Sonntag, 3. Juni 2012

Noctambule III - Rückblick: Die Vampirin

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Bedburg (Deutschland) 1585

Der kölnische Krieg tobte nun schon seit drei Jahren und hatte Deutschland größtenteils verwüstet. Mit päpstlicher Unterstützung hatten die katholischen Armeen die reformfreudigen Gegner umzingelt und waren dabei, ihren Sieg bei Bedburg mit einem finalen Schlag durchzusetzen. Die deutsche Bevölkerung litt schrecklich unter diesen Kriegen. Beide Seiten nahmen keinerlei Rücksicht. Sie plünderten kleine Ortschaften, setzten Kirchen in Brand (in zwei Fällen sogar mit der darin versammelten Gemeinde), vergewaltigten und mordeten.



Armand war den Truppen gefolgt und hatte keine Mühe, seine Beute unter den schlimmsten Plünderern und Vergewaltigern zu finden. Er musste nicht lange suchen, denn wenn er sich über Tag zurückgezogen hatte und in den frühen Abendstunden den brennenden Spuren der Armeen folgte, hatte er sehr schnell die Nachzügler eingeholt, unter denen nicht nur Soldaten ihr Unwesen trieben, sondern auch diejenigen der Bürger, deren kriminelle Energie sich endlich frei von Angst vor Verfolgung entfalten konnte. 


Nachdem sich das nahende Ende des Krieges klar abzeichnete und eine wütende Schlacht bei Bedburg tobte, hatten sich schon mordende Räuberbanden gebildet, die aus Deserteuren und zivilen Kriminellen bestanden und ein neues Band der Verwüstung zogen.
Armand hatte es inzwischen aufgegeben, sich zu überlegen, welche Seite der kriegsführenden Parteien seiner Meinung nach im Recht war. 

In den vier Jahrhunderten seines Lebens hatte er mehr als einmal erleben müssen, dass beide Seiten brutal und gnadenlos vorgingen, nur selten ihre Einheiten im Griff hatten und sogar gleichgültig über deren Verfehlungen hinwegsahen. Wie es schien, war das nun mal der Preis für die angebliche Freiheit, die nach dem Sieg winken würde.

Es war schwer für Armand sich zu entscheiden, ob die Zeit des Kriegs oder die des Friedens für ihn besser war. Beute war während eines Krieges wesentlich leichter zu holen und er konnte sich mit jeder Jagd sicher sein, dass ein Mörder weniger am Leben war. Er fühlte sich wohl dabei, ein wenig die Gerechtigkeit walten zu lassen und spielte nur zu gern den Richter und Henker der Nacht. 

