Sonntag, 16. September 2012

Noctambule III: Die Spur einer Erinnerung

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Wieder einmal hatte Yanis eine schreckliche Nacht hinter sich, geplagt von Alpträumen, Schweißausbrüchen und Krämpfen. Erst in den frühen Morgenstunden fiel er in einen erholsamen Schlaf, nachdem er gehört hatte, wie seine Brüder aufstanden und sich auf den Weg zur Arbeit auf den Feldern machten.


Als er erwachte, zwitscherten die Vögel vor seinem Fenster. So sehr er sich auch anstrengte, konnte er im Haus keinerlei Geräusche wahrnehmen. Er wäre gerne liegen geblieben, doch quälte er sich mühsam aus dem Bett und ging zum Fenster. Die Sonne stand bereits hoch an einem herrlich blauen Himmel, keine Wolke war weit und breit zu sehen. Bei jedem anderen wäre die Laune sofort angestiegen, doch Yanis Miene verfinsterte sich, als sein Blick auf das Mädchen fiel, das direkt unter seinem Fenster dabei war, Wäsche auf die langen Leinen zu spannen.
Die Wäsche bewegte sich in der leichten Brise. Die braunen Haare hatte sie zu einem einfachen Knoten gebunden, doch die ersten Strähnen hatten sich während der Arbeit bereits gelöst und umschmeichelten ihr Gesicht. Das Kleid, das sie von Catherine bekommen hatte, war eine Spur zu lang, aber sie störte sich nicht daran. Sie hatte zwei Kleider von ihrer Gastgeberin bekommen und nähte abends das erste bereits am Saum um, damit es besser passte.
Neben dem Korb mit der Wäsche, die sie bereits gewaschen hatte, räkelte sich eine junge Katze auf dem Rücken und spielte mit einem Wäschezipfel, der über den Korbrand hing. Yanis konnte das helle Lachen des Mädchens hören und sehen, wie es sich zu der jungen Katze hockte und mit ihr spielte.
Miriam genoss das schöne Wetter und vertiefte sich nun in das Spiel mit der kleinen Katze, bis sie schließlich nicht anders konnte, als das Tier auf den Arm zu heben, um die weichen Pfoten und das Fell zu streicheln. Für kurze Zeit schien das junge Tier das auch zu genießen, doch dann setzte der Freiheitsdrang wieder ein und sie begann sich zu wehren. Doch da das Jungtier keine Geduld hatte, warnte es nicht vor, sondern fuhr die Krallen aus und fauchte Miriam wütend an.
Erschrocken ließ sie das Tier los und sah ihm hinterher, wie es über die Wiese lief und im hohen Gras verschwand. Verwirrt blickte sie auf die Wiese. Die Katze hatte das kleine Maul weit aufgerissen und Miriam ein durchaus beeindruckendes, scharfes Gebiss gezeigt. In ihrem Bauch krampfte sich der Magen zu einem kleinen Klumpen zusammen. Eine dumpfe Erinnerung kündigte sich an, doch Miriam konnte sie nicht greifen.
Was hatte dieses Gefühl nun ausgelöst? Hatte sie früher eine Katze besessen, die ebenso schnell gefaucht hatte? War sie von einer Katze einmal gebissen worden? Ihr wurde schwindlig, als sie sich aufrichtete und sie griff sich an den Kopf. Es war da! Sie wusste, dass das Wissen da war, aber es kam nicht an die Oberfläche. Verzweifelt presste sie die Augen zu und versuchte, die Erinnerung herbei zu zwingen, doch es blieb bei ratloser Leere in ihrem Kopf.
Seufzend öffnete sie die Augen und zuckte zusammen, als sie direkt in das lauernde Gesicht von Yanis blickte.
"Du hast mich erschreckt." begrüßte sie ihn mit einem verlegenen Lächeln, das Yanis nicht erwiderte. Er nickte nur kurz und ließ seine Augen suchend wandern.
"Wo ist Mutter?" verlangte er knapp zu wissen. Miriam betrachtete ihn nachdenklich, denn noch immer wusste sie nicht, warum sie bei Yanis so einen Zorn auslöste.
"Sie besucht eine Nachbarin, die wohl kurz vor der Niederkunft steht." berichtete sie. "Ich dachte, ich mache in der Zwischenzeit schon einmal die Wäsche." Yanis musterte nun auch sie, doch in seinem Gesicht konnte sie Hohn lesen.
"Wen willst du damit beeindrucken?" Seine Frage ließ Miriam erneut zusammen zucken. Jedes Wort von Yanis war eine Beleidigung, die sie nicht verstand.
"Ich will einfach etwas Sinnvolles beitragen. Warum bist du so wütend auf mich, Yanis? Was habe ich dir getan?" fragte Miriam nun direkt. Yanis verschränkte die Arme und grinste sie überlegen an.
