Mittwoch, 10. Oktober 2012

Noctambule III: Die Waffe Gottes

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Ein kalter Schwall Wasser riss Yanis aus der schmerzfreien Dunkelheit. Er riss die Augen jappsend auf, schloss sie aber sofort wieder, geblendet von der Helligkeit des Tageslichts. Stöhnend griff er sich an den Kopf und drehte sich auf die Seite, denn heftige Übelkeit kam in ihm hoch. Vorsichtig blinzelnd öffnete er wieder die Augen und erkannte trotz heftigen Schwindels undeutlich zwei Paar schmutzige Stiefel vor seinem Gesicht.


Yanis kannte diese Stiefel gut und rollte sich mit einem klagenden Laut auf den Rücken, um zu seinen Brüdern aufzusehen. Er hatte schon geahnt, dass sie vielleicht nicht gerade froh waren, ihn gefunden zu haben, doch ihre zornigen Gesichter erschreckten ihn mehr als er zuzugeben bereit war. Adolphe schaute ihn mit Wut und Fassungslosigkeit an, Noel aber konnte sich kaum beherrschen, was Yanis an den pochenden Adern an Hals und Stirn seines Bruders erkannte. Mühsam und mit einem üblen Schwindelgefühl setzte sich Yanis auf.
"Was zum Teufel hast du getan, Yanis?!" schnaubte Noel nun mit bebender Stimme. Yanis zuckte mit den Schultern und beobachtete, wie Noel sich umschaute. Vorsichtig drehte auch er den Kopf und erkannte, dass er durch den Schlag auf den Kopf seitlich neben das aufgestapelte Holz gefallen sein musste. Nun konnte auch er das Szenario betrachten.

Das große Holzkreuz, das er so sorgfältig tief in der Erde eingegraben hatte, ragte schief in die Höhe, als hätten irgendwelche Kräfte versucht, es umzutreten. Das Holz selbst war nur äußerlich leicht verbrannt schien aber nicht wirklich richtig Feuer gefangen zu haben.
Die Holzscheite, Reisig und Zweige waren weit um das Kreuz herum verteilt, doch konnte man deutlich an der Asche und verkohlter Erde erkennen, dass sie einmal zu einem großen Haufen aufgestapelt worden sein musste. Jemand hatte das brennende Holz einfach wahllos auseinander getreten und somit verhindert, dass das Feuer seine Aufgabe erledigen konnte.
"Ich habe Feuer gemacht." meinte Yanis schulterzuckend, was er sofort bereute. Tastend erfühlte er eine große Beule an seinem Kopf und in den Haaren klebte getrocknetes Blut aus einer Platzwinde, die noch immer leicht zu bluten schien. Hektisch tastete er weiter und stellte fest, dass das Blut sogar in sein Gesicht gelaufen war. Er musste schrecklich aussehen, zumal das Wasser mit dem seine Brüder ihn aus der Bewusstlosigkeit geholt hatten, Blut und Schmutz miteinander vermischt hatte.
"Ich blute!" rief er erschrocken aus und betrachtete seine Finger, die er dann seinen Brüdern zeigte, doch Adolphe zuckte nur mit den Schultern.
"Du lebst! Und das ist wohl mehr Glück als Verstand!" murrte er, nun selbst die Umgebung betrachtend. Noel warf wütend den Eimer, mit dem er das Wasser auf seinen Bruder geschüttet hatte, beiseite.
"Was, zur Hölle, hast du hier veranstaltet, Yanis?! Bist du völlig übergeschnappt?" brüllte er nun seinen Bruder an, der leicht zusammenzuckte und einen verbissenen Gesichtsausdruck annahm.
"Wo ist das Mädchen? Was hast du ihr angetan?" Noels Stimme überschlug sich und Yanis verdankte nur Adolphes beruhigender Hand an Noels Arm, dass sein Bruder ihm nicht an die Gurgel ging. Doch Yanis schien das nicht zu schätzen zu wissen.
"Du meinst diese kleine Schlampe, die dir dein bisschen Hirn vernebelt hat? Die hat ihre Freunde gerufen! Du hast ja keine Ahnung, was sie ist!" schrie er nun zurück und versuchte mühsam auf die Füße zu kommen. Doch Noel hatte die Hand seines Bruders abgeschüttelt und Adolphe zur Seite gestoßen. Mit weit ausholendem Fuß verpasste er Yanis einen derben Tritt in den Bauch, der Yanis zur Seite warf. Yanis wälzte sich aufschreiend auf den Rücken und krümmte sich zusammen.
"Sie ist die Tochter eines wohlhabenden Bürgers namens Maurice Demours und heißt Miriam! Sie ist siebzehn Jahre alt und hättest du sie nicht verschleppt wäre sie seit gestern Abend wieder in ihrer Familie, du Vollidiot!" schrie er. Yanis stieß ein hohes Kichern aus und drehte sich, um auf alle Viere zu kommen und dann auf die Füße zu stemmen. Taumelnd blieb er vor seinen Brüdern stehen.
"Ja! Und die wäre dann das nächste Opfer geworden, die wohlhabende bürgerliche Familie!" krächzte er mit verbissener Ironie. Da er sich hustend zusammenkrümmte, übersah er den verzweifelten Blick, den sich die Brüder zuwarfen. Nun ergriff Adolphe das Wort.
"Wo ist sie jetzt?" verlangte er zu wissen. "Was ist hier geschehen?" Yanis richtete sich taumelnd wieder auf und wischte sich den Speichel vom Mund. Die Übelkeit wollte einfach nicht aufhören und der Tritt seines Bruders hatte ihm mächtig zugesetzt.
"Keine Ahnung, wo sie ist. Hoffentlich tot! Verbrannt! Ich habe euch doch gesagt, dass es hier Vampire gibt! Und sie .. sie ist ihre Dienerin! Sie liefert ihnen die Opfer auf dem Silbertablett! Ich habe diese Teufel gesehen! Es gibt mindestens drei! Und wir dachten, es ist nur diese eine mit ihrem Bastardkind. Hier gibt es Horden von ihnen! Sie wollten sie befreien und ich habe mindestens einen von ihnen erwischt!" Er ließ seine Brüder nicht aus den Augen und die fassungslose Hilflosigkeit in ihren Gesichtern brachte ihn zum Grinsen.
"Jetzt staunt ihr, was? Euer kleiner Bruder hat den Angriff von Vampiren zum zweiten Mal überlebt! Und euer kleiner Bruder hat sogar einen erschossen! Mit dieser Armbrust hier! Eine Waffe Gottes!" Er lachte auf, doch der Spott in seinem Lachen ging in einem weiteren Husten und Würgeanfall unter. Wieder krümmte er sich zusammen und endlich erbrach er sich.

