Montag, 22. Oktober 2012

Aller Abschied ist leicht

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Mykola kämpfte immer noch mit der Erkenntnis, wie sehr aus seiner älteren Tochter eine junge Erwachsene geworden war. Sie schmierte dezent Restaurantpersonal, übernahm die Rechnung und scheuchte ihn schon den ganzen Tag herum. Kopfschüttelnd betrachtete er sie. Nach kurzem Suchen hatte Nadja in der Handtasche das Objekt der Begierde gefunden und zog es heraus.

Sie hatte einen weißen Umschlag in der Hand und trat nun auf ihren Vater zu. "So - damit wir das nicht gleich vor dem Hotel erledige müssen, wo ich vielleicht keinen Parkplatz finde.", kommentierte sie die Übergabe, "Das sind 3100 Dollar und dein Flugticket. Wie du es mit Mama vereinbart hast, sind es 1000 Dollar und der Rest in Hryvnia. Es müssten um die 17.000 sein. Das Ticket ist auch drin. Du fliegst morgen um 11:45 Uhr über Frankfurt nach Kiew. Ein Wagen holt dich um 9 Uhr am Hotel ab. Den hat Joe bezahlt. Du brauchst also nichts für ein Taxi zu verschwenden."

Völlig baff sah Mykola auf den Umschlag in seiner Hand. Er fühlte sich schwer an, was sicherlich an den vielen Ukrainischen Scheinen lag. Er hatte eigentlich gedacht er würde das Geld von Lukas bekommen, wenn Lelya selbst schon nicht auftauchte. Aber erneut war es Nadja, die ihn nicht nur herumscheuchte, sondern jet auch noch quasi wegschickte. Er nickte stumm. "Alles in Ordnung?", hakte Nadja mit etwas spitzem Tonfall nach. "Alles ok.", quetschte Mykola heraus.

Inzwischen kam er sich reichlich übervorteilt vor. Nadja fuhr ein Auto, das sicherlich mehr kostete als eine Eigentumswohnung oder in der Ukraine sogar ein halber Wohnblock. Lelya lud die ganze Familie zu einem Abendessen ein, dass wohl um die 400 Dollar gekostet haben musste. Und er bekam monatlich 100 Dollar und 3000 Dollar Startkapital.

"In Zukunft wird dir Mama das Geld per Western Union schicken. Da kann man auch Geld überweisen, wenn man kein Konto hat. Aber sie hat dir aufgeschrieben wie das alles funktioniert.", machte Nadja noch weiter. Wieder nickte Mykola stumm.

Schließlich saßen sie alle im Auto. Niemand sprach ein Wort während der Wagen durch die Dämmerung rollte. Schließlich stoppte Nadja vor dem Hotel. Es war tatsächlich kein Parkplatz frei, so blieb sie kurz in zweiter Reihe stehen. Der Verkehr war nicht mehr so dicht, dass das gefährlich wäre. "Also dann.", nickte sie ihrem Vater zu, "Du hast alles. Ich wünsche dir einen guten Rückflug." Auch Lukas drehte sich im Beifahrersitz herum. "Tschüss.", meinte er nur knapp. Maria sah ihren Vater etwas mitleidig an. "Es war schön, dass du da warst. Und wenn alles klappt, komme ich in den Ferien dich besuchen.", versprach sie und drückte sich kurz an ihn.

Nadja konnte nicht anders, als das mit einem Augenrollen zu quittieren. Doch sie hatte es auch nicht anders erwartet. "Also dann, Kinder, lebt wohl.", meinte Mykola gepresst und öffnete seine Wagentür. "Leb wohl.", kam es von drinnen noch einmal. Dann stieg er aus und ließ die Tür zugleiten. Nadja wartete noch, bis Maria ihm durch die Scheibe zugewinkt hatte. Dann gab sie Gas.

1 Kommentar:

  1. Abschiede sind ja bekanntlich schwer, aber hier haben die beiden "Großen" ihren Vater gerade nochmal herzhaft geohrfeigt.
    Nadja mit ihren Worten: "Du hast alles". Hat er eben nicht, allerdings hat er tatsächlich nur signalisiert, dass er Geld wollte und keine Familienliebe. Genau das hat er nun auch bekommen. Dumm gelaufen.
    Lukas mit seinem gefühlsrohen "Tschüß". Kein Leb wohl, kein auf Wiedersehen... all diese Floskeln implizieren ja ein wohlgesinntes Verabschieden und danach ist Lukas offenbar gerade nicht. Was ich verstehen kann.

    Was Maria nun mit ihrer Phrase wirklich meint, werden wohl die Jahre zeigen. Ich will ihr sogar zugute heißen, dass sie im Augenblick tatsächlich meint, was sie sagt. Ob sie es durchsetzt, wird man dann ja sehen.

    Und Mykola? In dem kam schon der Gedanke hoch, dass er zu knapp abgeschnitten hat. Reinster Neid, würde ich meinen, und das kann ich sogar verstehen. Er wurde recht billig abgespeist, nur hat er sich das leider selbst eingebrockt. Zudem hat er jeden Anspruch auf Sorgerecht verloren und er wird Seattle verlassen ohne zu ahnen, dass er Großvater wird.

    Nein, lieber Autor, ich habe kein Mitleid mit Mykola. Auch wenn du dir noch so viel Mühe gibst, ich finde alles genau richtig! Nur das teure Steak gönne ich ihm nicht! *grinst*

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.