Mittwoch, 21. November 2012

Noctambule III: Die heiligen Hallen

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Man hatte ihn fürsorglich aufgenommen und ihm eine kleine, kahle Zelle gegeben, die nicht einmal ein Fenster hatte. Yanis hatte das Kloster mitten im Gewitter erreicht und völlig durchnässt um Aufnahme gebeten. Keiner der Mönche fragte nach dem Warum oder Woher, ehe Yanis trockene Kleidung und einen Teller Suppe erhalten hatte. Doch auch danach fragte niemand und Yanis sprach nicht.


Die kleine Zelle bestand aus rohen, unbearbeiteten Wänden und erinnerte ihn an die Abstellkammer zu Hause. Es passte gerade mal das schmale Bett hinein, das aus einer harten Holzliege und einer Wolldecke bestand. Gegenüber des Bettes an der Wand prangte ein Kreuz, daneben war ein Haken für die Kleidung. Yanis verstaute seine wenigen Habseligkeiten unter dem Bett und streckte sich auf der harten Liege aus. Die Erschöpfung übermannte ihn und er war in voller Kleidung für viele Stunden eingeschlafen.

Das Kloster war wie eine kleine Burg, abgeschieden vom Rest der Welt und so weit oben, dass nur derjenige hier auch wirklich ankam, der unbedingt hierher wollte. Entsprechend schien niemand die Berechtigung von Yanis anzuzweifeln, sich hier aufzuhalten und so gewährte man ihm still Unterkunft und Verpflegung und wartete darauf, bis Yanis selbst soweit war, um das Gespräch zu suchen.
Yanis brauchte nicht lange, bis er sich eingelebt hatte. Gerade mal zwölf Mönche lebten hier, doch Yanis erfuhr bald, dass es noch sechs weitere gab, die einen Tagesabstieg entfernt auf der Südseite des Hangs damit beschäftigt waren, einige Terrassen neu anzulegen, damit dort Wein und Weizen angebaut werden konnte. Sie lebten dort in einer kargen Hütte und nur in großen Abständen zog ein neuer Trupp los, während der alte zur Erholung heimkehrte.
Doch Yanis wollte diese Mauern nicht verlassen, um sich den Mönchen anzuschließen. Er wollte lernen und auch das gewährte man ihm, nachdem er ein langes Gespräch mit dem alten Abt geführt hatte. Der kleine, dünne Mann hatte Yanis ernst und geduldig zugehört und nur selten mit einigen Fragen unterbrochen. Zu Yanis Erleichterung wurde er endlich ernst genommen.
"Gott wacht über dich, mein Sohn. Du solltest ihm täglich danken." hatte der Abt lächelnd gesagt und ihm gestattet, hier zu bleiben um zu lernen. Der junge Bauer war mehr als bereit, ein wahres Mönchsleben zu führen und schloss sich allen Gebeten nur zu gerne an. Zu seinem Ärger verlangte man jedoch von ihm, erst einmal lesen und schreiben zu lernen, ehe es in die tieferen Lehren gehen würde, die Yanis so dringend begehrte. Man stellte ihm einen Mönch namens Orven zur Seite mit der Bedingung, Orven bei seinen täglichen Pflichten zu unterstützen, damit genug Zeit zum Lernen und Lehren frei wurde. So schuftete er täglich mit Orven, um den noch winterharten Boden des Klostergartens aufzulockern, damit neue Pflanzen wachsen und alte sich neu entfalten konnten.
Yanis grinste über seine Aufgaben, die ihn schon ein wenig an Zuhause erinnerten. Doch Orven war nicht nur Gärtner. Er trocknete Kräuter, stellte Tees und Salben her und lehrte Yanis während der Arbeit geduldig, welche Kräuter besondere Heilkräfte besaßen und sein junger Schüler sog jede Information gierig auf. Er half dabei Hühner und Ziegen zu versorgen und lernte beim Schlachten gleich die Anatomie des Vogels. Die Ziegen zu melken, hasste er inbrünstig, doch auch diese Aufgabe nahm er klaglos hin, solange er nur lernen durfte. In den Abendstunden kratzte er mit Kreidesteinen mühsam Buchstaben auf die Schiefertafel während Orven Bücher studierte.
Nach drei Wochen durfte Yanis zum ersten Mal die heiligen Hallen der Bibliothek betreten und sein Mund blieb offen stehen. Das Kloster selbst schmiegte sich an die rauen Felsen des Berges, doch nun entdeckte er zu seiner Verblüffung, dass die Mönche in mehreren hundert Jahren Räume in den Fels geschlagen hatten, in dem nun Schriftrollen wohl sortiert neben dicken Büchern aufbewahrt wurden, die aus aller Welt zu stammen schienen.
"Ich hätte nie geglaubt, dass dieses kleine Kloster so einen Schatz besitzt." stammelte Yanis andächtig und erntete ein leises Lachen von Orven.
"Wir sind neugierig und forschen. Mit Gottes Hilfe haben unsere Brüder auf ihren Reisen immer wieder die aufregendsten Dinge entdeckt und hierher gebracht." meinte er und zog ein dickes Buch aus einem Regal. Er brauchte beide Hände für den schweren Band, den er andächtig auf ein Pult legte. Seine Hand strich sanft über den dicken Ledereinband, in den man für Yanis unverständliche Runen eingraviert hatte. Neugierig trat er näher, darauf bedacht, die Kerze zwar nah genug zu halten, aber auch weit genug entfernt, um diesen kostbaren Schatz nicht mit Wachstropfen zu zerstören.
"Ziel unserer Reisen ist stets der Osten dieser Welt. Bruder Johannes brauchte fast zwei Jahre, um ein Gebirge zu erreichen, dessen höchster Gipfel weit in die Wolken reicht. Dort herrschen Kälte und Sturm, doch Bruder Johannes ahnte, dass er dort oben Gott so nah sein muss, dass ihm Erleuchtung winken wird. Er stieg die Gipfel hinauf und berichtete von unglaublichen Erlebnissen. Und obwohl er bald glaubte, nur noch der einzige Mensch auf der Welt zu sein, fand er dort oben ein Kloster, in dem er fünfzehn Jahre seines Lebens verbrachte. Als er zurückkehrte, brachte er diese Seiten mit, doch gebunden wurden sie erst hier, nachdem er selbst noch vieles hinzufügte. Das ist sechshundertdreiundachtzig Jahre her." erklärte Orven und klappte das Buch auf.

1 Kommentar:

  1. Nun wird Yanis also eingeweiht.

    Yanis wird Mönch und Vampirjäger werden. Er hat mit dem Abt gesprochen und er hat ihn nicht abgewiesen. Es scheint viel zu geben, was man in diesem Kloster weiß. Und ich denke Vampire wissen nicht davon.

    Aber ich lag auch richtig mit meiner Vermutung, dass Yanis für die nächsten Jahre keine Bedrohung darstellt. Er wird viel zu lernen haben, ehe er das Kloster als Jäger verlassen kann.

    Ich bin gespannt, wie dieser Zweig weitergeht. Das wird jedenfalls richtig spannend.

    LG
    Joe

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