Freitag, 7. September 2012

Noctambule III: Wirre Gedanken

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Yanis' Schritte auf seinem Heimweg waren fest, schnell und fast wütend. Jeder Tritt zeigte seine aufgewühlte Stimmung, seine Stirn war in tiefe Falten gelegt und sein Blick gedankenverloren nach innen gerichtet. Beide Arme ruderten im Takt seiner Schritte, doch die Fäuste waren geballt und die Muskeln seines hageren Körpers waren angespannt.


Es stimmte alles und er war nicht verrückt! Die alte Bernadette hatte die Mörderin seines Meisters perfekt beschrieben. Doch was noch viel schlimmer war, sie hatte auch die Fremde beschrieben. Yanis schnaubte verächtlich. Seine Brüder hatten dieses Weib auch noch Belle genannt.
Ohja, sie war in der Tat schön! Sanft und zart, scheu wie ein Reh und so still. Eifrig bemüht, sich bei seiner Mutter einzuschmeicheln und ihr zu helfen, wo sie nur konnte.
Kundschafter Satans! Sollte er das wirklich glauben? Warum mussten diese Dämonen die Menschen auskundschaften, wenn sie doch die Seele mit einem einzigen Blick in die Augen stehlen konnten? Warum, wenn sie doch so viel stärker als die Menschen waren? Die Gedanken des jungen Mannes überschlugen sich, verwickelten sich ineinander zu einem undurchdringlichen Gewirr. Yanis schüttelte verzweifelt den Kopf, um wieder klar denken zu können.
Noch einmal von vorne. Diese Belle hatte mit einer Kopfverletzung im Fluss gelegen. Ohne seine Brüder wäre sie ersoffen wie ein Katzenjunges. Hätten Noel und Dolphe doch nur an diesem Tag ein anderes Feld bestellt! Aber nun war sie da und hatte angeblich ihr Gedächtnis verloren. Auch das hatte Yanis noch nie gehört oder erlebt. Aber konnte ein Mädchen in ihrem Alter so etwas wirklich spielen?
Erneut kam Yanis nicht weiter. Er wusste nicht, ob Belle tatsächlich schon so tief im Bann der Vampire stand, dass sie zu allem fähig sein würde. Andererseits schien sie ihm wirklich unglücklich über ihre fehlenden Erinnerungen zu sein. Was, wenn sie wirklich einen Unfall gehabt hatte? Würde dieses blonde Biest, ihre Herrin, sie nun noch suchen?
Wenn ja, wäre seine ganze Familie in schrecklicher Gefahr und Yanis wäre gezwungen, etwas Grausames zu tun. Doch wenn er sich irrte, hatte er einen Mord zu verantworten. War er selbst dazu in der Lage?
Aber Bernadette hatte Belle genau beschrieben. Demnach war sie mit dieser Vampirfrau zusammen gewesen. Vielleicht war sie ja vor dem Dämon geflohen und dabei gestürzt. Dann wäre sie unschuldig und seine Mutter hätte sie mit Recht gerettet und gesund gepflegt. Seufzend schaute Yanis in den Abendhimmel ohne jeglichen Sinn für das herrliche Abendrot, das sich gerade ausbreitete.
Überrascht stellte er fest, dass er bereits an der Brücke angekommen und beinahe zu Hause war. Mit schnellen Schritten legte er den Rest seines Weges zurück, die Augen fest auf sein Elternhaus gerichtet, sobald er es erkennen konnte. Früher hatte ihn der helle Schein der Fenster mit Freude erfüllt. Dann war er froh, in der Küche noch etwas zu essen und seiner Mutter vom Tag berichten zu können. Früher… das schien Jahre zurück zu liegen und war doch erst vor wenigen Tagen zu Ende gegangen.
Mit schnellen Schritten betrat er das Haus und stand nur Sekunden später in der Küche vor einem gemütlichen Familienbild. Seine Brüder saßen müde mit erschöpft herunterhängenden Schultern am großen Esstisch. Sie hatten ihre Mahlzeit bereits heruntergeschlungen und dachten offenbar nur noch an ihr Bett. Seine Mutter musterte ihn bekümmert, quälte sich jedoch ein Lächeln in ihr Gesicht und machte ihm Platz am Tisch, indem sie aufstand und das schmutzige Geschirr einsammelte. Die Fremde saß vor einem kaum berührten Teller mit Brot und schaute erschreckt zu ihm auf.
