Mittwoch, 7. August 2013

So viele Tote

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Der Abstieg war lang gewesen, doch schließlich standen sie unten. Nadja schaute sich etwas bang um. "Uns sind gar keine Leute entgegengekommen.", sagte sie etwas verdutzt und erstarrte im gleichen Augenblick als sich in ihrem Kopf die erste logische Antwort auf dieses Phänomen formte. "Nö. Hier bleibt man für immer.", sagte Mary mit gespenstischem Wispern.

Nadja zuckte heftig zusammen. Joe schmunzelte kurz, legte dann aber seinen Arm um Nadja. "Erschreck sie nicht.", mahnte er Mary und dann gab er Nadja einen sachten Kuss. "Der Ausgang ist auf der anderen Seite. Es ist kein Rundgang sondern einfach ein Weg hier durch.", sagte er sacht. Nadja entspannte sich etwas und nickte. Doch nach wie vor war zu sehen, dass ihr nicht ganz wohl war. Diesen Punkt auf der Sightseeing-Tagesordnung hätte sie lieber ausgelassen.

Schlendernd machten sie sich auf den Weg. Nadja war dankbar für die Jacke und kuschelte sich enger hinein. Ihre irrationale Befürchtung, hier unten für immer bleiben zu müssen, zerstreute sich nur langsam. Aber natürlich waren sie nie allein dort unten und wurden ständig von anderen Touristengrüppchen überholt oder überholten ihrerseits andere. Dennoch war ihr in diesem Keller einfach nicht wohl.

Auch Mary war deutlich stiller geworden. Die Atmosphäre nötigte scheinbar jedem Stille ab. Es sah gespenstisch aus. In den alten Steinbruchschächten waren unzählige Knochen an den Wänden ordentlich aufgestapelt. Allerorten blickten Schädel mit ihren leeren Augenhöhlen die Besucher an und hier und da erinnerte eine Gedenktafel an die verstorbenen oder benannte ein Todesdatum. Alles war in das schmutzige Gelb der alten Knochen getaucht und auch die, wohlgemerkt reichlich vorhandene, Beleuchtung vermochte nicht die gruselige Atmosphäre zu vertreiben. Dies war vermutlich aber auch nicht vorgesehen.

"Ich hab noch nie so viele Tote gesehen.", stammelte Mary schließlich leise, als sie an einer Tafel zusammenstanden um zu entziffern, was dort geschrieben stand. Joe hatte in der Schule Französisch gehabt. Und wiewohl das einige Jahre her war, fielen ihm doch erstaunlich viele Worte wieder ein. "Man hat alle Toten der umliegenden Friedhöfe hierher gebracht.", erklärte Mary, als sie weitergingen. Sie hatte sich einige Artikel über die Katakomben auf ihr Handy geladen um sie unten auch ohne Handynetz abrufen zu können.

"Ach? Das war gar nicht direkt eine Grabkammer?", fragte Joe überrascht. Mary fühlte sich wieder etwas sicherer und starrte auf ihr Smartphone. "Das meiste waren ursprünglich Steinbrüche. Es sind insgesamt weit über 300 Kilometer. Und als die ersten Gänge instabil wurden und die Häuser drüber einstürzten hat man damit aufgehört. Und dann eben angefangen die Toten von den überfüllten Friedhöfen hierher zu bringen." Nadja schüttelte sich ein weiteres Mal.

"Das war ja ganz interessant hier aber ich bin auch froh, wenn wir raus sind.", gab sie ehrlich zu. Nadja drückte sich kurz an ihre Freundin. "Ich auch.", flüsterte sie. Joe hatte das wohl gehört und auch ihm war nicht so einhundertprozentig wohl. Doch er behielt es für sich.

Nach einer Dreiviertelstunde Fußmarsch an unzählbaren Gebeinen vorbei erreichten sie die Treppe nach oben.

1 Kommentar:

  1. Ich habe das gar nicht mehr als so lange in Erinnerung. Aber jetzt haben sie immerhin eine Menge über Pariser Friedhöfe gelernt *g*
    Und der mutige Joe spielt den coolen Boy, der sich nicht beeindrucken lässt :-)
    Wenn sie raus kommen, werden sie wohl erstmal von der Hitze erschlagen. Da hilft dann ein Eiscafé.

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