Donnerstag, 11. Oktober 2012

Noctambule III: Zwei Brüder

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Adolphe und Noel sahen sich mit schockierter Fassungslosigkeit an. Beiden war klar, dass irgendjemand Miriam mitgenommen haben musste, tot oder lebendig. Doch es lag auf der Hand, dass dies der Vater gewesen war und niemand sonst.
"Wer hat dich niedergeschlagen?" verlangte Adolphe nun zu wissen. Er musste eine gute Weile warten, bis Yanis sich so weit beruhigt hatte, um antworten zu können. Er blieb gekrümmt stehen und die Tatsache, dass seine Brüder ungerührt mit ansahen wie er sich die Seele aus dem Leib kotzte, machte ihn wütend.


"Keine Ahnung. Kam von hinten." knurrte er nur. Dass er nicht auf seine Rückendeckung geachtet hatte, ärgerte ihn mehr, als er zugeben wollte. Doch zu beobachten, wie diese Teufel aus dem Nichts erschienen waren hatte ihn erschreckt und fasziniert gleichzeitig. Er verstand selbst nicht, warum sie ihn nicht getötet hatten, aber je mehr er darüber nachdachte, desto überzeugter war er, dass Gott seine schützende Hand über ihn gehalten hatte.
"Dann war der Verlobte von ihr dabei. Einer hat das Feuer auseinander getreten und der andere Yanis umgedroschen." meinte Noel nachdenklich. Adolphe zuckte ahnungslos mit den Schultern, doch Yanis lachte verzerrt.
"Ihr habt keine Ahnung! Da war kein Vater! Da waren zwei Männer und die Mörderin meines Meisters! Aber das versteht ihr nicht! Ihr seid einfach zu blöd!" er spuckte seine Worte in die Richtung seiner Brüder und torkelte zu dem Schuppen, um sich daran abzustützen.
Doch plötzlich packte ihn Noel an der Schulter, riss ihn herum und ein Fausthieb warf ihn rücklings an die Schuppenwand. Bevor er reagieren konnte, umklammerte die große Hand Noels seinen Hals und zog ihn so hoch, dass er fast den Bodenkontakt verlor. Noel kümmerte sich nicht um das hilflose Röcheln seines Bruders. Er brachte sein zornverzerrtes Gesicht dicht vor Yanis und funkelte ihn wütend an.
"Wie willst du das Mutter erklären? Sollen wir ihr einfach sagen, dass du Miriam ein bisschen verbrannt und einen Mann umgebracht hast? Sie wird den Verstand verlieren vor Kummer!" Noel wurde immer wütender, hob Yanis weiter hoch und drosch ihn noch einmal gegen die Wand ohne auf die zappelnden Füße seines Bruders zu achten. "Hast du ein einziges Mal an deine Mutter gedacht, du Esel? hast du das?" Wieder holte seine freie Hand aus, doch diesmal stoppte Adolphe ihn, indem er wortlos die zuschlagende Hand festhielt und seine freie Hand auf Noels Schulter legte.
Noel schnaufte tief und zögerte, doch dann ließ er Yanis einfach fallen und trat ein paar Schritte zurück. Yanis sackte auf den Boden und schnappte röchelnd nach Luft. Als er aufsah, standen seine beiden Brüder wie anklagende Riesen vor ihm und starrten mit maskenhaften Gesichtern auf ihn herunter. Yanis Magen zog sich erneut zusammen.

Adolphe war immer schon der Ruhigste von allen Dreien gewesen und blieb es auch jetzt. Vor ihm hatte Yanis einfach Respekt. Anders bei Noel. Dieser Bruder war imstande, ihn tot zu prügeln in seinem Zorn und auch jetzt stand die Lust am Prügeln in seinen Augen.
"Pack deine Sachen hier und verschwinde von diesem Land. Wir wollen dich nicht wieder hier sehen. Solltest du noch einmal auftauchen, prügeln wir dich wie einen räudigen Hund vom Hof. Mutter wird sich die Augen ausweinen. Find selbst heraus, wie du das wieder gut machen kannst, was du ihr angetan hast. Von jetzt an habe ich nur noch einen einzigen Bruder." erklärte Adolphe mit gefährlich ruhiger Stimme. Selbst Noel hob erstaunt den Kopf und sah seinen älteren Bruder verdutzt an. Doch auch er widersprach ihm nicht, sondern nickte schließlich langsam.
Yanis fand keine Worte. Er hatte gerade seine Familie verloren, die er doch zu schützen versucht hatte. Sprachlos starrte er seine Brüder an und konnte nicht verhindern, dass verzweifelte Wut in ihm hoch kroch.
"Ich habe euch das Leben gerettet! Ich habe Mutter beschützt! Ihr könnt mich doch nicht einfach verstoßen!" Er hatte ganz andere Dinge sagen wollen, doch plötzlich war sein Kopf völlig leer. Hilflos sah er zu, wie seine Brüder sich von ihm abwandten und zu dem Kreuz gingen. Dort suchten sie den Boden ab, hoben mit den Schuhspitzen einen blauen Stofffetzen an, der halb verkohlt war und betrachteten die zerschnittenen Seile. Schließlich bückte sich Adolphe und hob einen langen Pfeil auf. Sogar aus der Entfernung konnte Yanis das Blut erkennen, das daran klebte. Wortlos zeigte Adolphe den Pfeil Noel und warf ihn wieder auf den Boden. Noel drehte sich noch einmal zu Yanis um und betrachtete ihn mit tiefer Abneigung, ja fast Ekel.
"Wir werden jetzt mit Mutter reden. Danach komme ich wieder her. Ab jetzt wird einer von uns bei Mutter bleiben, bis sie sich wieder erholt haben wird. Wenn ich dich in einer Stunde hier noch sehe oder auch nur rieche oder höre, bringe ich dich um, so wahr mir Gott helfe!" Die beiden Brüder blickten nicht mehr zurück. Doch an ihrem schleppenden, schweren Gang erkannte Yanis, dass die Entscheidung gefallen war. Und niemand würde sie jemals wieder rückgängig machen.

1 Kommentar:

  1. So wird auch Yanis zu einem Nefandii :)

    Allerdings hat er das Schicksal selbst gewählt. Es hat ihm vorher keiner gelaubt und das ist auch jetzt nicht der Fall.

    Er glaubt auch immer noch, seine Familie habe sich in Gefahr befunden. Das jedoch ist eben seine größte Fehlerquelle.

    Nun kann er seine Armbrust packen und mit dem was er am Leib hat von dannen ziehen und das Kloster suchen in dem Vampirjäger ausgebildet werden.

    Ich fürchte, wenn er von dort zurückkommt, wird er sehr viel gefährlicher geworden sein.

    Was die beiden Brüder wohl nun daheim erzählen, was mit Yanis und Miriam geschehen ist?

    LG
    Joe

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