Stolz

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Joe folgte den Reden auf dem Podium nur mit halbem Ohr. Lelya hatte versprochen sich sofort zu melden, wenn es etwas neues gäbe. Er hatte nun die Zeit gepeilt, welche die Fahrt wohl dauern würde, und diese war schon eine Weile herum. Also ging es im Haus gerade drunter und drüber? Oder warum meldete sie sich nicht? Anfangs hatte er immer wieder auf das Handy geguckt und es dafür aus der Tasche geholt. Inzwischen behielt er es einfach in der Hand, was ihm zwar pikierte Blicke der Anwesenden um ihn herum einbrachte, doch das war wirklich nicht wichtig.

Die Reden neigten sich dem Ende zu und die Direktorin trat noch einmal ans Rednerpult. Joe seufzte. Jetzt würde es also die Zeugnisse geben und Lelya war noch nicht zurück und hatte sich auch nicht gemeldet. Ein wenig hatte er gehofft, die Situation ließe sich vielleicht schnell bereinigen und Lelya wäre zur Zeugnisverleihung von Nadja wieder zurück, so dass sie nachher direkt gratulieren könnte. Doch einstweilen gab es noch nicht mal einen kurzen Anruf oder eine SMS. Somit sah es dafür wohl schlecht dafür aus.

Endlich vibrierte das Handy in seiner Hand. Es war eine Nachricht von Maria. "Papa ist auf der Flucht, bin bei Mama. Müssen noch mit der Polizei reden. Kommen dann direkt ins Restaurant.", las er erleichtert ab. Es amüsierte ihn, dass Lelya Maria hatte tippen lassen. Sie selbst war mit dem Schreiben auf dem Handy nie warm geworden. Und sie hatte vermutlich nicht anrufen wollen. Joe atmete tief durch. Es würde Nadja sicherlich arg verstören, was nun passiert war, doch wenigstens war Maria in Sicherheit. Das war fürs erste da Wichtigste.

Maria hatte aber auch ein Talent auf ihren Vater hereinzufallen. Wobei Lelya da vermutlich einen großen Anteil dran hatte. Allein dadurch, dass sie Maria immer beschützen wollte und ihr einfach nie die ganze Wahrheit erzählte. Den Gedanken konnte er jedoch gut verstehen, auch er hatte Nadja schließlich nicht immer alles erzählt. Vielleicht war es auch an der Zeit diese Taktik zu überdenken? Er lehnte sich zurück und folgte weiter der Zeremonie. Die Schüler traten jetzt nach und nach nach vorn. Der Name wurde vorgelesen und sie bekamen Glückwünsche und ihre zusammengerollten Zeugnisse. Viele der Eltern standen schon auf, sobald ihre Kinder an er Reihe gewesen waren, obwohl in der Einladung gestanden hatte, dass genau das zu unterlassen wäre.

Endlich war Nadja an der Reihe. Joe betrachtete, wie sie in ihrer Robe auf die Bühne schritt. Er konnte nicht anders, als sich ein wenig zu strecken. Er dachte zurück an seinen HighSchool-Abschuss, der so lang zurück zu liegen schien. Doch er konnte sich noch genau erinnern, was dies für ein stolzer Moment gewesen war. Und genau jetzt fühlte er den selben Stolz noch einmal. Nadja war vor gerade zwei Jahren zu ihm gekommen und sprach nur mäßig gut Englisch. Jetzt hatte sie zwar immer noch einen Akzent, aber ebenso einen Abschluss von der zweifellos besten Schule in Reichweite. Das war ein gutes Gefühl.