1 Kommentar:

  1. Wie ich scon vermutet hatte... Maurice hat ehrenwert und gründlich gehandelt. Doch nicht gründlich genug, wie es scheint.

    Yanis lebt und ist in überraschend guter Verfassung. Er wird bald darauf kommen, dass das Feuer die kleine Miriam wohl nicht verbrannt hat. Und ich bin gespannt, wann er herausfindet, dass sein Pfeil keineswegs so präzise gesessen hat, dass der Vampir der ihn abbekam tot umfiel.

    Nun hat er sich also mit seinen Brüdern auseinander zu setzen. Und wie ich ebenfalls vermutete, sind die keineswegs erfreut. Ich denke, wenn er noch ein paar Mal von Vampiren erzählt, dann wird ihm die Beule und die Platzwunde am Hinterkopf wie Weihnachten vorkommen, gegenüber dem, was seine Brüder ihm vermutlich verpassen werden.
    Wer den anderen mit einem Eimer Wasser weckt und im Dreck liegen lässt, ist jedefalls nicht auf übermäßige Fürsorge gepolt.
    Auch bei seiner Mutter dürfte er fürs Erste verspielt habe. Die war vernarrt in Miriam und wird keineswegs erfreut sein zu hören, dass er versucht hat das Mädchen zu verbrennen.

    Alles in Allem gibt der Ort jedenfalls reichlich Rätsel auf. Ich bin gespannt, wer in der Lage ist sie zu lösen.

    Yanis ist jedoch vermutlich von seinem Plan, Vampirjäger zu werden, nicht mehr abzubringen.

    Soll er kotzen und sich erbrechen!

    Ich hoffe Miriam geht es langsam besser.

    LG
    Joe

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