Sonntag, 2. September 2012

Noctambule III - Rückblick: Bruder und Schwester

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Armand legte seine Hände um ihre schlanke Taille und beugte sich zu Agnes, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. Lächelnd löste sie sich wieder von ihm.
"Möchtest du einen Tee?" fragte sie eifrig. Armand strich mit dem Fingerrücken über ihre Wange und schüttelte den Kopf.




"Nein, ich brauche nichts. Hast du viel zu tun heute?" Agnes nahm wieder Platz und griff erneut nach ihrer Arbeit während Armand sich auf einem der Sessel niederließ und ihr zusah. Ihr Anblick strahlte etwas Häusliches aus, was Armand bisher noch nie erlebt hatte.
"Es geht. Ich werde nachher die Wäsche zu Madame Chermaut bringen. Es ist unglaublich, wie viel Geschichten Kleidungsstücke erzählen können." Sie kicherte und biss den Faden ab, nachdem sie ihn vernäht hatte. Armand schmunzelte mit fragendem Gesichtsausdruck.
"Nämlich?"
"Die Chermaut hat zwei Kinder und einen Mann, für den ich gerne neue Hemden nähe. Er ist so dick, dass ich viel Stoff brauche." Agnes kicherte und räumte die Nähutensilien weg.
"Aber beim Essen sind nicht die Kinder am Schlimmsten, sondern ihr Gatte Jérôme. Der kleckert unglaublich. Ich bin so dankbar, dass du mir die Seife gekauft hast! Damit bekomme ich vieles sauber, was andere Wäscherinnen nicht schaffen und ich kann mehr Lohn verlangen!" Sie strahlte ihn an und er machte eine abwinkende Geste. 

Er freute sich allerdings sichtbar darüber, ihr mit der Seife einen großen Gefallen zu tun. Seife war sehr teuer und meistens den wohlhabenden Kreisen vorbehalten. Doch mit der handelsüblichen Pottasche waren viele Flecken nicht so einfach und ohne Rückstände zu entfernen.
"Außerdem sehe ich Dinge, die seine Frau bisher noch nicht bemerkt hat. Zum Beispiel Flecken auf seiner Hose, die er eigentlich nur mit seiner Frau zusammen machen sollte." Agnes errötete kichernd und warf ihm einen schelmischen Blick zu. Armand verstand und lachte entspannt.
"Soso. Er betrügt sie also? Soll ich mal herausfinden mit wem?" Agnes schüttelte lachend den Kopf und begann, Wäsche zusammen zu legen, die sie der Familie bringen wollte.
"Nein, bitte nicht! Ich weiß sowieso schon zuviel." Armand betrachtete sie amüsiert und legte den Kopf schief.
"Belästigt er dich?" Seine Frage kam unerwartet. Agnes hob schnell den Blick und errötete leicht, dann senkte sie den Blick wieder. Armand bemerkte, wie ihr Puls schneller ging und wurde aufmerksam. Agnes ließ sich Zeit mit der Antwort und alleine das genügte Armand bereits, um Pläne zu schmieden, wie er dem Burschen Agnes aus dem Schädel treiben konnte.
"Nicht mehr, Armand. Lass ihn bitte. Er hatte es nur versucht, aber meine Abweisung akzeptiert." hauchte Agnes nach einer Weile. Armand betrachtete sie nachdenklich, nickte aber schließlich.
"Ganz wie du willst. Du weißt, dass du nur ein Wort sagen musst. Ich will, dass du ohne Angst und Sorge leben kannst." Dankbar schaute sie zu ihm und schenkte ihm ein Lächeln.
"Ach, Armand. Du bist besser als die meisten Menschen, die ich kenne." Sie griff nach dem schwarzen Häubchen, das sie geschickt auf ihren roten Haaren feststeckte. Als sie sich zu Armand umdrehte, hatte er sich erhoben und zog sie nun zu sich ran. Sein Kopf beugte sich zu ihr, er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und streichelte kurz ihre Wange.
"Bis nachher, Armand. Ich werde früh da sein und etwas zu Essen kochen, ja?" Sie griff zu seinem Gesicht hoch und legte kurz ihre Hand an seine Wange. Dann löste sie sich von ihm, griff nach dem Bündel Wäsche und verließ das Haus.
Armand sank wieder in den Sessel zurück und starrte nachdenklich vor sich hin. Seine Gedanken wanderten zu Brid, verweilten kurz in den Erinnerungen und gingen weiter zurück zu Marie. Er erinnerte sich an das Bild, das er von Marie hatte malen lassen und das im Moment in einem Lager aufbewahrt wurde wie der Rest seines Mobiliars, das er damals besessen hatte. 

Aber im Grunde brauchte er dieses Bild gar nicht. Noch immer erinnerte er sich an jedes Detail in ihrem lebhaften Gesicht, an die Form ihrer Beine und das Strahlen ihrer Augen. Seufzend gewann Armand die Überzeugung, wohl nie wieder einer Frau wie Marie zu begegnen. Mit Brid hätte er sich noch viele Jahre vorstellen können, doch über das Gefühl von Leidenschaft und Sympathie waren beide nie hinausgegangen.
Müde verscheuchte Armand die trüben Gedanken und ging in sein Schlafzimmer. Als er an Agnes offener Schlafzimmertür vorbei ging, sah er dass das schwarze Haarband von Brid fehlte. Hin und wieder trug Agnes es gerne doch heute hatte er gar nicht darauf geachtet. Wenn Agnes es nicht trug, war es säuberlich über einer alten Ledertasche zusammengelegt, die neben dem Bett auf dem Nachttisch lag. Es war Brids alte Tasche gewesen. Agnes hütete die wenigen Andenken an Brid wie Heiligtümer. Als Armand im Bett lag, schloss er die Augen und fragte sich, was einmal an ihn erinnern würde und wer sich überhaupt noch an ihn erinnern könnte.

1 Kommentar:

  1. Ach Armand verfällt in die nächste Grübelphase.

    Wenn ihm jetzt jemand saen würde, dass er mit einer Frau die 500 Jahre jünger ist als er ein Kind zeugen wird, dass noch lange von ihm erzählen wird, dann würde er lachen.

    Agnes und er haben sich ein gutes Leben aufgebaut. In der Anonymität der Stadt gehen sie unter und sind doch mitten drin.

    Abre weiterhin ist unklar, wie das nun weitergehen wird. Wohin soll es führen. Armand wird sicher nicht zusehen, wie Agnes eine alternde Wäscherin wird. Aber in den Dimensionen denkt er womöglich gerade noch nicht.

    Ich bin gespannt, wo das hinführen wird. Und auch wann Agnes aus ihrer Trauer erwacht. Außerdem möchte ich wissen, was es mit dem Haarband auf sich hat. Irgedwas sagt mir, dass die Erwähnung keie Nebensache war.

    LG
    Joe

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