit zwei Bechern Wasser zu ihm setzte. Artig begann Yanis zu essen, sah sie aber interessiert an.
"Erzähl mir bitte, was du erlebt hast, Mémé." bat er. Die alte Frau schüttelte seufzend den Kopf.
"Wozu? Keiner will mir glauben. Sogar der Abbé schweigt oder redet nur von Gottes Prüfungen." Sie sah ihn an. "Warum willst du es wissen? Damit du dich vor deinen Freunden über eine alte Frau lustig machen kannst?" Yanis hörte auf zu kauen und schüttelte wild den Kopf.
"Aber nein! Ich glaube, dass ich das Gleiche erlebt habe wie du, aber ich muss es hören, um es genau zu wissen!" Er verstand nicht, warum der Abbé ihr gegenüber geschwiegen hatte, vermutete aber nicht ganz zu Unrecht, dass der Priester nicht noch die allgemeine Panik schüren wollte indem er die Geschichten einer alten Frau bestätigte.
Nun musterte Bernadette ihr Gegenüber interessiert und mit plötzlich wachem Blick. Yanis hatte ein schreckliches Massaker erlebt, doch ging das Gerücht über eine irrsinnige Mörderin um und man vermutete sogar, dass sie Komplizen gehabt haben musste, denn eine einzelne Frau konnte sich nicht so einfach aus dem Verschlag mit einer massiven Holztür befreien. Bernadette selbst sah das ganz anders. Sollte Yanis tatsächlich das Gleiche vermuten wie sie?
"Zwei Frauen kamen in jener Nacht an meine Tür." begann sie nun mit brüchiger Stimme, denn die Erinnerung war noch hellwach. Yanis beugte sich leicht vor, um kein Wort zu verpassen.
"Die eine trug ein Kind. Ein Neugeborenes. Das Kind Satans." hauchte sie und schüttelte sich nun kurz. Ihr Blick war nun leer, denn Bernadette befand sich wieder in der Vergangenheit, die doch noch gar nicht so weit zurück lag. Yanis hörte auf zu kauen. Das Kind passte nun gar nicht in sein Bild.
"Die eine war jung und so zart wie eine von den Reichen. Sie war verschmutzt und hungrig wie eine Wölfin. Die andere stillte ihr Kind hier in meiner Küche." Wieder erschauerte Bernadette und blinzelte, als wolle sie die Erinnerung vertreiben. Yanis runzelte die Stirn und schluckte den nur halb zerkauten Bissen hinunter, um eine Frage zu stellen.
"Sie stillte es? Also war es eine Menschenfrau?" Bernadette funkelte ihn unwirsch an.
"Das ist das Werk des Teufels! Sie lassen uns glauben, dass sie Menschen sind!" Yanis spürte bei ihren Worten die kalte Gänsehaut, die seinen Rücken hinab lief. Er nickte ihr auffordernd zu und beschloss, mit seinen Fragen zu warten, bis sie fertig war mit ihrem Bericht. Bernadette versank wieder in ihrer Erinnerung.
"Blass war sie. Totenblass. Schmutzig, heruntergekommen, in Männerkleidern und doch so unendlich schön." Yanis hatte das Gefühl, als würde Bernadette alles noch einmal erleben und wagte kaum zu atmen. Bisher passte die Beschreibung auf das, was er selbst gesehen hatte.
"Vollkommene Schönheit! Wundervolle Haut, Augen wie ein Sommerhimmel und Lippen wie von Gott gemalt und ihre Stimme… Herr im Himmel! Ich wollte nur, dass sie weiter spricht, so schön war ihre Stimme." Bernadettes Stimme erstarb. Yanis ließ sie nicht aus den Augen, sondern wartete mit angehaltenem Atem darauf, dass sie weiter berichtete.
"Sie erkannte mein Wissen um sie und ich machte den Fehler, in ihre Augen zu sehen. Sie bannte mich, sodass ich nicht wegsehen konnte und sprach in meinem Kopf. Ich durfte mich nicht mehr bewegen und ich schwöre bei Gott, ich habe es versucht! Sie lähmte mich! Nur der Teufel weiß, warum sie mich nicht getötet hat." Bernadette hob ihre alten Augen und blickte Yanis an.
