Mittwoch, 12. September 2012

Eine hässliche Geschichte

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Lelya faltete das Schreiben mit zitternden Fingern auseinander. Es war eindeutig eine gerichtliche Vorladung zur Anhörung. Laut diesem Schreiben hatte Mykola sie beschuldigt, Nadja und Maria widerrechtlich in die USA mitgenommen zu haben. Das war im engeren Sinne eine Kindesentführung. Und das Schlimmste an der Sache war, dass Lelya wusste, dass er im Prinzip recht hatte.

Bei der Scheidung in der Ukraine war damals im Schnellverfahren auch das Sorgerecht für Maria und Nadja mit entschieden worden. Es hatte niemand gestört, dass Nadja wohl überhaupt nicht mehr anwesend war. Es war auf gemeinsames Sorgerecht entschieden worden und in solchen Fällen wurde nicht weiter geprüft. Erst wenn einer der Elternteile von Problemen berichtete, dann wurde in der Sorgerechtsfrage überhaupt erst verhandelt. Weder Lelya noch Mykola hatten damals gegen diese Regelung protestiert.

Das Sorgerecht für Nadja war ja ohnehin obsolet und nachdem Mykola sich nach seiner Schimpftirade mit den Morddrohungen vor der Wohnungstür nie wieder gemeldet hatte, hatte Lelya die Sache einfach auf sich beruhen lassen. Lieber wäre ihr natürlich gewesen, sie hätte das alleinige Sorgerecht für Maria gehabt. Doch sie hatte es als eine reine Formalie eingeschätzt. Beim Einwanderungsverfahren damals, welches ja mit der Unterstützung von Joe im Eiltempo abgewickelt worden war, hatte sie das gemeinsame Sorgerecht einfach nicht erwähnt.

Es dauerte über eine halbe Stunde, bis Lelya sich wieder gesammelt hatte. Die Anhörung war für den nächsten Montag angesetzt. Es war also noch ein Tag und das Wochenende Zeit um sich darauf vorzubereiten. Sie brauchte dringend einen Anwalt. Und sie würde es Nadja und Joe erzählen müssen. Es waren zwar nur noch wenige Wochen, bis Nadja 18 war und aus dem Sorgerechtsverhältnis raus war, doch auch ihr Name war noch auf dem Formular erwähnt und sie hatte vor Gericht zu erscheinen.

Kurz überlegte Lelya noch am Abend hinüber zu Joes Haus zu fahren, doch dann entschied sie sich dagegen. Ihr war hundeelend und man sah ihr an, dass sie bitterlich geweint hatte. Bis zum Morgen würde sich nichts ändern und sie konnte besser morgen früh bei Joe anrufen und sich einen Anwalt empfehlen lassen. Doch so sehr sie sich auch gefasst hatte, tief in ihr saß die Erkenntnis, dass dies noch eine wirklich hässliche Geschichte werden würde.

2 Kommentare:

  1. Arme Lelya!
    Nun ist die Sache wirklich hässlich geworden. Vom Exmann wegen Kindesentführung verklagt und wahrscheinlich auch noch mit Aussicht auf Erfolg. Weg ist ihr Zorn, ihr Hochmut und vor allem der Mut, ihm gegenüber zu treten. Ich kann ihre Tränen gut verstehen.

    Was kann ihr nun blühen? Sie hat sich in Amerika vorbildlich verhalten, arbeitet und sorgt gut für ihre Kinder (auch wenn Nadja ja gar nicht mehr bei ihr lebt, so hat sie ja doch noch die Erziehungsgewalt und somit die Verantwortung... aber es geht Nadja ja blendend), hat sich nie etwas zu schulden kommen lassen und auch die Kinder sind nicht auffällig, gut gekleidet und gut in der Schule. Gibt es da mildernde Umstände?

    Mir drängt sich auch die Frage auf, ob Lelya nicht einfach behaupten könne, dass sie in der Ukraine sein Einverständnis mündlich bekommen habe, in die USA auszuwandern und er somit auch jeder Unterhaltszahlung enthoben wäre. Dann stünde Aussage gegen Aussage. Dass sie keinen Kontakt hatten, mag Absprache gewesen sein. Und falls er dies bestreitet und auf dedektivische Hilfe angewiesen war, um sie zu finden, kann er nicht nachweisen, denn er hat das Geld ohne Quittung über den Tisch geschoben. Statt dessen kam er zielstrebig nach Seattle, als hätte er einfach immer gewusst wo sie waren. Ist es dann noch Kindesentführung?

    Verzwickt. Ich fürchte, sie braucht einen sehr guten Anwalt. Joe?? It's your turn! Tu was!!

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  2. In der Vorladung steht ja nur widerrechtliche Mitnahme in die USA, mehr wird ihr ja erstmal nicht vorgeworfen. Aber auch das kann böse enden *grummel*.
    Kay´s Idee, sie sollte von einer mündlichen Absprache reden, klingt gut. Mündliche Absprachen sind in einem Land wie der Ukraine nicht unüblich. Auch könnte sie sagen, dass sie ihm einen Brief geschreiben hat und ihm den Aufenthaltsort mitgeteilt hat. Zu dumm, dass er den Brief nicht aufbewahrt hat^^.
    Ich an ihrer Stelle hätte sofort bei Nadja und Joe angerufen. Selbst wenn jetzt kein Anwalt mehr zuerreichen wäre (Joe hätte bestimm auch mitten in der Nacht einen bekommen), könnte Joe im Internet gucken, was bei der Sache rauskommen kann. Noch hat Mykola einen kleinen Vorteil, aber ich hoffe mal, dass sein Glück sich dreht. Wenn er auf das gemeinsame Sorgerecht besteht, warum hat er die Klage nicht schon zu Hause eingereicht? Warum macht er das erst Jahre später? Bedeuetet gemeinsames Sorgerecht nicht auch, dass er Unterhalt für die Kinder hätte zahlen müßen? Hätte ein guter, sich sorgender Vater nicht auch, nachdem Nadja einfach "abgehauen" ist, die Polizei verständigt? Ich hoffe mal, dass ein spitzfindiger Anwalt die Klage in der Luft zerreisst. Ausserdem, was will Mykola damit erreichen? Will er das alleinige Sorgerecht? Als ob ein Gericht ihm, einen arbeitslosen Touristen, das Sorgerecht zuspricht? Oder meint er, dass er die Klage zurück nimmt, nachdem Lelya ihm einen netten Bonus gezahlt hat?

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