Ohne sie weiter zu beachten, sackte Yanis auf die Eckbank und zog sich einen sauberen Teller heran.
"Du kommst spät, Sohn." meinte Catherine nun mit leisem Vorwurf. Sein kurzer Blick zu seinen Brüdern bestätigte ihm, dass sie ihn ebenfalls musterten und unzufrieden wirkten. Schnell senkte er den Blick wieder auf den Teller und legte hastig einige Scheiben Wurst auf sein Brot.
"Ich habe die alte Bernadette besucht." erklärte er einfach. Dabei hob er nun lauernd den Blick zu Belle. Doch sie blickte weiterhin auf ihre Finger und mied seinen Blick. Yanis war nicht sicher, ob sie eben wirklich kurz die Stirn gerunzelt hatte.
"Oh! Es geht ihr hoffentlich gut? Ich habe sie eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen." plauderte Catherine nun während sie ihrem Sohn einen Becher Brunnenwasser hinstellte. Yanis zuckte mit den Schultern.
"Es geht ihr nicht schlecht." meinte er ruhig, immer noch Belle betrachtend.
"Mir gefällt es nicht, wie du deine Zeit verbringst, Bruder." schaltete sich nun Adolphe ein. Yanis schaute irritiert zu ihm.
"Was gefällt dir daran nicht?" fragte er gereizt. Catherine stieß ein kleines Seufzen aus und begann, die Teller abzuspülen. Adolphe blieb ungerührt.
"Ich habe das mit Noel besprochen. Dass du deine Lehrstelle verloren hast, ist verdammt ärgerlich. Aber es ist nun mal so und daher solltest du uns auf den Feldern helfen. Wir können jede Hand gebrauchen." bestimmte er nun. Yanis Kopf ruckte nun ganz herum. Er starrte seinen Bruder an, riss dann seinen Blick los und heftete ihn auf Noel, der zustimmend nickte.
"Ist das Beste." bestätigte dieser nun. Yanis Gesicht verzerrte sich und seine Hand umklammerte das Brotmesser so fest, dass die Knöchel weiß heraustraten.
"Gott hat mich mit der Lehre geprüft und fand sie nicht richtig für mich. Aber ich bin kein Bauer. Meine Bestimmung hat sich mir heute offenbart! Meine Hände sind nicht dafür geschaffen, im Dreck zu wühlen! Sie werden in den Eingeweiden der Brut Satans wühlen!" schnappte er und stand so ruppig auf, dass Miriam zusammenzuckte. Yanis starrte sie mit funkelnden Augen an und rammte sein Messer direkt vor ihren Teller in die dicke Tischplatte.
"Und du! Du solltest ganz schnell darüber nachdenken, abzureisen!" giftete er sie an. Miriam wurde blass und drückte sich in den Stuhl zurück.
"YANIS!" Catherinas scharfer Ruf verfehlte seine Wirkung. Ihr Sohn würdigte sie keines Blickes und stürmte aus der Küche. Kurz darauf war das Krachen seiner Zimmertür zu hören und dann breitete sich betretene Stille in der Küche aus.

1 Kommentar:

  1. Uiuiui..

    Yanis hatte eigentlich doch die richtigen Gedanken gefasst und war sich sicher, dass Miriam aka Belle nicht lügt. Doch jetzt hat seine Wut gewonnen.
    Er feindet Miriam an und ist sich sicher, wen er da vor sich hat.

    Doch was wird daraus nun? Er hat nicht ernsthaft vor, das arme Mädchen zu töten. Ich frage mich ob er dazu (schon) in der Lage ist.

    Ich bin jedenfalls sicher, dass Sergej ihm diesen Fehler nicht verzeihen würde, wenn er seiner je habhaft werden sollte.

    Aber wie wird das nun für Miriam in der Familie, nachdem Yanis die offenen Anfeindungen ausgesprochen hat. So recht glaubt ihm ja keiner, somit stellt er sich in der Familie auf verlorenen Posten.

    Miriam - schnell weg da... Dein Geliebter wird dich finden.

    LG
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.