Samstag, 15. September 2012

Noctambule III: Das alte Herz

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Armand bedauerte, dass der Priester Anya und ihn erkannt hatte. Er wollte den armen Mann nicht töten und hätte ihm auch gern den Schock erspart. Doch die Panik war bereits sichtbar. Armand hatte bereits lange seinen Glauben an Gott verloren und konnte die Besessenheit so mancher Priester und Nonnen nicht nachvollziehen. Sie störte ihn sogar obwohl ihn die Bezeichnungen, die man ihm gerne gab, nicht wirklich beleidigten. Er hatte Verständnis dafür, dass die Menschen in ihm ein Monster sahen. Lange Zeit hatte er das selbst so empfunden. Doch nun brauchte er Informationen und musste behutsam mit diesem Priester umgehen.


"Wir suchen ein Mädchen. Sie scheint am Fluss gestürzt zu sein. Ich will wissen, wo sie ist." erklärte er ruhig ohne den Priester aus den Augen zu verlieren. der Abbé begann zu nicken, erst langsam, dann immer heftiger, während sein Kehlkopf hüpfte.
"Sie ist also wirklich eure Sklavin, nicht wahr? Ich habe das befürchtet." jappste er und rieb das kleine Kreuz an seiner Brust. Armand lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme.
"Sklavin würde ich jetzt nicht sagen." meinte er und senkte den Blick mit einer lächelnden Botschaft an Anya, die sofort zu ihm aufschaute und dann den Blick senkte. Doch der Geistliche stieß ein hohes Kichern aus.
"Wenn Ihr sie nicht finden könnt, werde ich es Euch nicht sagen. Sie erinnert sich nicht mehr an Euch. Noch besteht Hoffnung für sie." erklärte er mit singendem Unterton. Armand seufzte. Langsam setzte er sich in Bewegung und näherte sich dem Abbé, der regelrecht in sich zusammen sackte. Seine Knie schlotterten sichtbar unter dem Nachthemd, als Armand dicht vor ihm stehen blieb. Doch er weigerte sich noch immer in die Augen Armands zu sehen, sondern hielt den Blick fest auf dessen Brust geheftet.
Armand wartete eine Weile, doch als sich nichts änderte, packte er das Gesicht des Mannes mit einer Hand und zwang den Kopf in den Nacken. Der Priester kniff nun die Augen zusammen und begann zu beten.
"Sieh mich an!" knurrte Armand nun und hielt das Gesicht Jeans mit eisernem Griff fest. Er konnte das verzweifelte Kopfschütteln des Priesters an der Hand fühlen und fluchte innerlich über dessen standhafte Weigerung. Nur mit einem Blick in die Augen war es ihm möglich, die Erinnerungen des Menschen zu lesen. Aber der Priester schien gut genug darüber Bescheid zu wissen und presste die Augen weiterhin fest aufeinander. Armand musste zu anderen Mitteln greifen.
Mühelos konzentrierte er sich auf den zitternden Mann vor ihm und begann, in seinen Geist einzudringen. An dem heftigen Beben des Mannes erkannte er, dass er Erfolg hatte. Der Abbé verspürte immer heftiger den Drang, die Augen zu öffnen und sich zu entspannen. Langsam und träge begann er, die Augen zu öffnen und blickte leer in die schwarzen Pupillen direkt vor seinem Gesicht.
Kein Laut war in der Küche zu hören. Mit angehaltenem Atem beobachtete Anya, wie Armand sich auf den Priester konzentrierte, der wie ein jämmerliches Päckchen zwischen Armand und der Wand eingeklemmt war. Nach einer endlos scheinenden Zeit ließ Armand von dem alten Mann ab und wandte sich Anya zu, die sofort wieder aufmerksam war.
