Freitag, 28. September 2012

Noctambule III - Rückblick: Das Grauen beginnt...

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Es musste geregnet haben, denn die Straßen glänzten nass und Jérôme musste einigen Pfützen ausweichen. Er hatte keinen Sinn für die frische, saubere Luft nach einem reinigenden Regen. Er war wütend und stapfte mit festen Schritten durch die Gassen. Maria und Dominique hatten es geschafft ihm seinen wohlverdienten Feierabend zu verderben. Nicht nur, dass sein Sohn aufsässig und frech war, er wurde auch noch von seiner Mutter in diesem unverschämten Verhalten geschützt!

Zwei Schneidezähne hatte Dominique bereits durch die Faust seines Vaters eingebüßt, doch schien das noch immer nicht gefruchtet zu haben. Jérôme knurrte zornig. Die heutige Jugend besaß einfach nicht mehr den Respekt, der ihm, dem Vater, zustand. Verwöhnt war der Rotzbengel, verweichlicht durch seine Mutter, die nichts besseres zu tun hatte, als unzufrieden herumzunörgeln, weil sie die Arbeit verrichten sollte, die sie gefälligst als Hausfrau zu erledigen hatte.
Jérôme hatte eigentlich heute Abend gar nicht in die Kneipe gehen wollen. Vorletzte Nacht war ausschweifend genug gewesen. Doch nun steuerte er den Weg Richtung Kneipe an und stopfte dabei seine Hände tief in die Hosentaschen. Das spärliche Licht der Pechfackeln, die sparsam am Wegrand angebracht waren, vertiefte die Schatten in den Nischen und Lücken zwischen den Häusern. 

Jérôme achtete nicht darauf. Er war tief mit dem Gedanken beschäftigt, ob alle Familienväter so unzufrieden mit dem Nachwuchs und der eigenen Frau waren und ob dies seine ausschweifenden Nächte nicht auf irgendeine Weise legalisierte.
Ein warmer Hauch in seinem kurz geschorenen Nacken ließ ihn zusammen zucken. Auf dem Absatz drehte er sich um und starrte die leere Straße hinunter. Blinzelnd versuchte er die Ursache des seltsamen Gefühls zu entdecken, fand jedoch nichts Ungewöhnliches. Stirnrunzelnd beschloss er, den Hauch als Einbildung abzutun und drehte sich wieder seinem alten Weg zu. Er rammte seine Nase gegen ein hartes Brustbein und zuckte erschrocken zurück.
Der Mann vor ihm war unglaublich groß. Wie er so lautlos da hin gekommen war, blieb Jérôme ein Rätsel, denn hätte er Schritte gehört, wäre er nicht gegen diese breite Brust gelaufen.
"Pass doch auf, Mann!" fluchte er und zog knurrend einen Halbkreis um den großen Kerl, der mit tief gezogener Kapuze stumm stehen blieb. Jérôme schaute noch einmal über die Schulter, um einen giftigen Kommentar loszuwerden, blieb jedoch wie angewurzelt stehen. Der Bursche war einfach verschwunden!
Irritiert stand Jérôme mitten auf der Straße und sah sich mit offenem Mund um. Hatte er sich das nun auch eingebildet? Nein, mit Sicherheit nicht, denn ihm tat seine Nase noch immer von dem Aufprall weh. Andererseits konnte dieser Riese doch nicht einfach vom Erdboden verschluckt werden! Angestrengt schaute er in die Schatten der Straße, konnte jedoch niemanden entdecken. Seufzend setzte er seinen Weg fort, konnte sich aber ein Schaudern nicht verkneifen. Manche Dinge waren mehr als seltsam und Jérôme hasste es, wenn er Dinge nicht erklären konnte.


Das dunkle, verachtungsvolle Lachen, dass er wenige Schritte weiter hörte, ging ihm durch Mark und Bein. Es war nicht nur einfach ein Lachen, das von der Seite oder hinter ihm zu hören war, es war irgendwie ein Echo in seinem Kopf, als habe er es sich nur eingebildet. Begann er nun seltsame Stimmen zu hören? Mit einer dicken Gänsehaut auf dem Rücken drehte er sich mehrfach um seine eigene Achse, konnte aber niemanden sehen. Er schüttelte sich und leckte sich über seine plötzlich trockenen Lippen.
"Wer bist du?" rief er und ärgerte sich darüber, dass seine Stimme viel heller als sonst klang. Lauschend verharrte er genau dort, wo er stehen geblieben war und blickte sich immer wieder um. Ein lautes Knarren ließ ihn herumfahren, doch es war nur ein Fensterladen, der von einer alten Frau geschlossen wurde, die ihn kurz mit misstrauischem Blick ansah, bevor sie den Laden ganz schloss und geräuschvoll verriegelte. Jérôme atmete tief durch. Gerade als er sich tief schnaufend entspannen wollte, hörte er dieses kurze, verächtliche Lachen erneut. Er fuhr wild herum, geriet beinahe ins Stolpern und fing sich gerade eben noch, bevor er in unkontrolliertes Taumeln geraten wäre.
"Wo bist du? Zeig dich, du Feigling!" kreischte er, sich hastig im Kreis drehend. Ein Fenster öffnete sich und ein Mann beugte sich heraus. Jérôme achtete nicht auf ihn, war aber eher dankbar über den neuen Lichtschimmer.
"Halts Maul, du Idiot! Hier wollen Leute ihre Ruhe!" keifte der Mann auf die Straße hinaus in Jérômes Richtung. Dieser schaute zu dem empörten Bewohner auf, eine patzige Antwort auf den Lippen, doch sie erstarb in seiner Kehle. 

Er sah nur einen flüchtigen, großen Schatten, der über die Straße flog und senkrecht die Hauswand empor schnellte. Der Mann am Fenster kam überhaupt nicht zu einem Schrei. Jérôme hörte das hässliche Geräusch von reißendem Fleisch und brechenden Knochen, dann fiel der Körper aus dem Fenster hinaus und landete mit dumpfem Poltern auf der Straße. Der Schatten war verschwunden.

1 Kommentar:

  1. Endlich wieder Noctambule :)

    Jerome flüchtet vor seiner eigenen Familie in die Nacht.

    Einmal mehr zeigt er sich als schlägerndes Weichei.
    Seine eigene Argumentation folgt so kruden Linien, doch er fühlt sich im Recht. Was sollte er sonst auch tun.

    Doch Armand gefällt mir. Er geh die Sache langsam an. Sein Schützling hat gelitten und ist jämmerlich verblutet. Nun gibt er den Racheengel und er hat offensichtlich nicht vor, es schnell und schmerzlos werden zu lassen.

    Auch wenn ich sonst wenig für Rache bin: mach ihn fertig! Koste es aus!

    LG
    Joe

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