"Schau niemals in ihre Augen, Yanis. Verfällst du einmal ihrem Zauber, bist du verloren!" Yanis nickte und atmete tief durch. Sein Herz klopfte bis zum Hals vor Aufregung, denn sie bestätigte sein Erlebtes mit jedem Wort.
"Ich glaube dir." meinte er schließlich und begann zu essen, um Zeit zum Nachdenken zu schinden. Der Priester hatte gesagt, sie fressen die Seele. Doch Bernadette war nicht irrsinnig. Sie war bei klarem Verstand und erzählte sehr genau. Er verstand mit einem Mal seine Mitmenschen, die lächelnd abwinkten, denn auch Bernadettes Bericht klang nach maßloser Übertreibung. Doch was war nun richtig? Wählten diese Dämonen ihre Opfer bewusst aus? Wenn ja, warum hatten sie Bernadette verschont? Was war mit diesem Kind? Wenn auch dieser Teil der Erzählung stimmte, vermehrten sie sich also auf ganz natürlichem Weg ohne Zauberei? Warum war das nötig, wenn sie doch mit einem Biss Menschen zu ihresgleichen machen konnten? Diese Fragen würde Bernadette nicht beantworten können, doch andere brannten Yanis auf der Seele.
"Mémé, war diese Frau blond? Hatte sie kurze, blonde Haare und war sie klein und zart?" Bernadette zögerte nicht mit ihrem Nicken.
"Ohja. Auch so ein teuflischer Plan. Eine kleine, zarte Schönheit, die Männer und Frauen sofort in ihren Bann zieht, wirkt sie doch so unschuldig und hilflos. Noch dazu mit einem Kind auf dem Arm." zischte sie angewidert. Yanis pickte nachdenklich die Brotkrümel auf.
"Was war mit der anderen. Beschreib sie mir bitte. War sie auch eine von ihnen?" Bernadette war nachdenklich und wiegte den Kopf.
"Braune, lange Haare zu einem unordentlichen Zopf gebunden. Braune Augen wie ein Reh, doch traurig waren sie. Hunger hatte sie. Doch Satan braucht keine Nahrung der Menschen. Er nährt sich von ihrem Blut und ihrer Seele. Vielleicht eine Dienerin.. eine Sklavin." Yanis zuckte zusammen.
Die Beschreibung passte wie die Faust aufs Auge auf die Fremde, die von seinen Brüdern aus dem Wasser gefischt worden war. Auch sie hatte Männerhosen getragen. Seine Gedanken überschlugen sich so heftig, dass er kaum nachdenken konnte.
"Was passiert mit den Sklaven, wenn der Dämon sie fallen lässt?" fragte er Bernadette ohne eine wirkliche Antwort zu erwarten. Woher sollte die Alte das schon wissen? Bernadette zuckte mit den Schultern.
"In den alten Legenden töten sie ihre Diener oder machen sie zu ihresgleichen." erwiderte sie trocken. Yanis Herz schlug so heftig, dass das Blut in seinen Ohren rauschte. Atemlos stützte er seinen Kopf in beide Hände und presste die Augen zusammen, um besser nachdenken zu können. Bernadette musterte ihn mit fragendem Blick, holte ihn aber nicht aus seiner offensichtlichen Verwirrung. Schließlich ließ Yanis seine Hände fallen und blickte sie mit entsetzt aufgerissenen Augen an, unter denen sich die dunklen Ringe nun noch deutlicher abzeichneten.
"Welche Aufgaben haben diese Diener, Mémé?" fragte er heiser. In seinen Augen zeichnete sich die Angst vor der Antwort ab, die er schon zu wissen glaubte. Bernadette beugte sich vor, bis ihr Gesicht dicht vor seinem war und spuckte beinahe ihre Worte aus.
"Kundschafter! Es ist Kundschafter Satans!"

1 Kommentar:

  1. Ich wusste es :(

    Jetzt hat Yanis die Information, die er wollte. Und jetzt wird er nach Hause rennen und dann wird die Luft dünn für Miriam.

    Kann die Mutter das Mädchen beschützen? Sie ist ja nicht ganz der Meinung ihres Sohnes. Aber ob sie dagegen ankommt?

    Wer weiß, vielleicht rennt Yanis auch lieber zur Garde als zu seiner Mutter.
    Das klingt alles verflucht nach Ärger für Miriam.

    LG
    Joe

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