"Er hat sie nie gesehen. Aber ein Junge namens Yanis Chevrier erzählte ihm, dass eine Unbekannte von seinen Brüdern aus dem Fluss gerettet wurde." erklärte er nur teilweise zufrieden über diese Auskunft. "Sie leben auf der anderen Seite des Flusses in einem Bauernhaus." Anya sah ihn fragend an.
"Sie erinnert sich nicht mehr an uns?" wiederholte sie bangend die Worte des Priesters. Armand nickte seufzend.
"So sieht es wohl aus." bestätigte er in bedauerndem Tonfall. Beide sahen sich stumm an. Sie mussten nichts weiter besprechen, denn beide dachten das Gleiche. Sie hatte Sergej vergessen und ihre große Liebe war dadurch verschwunden. Keiner der Beiden hatte eine Ahnung, wie sie das ihrem Freund beibringen sollten und sie wussten auch nicht, wie sie Miriam zu ihrem Gedächtnis verhelfen konnten.
Die Schnappatmung des Priesters riss Armand aus seinen Gedanken und er drehte sich zu dem Mann um. Jean hatte die Augen weit aufgerissen und presste nach wie vor sein Kreuz an seine Brust. Doch nun machte sich Panik im Gesicht des Mannes breit, staunende Hilflosigkeit und schließlich wurde sein Gesicht maskenhaft starr. Armands helfende Hände verhinderten, dass Abbé Jean einfach umfiel, doch Armand ließ ihn sanft zu Boden gleiten und legte ihn schließlich dort ausgestreckt ab. Anya presste bedauernd die Lippen zusammen, denn sie ahnte, was geschehen war. Als Armand sich aufrichtete und sie ansah, seufzte sie tief.
"Sein Herz hat den Schreck nicht verkraftet." meine Armand bedauernd. Anya nickte nur tief. Es tat ihr leid um den Geistlichen, doch ihre Gedanken waren noch immer bei Sergej. Gleichzeitig musste sie feststellen, dass sie betete. Wenn es dich gibt, Gott, dann lass bitte niemals zu, dass ich Armand und Raoul vergesse.
Die Beiden verließen das Pfarrhaus ebenso ungesehen, wie sie es betreten hatten. Es war höchste Zeit, sich auf die Suche nach Sergej zu machen. Die Nacht war weiter fortgeschritten, als sie geplant hatten, doch würden sie wichtige Neuigkeiten mitbringen und konnten nur hoffen, spätestens in der nächsten Nacht endlich auf der richtigen Spur zu sein. Mit etwas Glück würden sie Miriam sogar finden und mitnehmen können.
Der tote Abbé würde von den Bewohnern der Gemeinde in der Küche gefunden werden, in seinem Nachthemd und noch immer das Kreuz verkrampft festhaltend. Man würde das Alter und ein versagendes Herz als Todesursache ansehen und ihn trauernd beisetzen. Für Armand und Anya blieb nur wichtig, dass er sein Wissen mit ins Grab nahm und nicht noch mehr Schaden anrichten konnte, als in der Vergangenheit bereits eingetreten war.

1 Kommentar:

  1. Ach da war Armand so vorsichtig und dennoch musste der Alte sterben.

    Aber Anyas Plan ist nun voll aufgegangen. Sie haben den Weg zu Miriam gefunden und es wird ein leichtes sein sie dort aufzuspüren.
    Und sie haben auch die Erklärung für die Tatsache, dass sie sich nicht meldet.

    Ich hätte ja gesagt, man könnte sich doch freuen, dass sie lebt und dass es ihr gut geht. Und man könnte alles daran setzen ihr Erinnerungsvermögen wieder herzustellen.

    Vampire verfügen doch über erstaunliche Fähigkeiten, mit dem Geist anderer Menschen zu interagieren. Warum sollte dies nicht auch helfen können, eine Amnesie zu überwinden. Und wer weiß, ob nicht der Anblick Armands und natürlich speziell Sergejs ausreicht, um eine Spontanheilung zu verursachen.

    Ich bin gespannt, wie Sergej darauf reagiert.

    Und auch frage ich mich, wo Maurice bleibt ;)

    LG
    Joe

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