Montag, 1. August 2011

Noctambule II: Sie töten Menschen!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Maurice stellte höflich das Tablett neben Miriam auf dem Nachttisch ab und richtete sich wieder auf, um gebührenden Abstand zu nehmen. Immerhin schickte es sich für ihn nicht, im Schlafzimmer einer Dame zu sein, doch die Umstände erforderten eben andere Maßnahmen.

"Der Tee wird Euch gut tun, Mademoiselle." ermunterte er das schluchzende Mädchen freundlich. Ihr Schluchzen hatte stark nachgelassen, als die Armand und Sergej das Zimmer verlassen hatte. Aber sie weinte noch immer und erst nach einigem Zögern hob sie den Kopf leicht und blinzelte misstrauisch zu Maurice, der mit stoischer Gelassenheit wartete.
"Bist du.. bist du auch.." sie atmete schnappend ein und konnte nicht weiterreden. Maurice kam ihr mit ausdrucksloser Miene helfend entgegen.
"Ein Vampir? Aber nein, ich bin ein harmloser menschlicher Butler, Mademoiselle." erklärte er so ruhig, als würde er über ein Gewitter berichten. Miriam blickte nun endgültig auf. Offenbar half seine neutrale Gelassenheit ihr, sich zu fangen.
"Und.. und die.. die tun dir nichts?" stammelte sie verwirrt. Maurice schüttelte den Kopf.
"Im Gegenteil. Sie haben mich aus dem Gefängnis geholt und benötigen meine Dienste. Mein Leben hat sich zwar dramatisch verändert und ich bin sicher, dass es sich in meinem beruflichen Lebenslauf nicht gerade gut auswirkt, aber ich muss gestehen, dass ich endlich einmal tatsächlich interessante Dinge erlebe." erklärte er in einem für ihn wahren Redefluss. Miriams Hand griff zu dem Tee und nach dem ersten Schluck färbten sich ihre blassen Wangen tatsächlich ein wenig. Allerdings waren die Abdrücke von Armands Hand noch immer deutlich zu sehen.
"Aber du hast doch sicher Angst, dass sie dich töten?" bohrte Miriam weiter.
"Warum sollte ich? Sie taten es bisher nicht, obwohl es genug Gelegenheiten dafür gab. Ich bin geneigt, auch bei dieser.. ähem.. Lebensform zwischen Gut und Böse zu unterscheiden." Maurice gestattete sich ein kleines Lächeln. In Miriam arbeitete es offensichtlich. Sie schämte sich für ihren Gefühlsausbruch und dass ausgerechnet Armand, vor dem sie höchsten Respekt besaß, ja sogar Angst empfand, sie zur Raison gebracht hatte, war ihr mehr als unangenehm.

Sie erinnerte sich nun auch daran, dass ihr Anyas Blässe bei dem letzten Besuch aufgefallen war. Das musste damit zusammenhängen. Anya hatte sogar versucht, ihr eindringlich klar zu machen, dass nicht sie und Armand für diese Verbrechen verantwortlich waren. Aber es war doch ein Verbrechen, Menschen zu töten und das machten die doch? Verwirrt starrte Miriam den Butler an, der noch immer regungslos vor ihr stand, sie aber mit väterlichem Blick betrachtete.
"Aber sie töten Menschen!" warf sie nun als unschlagbares Argument ein. Maurice nickte.
"Jawohl, davon gehe ich aus. Ich vermute, sie würden sonst nicht überleben." erklärte er sachlich. Miriam brütete vor sich hin. Es blieb aber doch ein Verbrechen, wenn man tötete? Sie wusste nicht mehr, was richtig und falsch war. Auf der anderen Seite hatten Sergej und Armand versucht, sie und ihre Mutter zu schützen. Sollte das nicht viel mehr ins Gewicht fallen?
"Ich möchte vorschlagen, dass Ihr etwas esst und Euch ein wenig erholt, Mademoiselle. Danach wäre ein ruhiges Gespräch mit den Herren angebracht." riss Maurice sie nun aus ihren Gedanken.
"Vielleicht solltet Ihr inzwischen bedenken, dass Mademoiselle Sanisoise und die Herren ein schreckliches Erlebnis hinter sich haben. Ich kenne zwar keine Einzelheiten, doch kam ich leider nicht umhin, schreckliche Verletzungen zu versorgen." fügte Maurice hinzu und wandte sich zum Gehen. Miriam starrte Maurice hinterher. Verletzungen? Beide wirkten völlig gesund und auch Anya hatte nicht verletzt gewirkt. Sollte Maurice vielleicht doch schon einen Schaden erlitten haben? Fast automatisch griff sie nach einem Stück Brot und kaute verwirrt grübelnd darauf herum, während Maurice vorsichtig an der Wohnzimmertür anklopfte und eintrat.
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1 Kommentar:

  1. Ich wusste doch, dass Maurice keine Geheimnisse mehr von Miriam erfahren kann. Und ich hatte auch recht: Seine Loyalität ist ungebrochen. Interessant auch, seine Ansichten von Vampiren, und dass er zwischen gut und Böse zu unterscheiden weiß.

    Er ist ein wesentlich weiserer Mann, als er sich selbst gegenüber vielleicht zugibt.

    Eines Tages wird er im Schaukelstuhl seinen Enkeln die allertollsten Geschichten erzählen können. :)

    Aber jetzt muss Miriam erst mal mit dem klarkommen, was sie alle erfahren hat. Sicher muss sie sich um ihr Erbe, ihr Personal und ihren Titel kümmern. Und sei es nur, dass sie sich einmal offiziell aus allen Geschäften zurückzieht und auf unbestimmte Dauer verreist.

    Ihre Zuneigung für Sergej, als sie ihre Jungfräulichkeit aufgab war echt. Zwar war es nur eine Teeny-Schwärmerei, beseelt von der Lust auf Abenteuer und der Angst vor den Plänen ihres Vaters, aber sie war echt. Und warum sollte nicht aus der Schwärmerei eine echte Liebe werden?

    Jetzt das Mädchen ein wenig nachdenken lassen, sie wird schon zur Besinnung kommen.

    Interessant übrigens, dass Maurice in der Nähe der Vampire wesentlich sicherer ist, als wenn er keine Beziehung zu ihnen hätte.

    Liebe Grüße
    Joe

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