Freitag, 27. Juli 2012

Noctambule III: Gefesselt im Verschlag

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Der Nachtwächter fasste sich als erster wieder und schüttelte blinzelnd den Kopf, um dem Bann zu entkommen, der sich über ihn zu legen begann. Entgeistert starrte er auf das verschnürte Bündel am Boden und Widerwille stieg in ihm auf.


"Hört nicht hin!! Kommt zu euch!! Das ist ein kaltblütig mordendes Vieh!" brüllte er und schüttelte den ersten, den er packen konnte an den Schultern. Immer wieder rief er gegen das Schluchzen an, wiederholte seine Worte und versuchte, das Weinen zu übertönen während er jeden Einzelnen packte und rüttelte. Doch war ihm auch klar, dass er seinen Plan ändern musste. Keiner der Männer hier war im Stande, sich gegen die Mächte dieses Monsters zu wehren. Auch er nicht auf Dauer.
Immer wieder hatte er sich mit den Kollegen in den frühen Morgenstunden nach dem Ende seines Dienstes über die Wesen der Nacht unterhalten. Jeder Nachtwächter kannte die betrunkenen Matrosen und Arbeiter, die Huren der Stadt und die Verbrecher, die in der Dunkelheit ihren zwielichtigen Plänen nachgingen.
Keiner der Männer war frei von Narben, entstanden durch Kämpfe und Angriffe. Jeder einzelne Kollege wusste aber auch von übernatürlichen Dingen zu berichten, die ihm begegnet waren. Manche Geschichten waren so haarsträubend, dass man den Kollegen auslachte, weil er übermüdet sein musste, doch insgeheim blieben diese Geschichten haften und mit den Jahren, in denen man solcherlei Märchen hörte begann man auch, an sie zu glauben.
Nun hatte er zum ersten Mal in seinem Leben eine Situation, die er nicht alleine zu meistern vermochte. Diese kleine Frau, bildschön anzusehen und so zierlich, dass man sie beschützen wollte, verfügte offenbar über monströse Fähigkeiten und war eine kaltblütige Mörderin. Ihre telepathischen Fähigkeiten waren auf keinen Fall zu unterschätzen, doch wie schützte man sich dagegen ohne sie auf der Stelle zu töten? Sollte er sie überhaupt sofort töten oder doch lieber der Justiz übergeben?
Da offenbar niemand der Anwesenden eine Entscheidung treffen wollte oder konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als selbst tätig zu werden. Er zerrte am Arm des Bäckergesellen, der ihn benommen anstierte.
"Habt ihr hier einen Keller oder einen Raum, aus dem sie nicht fliehen kann?" fragte er barsch. Der Geselle nickte langsam und deutete auf den Hof.
"Im Hof haben wir einen Verschlag für die alte Ware, die der Schweinebauer abholt." stammelte er fahrig. Der Nachtwärter nickte und hob die Stimme.
"Werft sie in den Verschlag, versperrt die Tür! Drei werden Wache halten. Oder besser vier! Ich werde auch hierbleiben, du da, du holst die Garde her. Sollen die sich darum kümmern." befahl er.
Der Bäckergeselle und die beiden Männer, die mit dem Nachtwächter gekommen waren, hoben das verschnürte Bündel auf, das plötzlich mit aller Kraft wild zu zappeln begann. Ächzend und taumelnd trugen sie das wehrhafte Bündel hinaus, begleitet von den mahnenden Worten des Uniformierten, bloß nicht auf die Stimme zu hören und sich zu beeilen. Doch auch ihn packte das Grauen, als er sah, welche Kraft sogar noch in dem gefesselten Körper steckte.
Nachdem der Lehrling des Bäckers hastig den Verschlag geöffnet und man das Bündel grob hinein geworfen hatte, verschloss man den Verschlag mit dem Vorhängeschloss. Nun erst atmeten alle erleichtert auf. Schnell war der Lehrling auserkoren, zur Stadtgarde zu laufen und Alarm zu schlagen. Vier Männer blieben im Hof, setzten sich auf Weizensäcke und verdauten schweigend den Schock, unter dem noch alle litten.

2 Kommentare:

  1. Das sieht so langsam aber wirklich übel aus.

    So recht fällt mir kein Ausweg mehr ein für Anya. Sie müsste als erstes aus den Fesseln heraus. Das dürfte mit ein wenig Zeit und Geschicklichkeit nicht so das Problem sein.

    Doch dann hockt sie immer noch in dem Verschlag. Bekommt sie die Wände durchgeschlagen mit ihre Kraft? Sie sollte ja jetzt wieder voll gestärkt sein nach ihrer ausgiebigen Mahlzeit.

    Doch dann steht sie im Hof wo vier wehrhafte Männer nur auf sie warten. Hat sie eine Chance da herauszukommen?

    Und wie gehts eigentlich Miriam. Und wie gehts Armand mit seinem übereilten Angriff?

    Oh mann... Das Buch ist grad echt an allen Ecken und Enden spannend. Sogar im Rückblick ist derzeit alles offen wie selten.

    Was die Handlung und das Timing angeht hast du dich echt zur Meisterin entwickelt.

    LG
    Joe

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  2. Ich frage mich ja auch, wie Anya ihr Kind zurückfordern will? Was sagt man denn, wenn man sein Neugeborenes kurz verlässt. "Entschuldigung, aber ich musste kurz ein paar Menschen jagen und wurde aufgehalten?"

    Vermutlich wird die kleine Familie dann doch dran glauben. Wenn Anya sie findet.

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