"Weil ich dich erkannt habe, Weib! Weil ich weiß, was für ein Spiel hier gespielt wird!" Miriam runzelte die Stirn. Ihr wurde plötzlich heiß und kalt, sie ahnte eine Gefahr, die sie nicht verstand.
"Was meinst du? Welches Spiel?" Einmal mehr fühlte sie sich unendlich hilflos. Sie wollte niemanden verärgern und auch niemandem zur Last fallen. Doch nun war das bedrückende Gefühl wieder da, völlig ohne Wurzeln, ohne Halt zu sein. Yanis machte einen Schritt auf sie zu und brachte sein Gesicht direkt vor sie, sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzerrt.
"Welches Spiel meine ich wohl?" äffte er sie nach. "Dein Spiel! Und das deiner Herrin, nicht wahr? Wann rufst du sie zu dir? Wann willst du meine Familie dem Teufel ausliefern, he?"
Miriam taumelte einige Schritte zurück, die Augen erschrocken aufgerissen. Doch Yanis kam hinterher und packte sie schmerzhaft an den Schultern. Die Angst kroch kalt in Miriam hoch, aber der Schreck über Yanis Aggressivität lähmte sie völlig.
"Ich verstehe dich nicht!" wimmerte sie und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Yanis war wesentlich stärker als man es ihm ansah und so hatte er keine Schwierigkeiten, sie trotz ihrer Abwehr mit Leichtigkeit festzuhalten und nun auch noch zu schütteln.
"Ich glaube dir nicht, dass du dein Gedächtnis verloren hast! Ich glaube dir auch deine ach so süße Unschuld nicht! Mich kannst du nicht täuschen!" giftete er nun und schob sie unsanft gegen einen der Apfelbäume, zwischen denen die Wäscheleinen aufgehängt waren. Miriam begann zu zittern und wand sich nun mit aller Kraft in seinem Griff.
"Du tust mir weh, Yanis! Hör auf damit! Ich weiß nicht, wovon du redest!" Sie wurde immer lauter, aber Yanis presste sie unbeeindruckt fester gegen den Baum.
"Hat sie dich schon gebissen? Komm schon, zeig es mir!" Wütend drückte er sie mit seinem Körper gegen die raue Rinde des Baumes, packte mit einer Hand ihr Kinn und zwang ihren Kopf zur Seite, um ihren makellosen Hals zu seinen. Ohne auf ihr Wimmern zu achten, untersuchte er ihren Hals ohne ein Zeichen von Bissstellen zu entdecken und redete dabei einfach weiter, ihr Ächzen und Keuchen übertönend.
"Kein Biss? Das glaube ich nicht! Wo hat sie zugebissen? Antworte gefälligst! Gesteh endlich, dass du eine von denen bist! Hab ich recht? Du spionierst uns aus, tust so als wärest du ach so hilflos und wenn wir dir alle vertrauen, dann holst du sie her, ja? Hast du in ihre Augen gesehen? Hat sie deine Seele schon ausgesaugt? Bist du deswegen so eine leere, dumme, niederträchtige Hülle aus schönem Fleisch?" Yanis schrie inzwischen, packte sie erneut an den Schultern und schüttelte sie so heftig, dass ihr Kopf gegen den Baum schlug.
Miriam verzog schmerzvoll das Gesicht und stöhnte. Ihr wurde schwindlig und die Beine drohten nachzugeben, so sehr zitterte sie. Vor Angst konnte sie schon nicht mehr reden, sondern schüttelte nur heftig den Kopf.
"Ich werde eurem Spiel ein Ende machen, Weib! Endgültig!" schrie er sie an. Miriam sah seine weit ausholende Hand und spürte den Schlag an ihrer Schläfe wie eine Explosion, bevor sie in Ohnmacht fiel. Das letzte, was sie hörte, war seine keifende, schreiende Stimme, dann endlich war es dunkel.

1 Kommentar:

  1. Yanis versteigt sich immer weiter in seinen Wahn.

    Nun rückt er der armen ahnungslosen Miriam wirklich auf den Leib und schlägt sie gar K.O.

    Dabei war sie so nah dran. DAs Fauchen hat die Erinnerung in ihr groß werden lassen. Und so vermute ich, dass ich so richtig läge und der Anblick von Sergej sie zurückholen würde.

    Doch ich bin ziemlich sicher, das Yanis nichts Gutes vor hat. Und das könnte wirklich übel ausgehen. Vor Gewalt schreckt er jedenfalls nicht zurück.

    Und wir haben mitten am Tag, mehr noch, der Tag hat soeben erst begonnen! Die Vampire sind also für Stunden vllig machtlos, gegen das, was er mit Miriam vorhat.

    Hoffentlich geht das lang genug gut!

    LG
    Joe

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