Andererseits litt er unter dem Leid, das die unschuldige Bevölkerung erdulden musste. Hunger, Krankheit und Tod waren die Erscheinungen, unter denen die Armen leiden mussten und das alles nur – so empfand das Armand – weil sich zwei machtgierige Halunken um mehr Macht stritten.
In Friedenszeiten war es deutlich schwerer, unschuldige Beute von schuldiger zu trennen. Andererseits fiel es ihm leichter, Fuß in der Gesellschaft zu fassen, denn das Misstrauen verschwand in Friedenszeiten, weil die Menschen aufatmeten und um fast jeden Preis ein glückliches Leben führen wollten. Die Gerüche waren weitaus angenehmer, denn die Luft war meistens mit Wohlgerüchen durchzogen und nicht mit Leichengestank und Pulvergeruch. Allerdings musste er auch damit rechnen, dass man ihm deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkte, sobald einmal Verdacht aufkam, dass mit ihm etwas nicht richtig sein konnte. So manches Mal schon hatte er fast überstürzt den Ort verlassen müssen, bevor sich die Lage zugespitzt hatte.
Alles in allem fühlte Armand sich in dieser Zeit des Krieges gerade recht wohl. Der Windrichtung entsprechend hielt er sich an der Westseite des Kriegsschauplatzes auf, denn so wurde der Gestank des Schlachtfeldes von ihm fort getragen. Dank seiner Sprachbegabung hatte er seine alten Deutschkenntnisse schnell wieder aufgefrischt, nachdem er die vergangenen sechs Jahre fast gar nicht gesprochen hatte.
In dieser Nacht waren ihm zwei junge Soldaten zum Opfer gefallen, die sich vom Heer getrennt und beschlossen hatten, sich nun um ihr persönliches Wohl zu kümmern, das darin bestand, sich erst ein paar Humpen Bier zu gönnen und danach ein paar hübsche Frauen zu finden, die sie nicht zu bezahlen gedachten. Ihr Fehler war es wohl gewesen, lautstark von dem zu reden, was sie zu tun gedachten. So wurde Armand auf sie aufmerksam.
Gerade überlegte er noch, ob er die Leichen einfach liegen lassen oder zu den ewig brennenden Leichenfeuern zu bringen, als er auflauschte. Der spitze Schrei einer jungen Frau verhallte in einiger Entfernung. Armand hatte Panik und Entsetzen darin gehört und setzte ein wölfisches Lächeln auf. Auch wenn er selbst gerne einmal eine Frau auf seine Weise zur Hingabe überredete, so war er doch strikt gegen die brutale Gewalt, der die meisten Frauen in dieser Zeit ausgesetzt waren.
Erfrischt und gestärkt überließ er die Leichen dem Wald und spurtete in die Richtung, aus der er den Schrei vernommen hatte. Bald entdeckte er den Schein des kleinen Lagerfeuers, hörte das höhnische Lachen von Männern und sah deren Schatten. Er wurde langsamer und stoppte schließlich im Schatten der Bäume, um die Situation besser abschätzen zu können. Das Lagerfeuer war bewusst klein gehalten worden, doch hatte es offenbar ausgereicht, um eine Räuberbande anzulocken. Acht Männer hatten sich auf der kleinen Lichtung verteilt und umzingelten mit höhnischem Gelächter zwei Frauen.
Armand hob irritiert die Brauen. Dass sich zwei Frauen ohne den Schutz einer männlichen Eskorte alleine in der Öffentlichkeit bewegten, war äußerst unüblich. Dass sie auch noch alleine nachts in einem Wald waren, grenzte bereits an Selbstmord. Die jüngere von den beiden Frauen rappelte sich gerade wieder auf die Beine und drängte sich ängstlich an ihre Begleiterin. Sie trug das schlichte Leinenkleid einer Magd, zwar mit modernem eckigem Ausschnitt, doch ohne die Wülste an Ellbogen oder Hüfte, eine modische Erscheinung, die dem höheren Stand vorbehalten blieb. Armand fiel auf, dass sie ohne Kopfbedeckung war, demnach als unverheiratete Jungfrau galt.
Mehr Erstaunen bot ihm die zweite Frau. Sie trug die engen Strumpfhosen und knielanges Wams aus der männlichen Mode. Statt spitzer Schuhe trug sie flache Stiefel und in dem breiten Gürtel um die Hüfte entdeckte Armand den Schaft eines Jagdmessers. Interessiert beobachtete Armand die geschmeidigen, kraftvollen Bewegungen dieser Frau, deren blonde Haare sich aus der Hochsteckfrisur gelöst hatten und dank ebenso fehlender Haube in einzelnen, lockigen Strähnen über die Schultern fiel.
Armand runzelte die Stirn. Die junge Frau in Männerkleidung schien keinerlei Angst zu haben. Stattdessen standen in ihrem schmalen Gesicht Zorn und Entschlossenheit. Mit einer ruhigen Bewegung schob sie das Mädchen zwischen sich und das Feuer und warf den Männern giftige Blicke zu. Als sie ihr Gesicht in Armands Richtung drehte, hielt er den Atem an. Gleichzeitig traf ihn ihre Präsenz mit ungeheurer Wucht und er schnappte nach Luft.

1 Kommentar:

  1. Schön die Doppelbödigkeit Armands zu betrachten. :) Er selbst nimmt für sich ja durchaus in Anspruch, sich der Frauen, welche er genießt, auch zu bemächtigen. Allerdings muss man ihm durchaus zugestehen, dass er dabei einen gewissen Anstand nicht vermissen lässt.

    Und nun treibt er sich also im Krieg herum. Des einen Leid, des anderen Freud und er hat immer genug zu Essen und in diesen Zeiten kommt man nichteinmal auf die Idee einen Vampir zu verdächtigen.

    Und was sind das nun für zwei Frauen? Die eine ist offensichtlich eine Vampirin. Aber was hat sie mit der anderen zu schaffen?

    Liebe Grüße
    Joe

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