Sonntag, 10. Juni 2012

Noctambule III: Das lange Warten

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Die beiden Freundinnen beschlossen, einfach an Ort und Stelle zu bleiben und abzuwarten, bis es dunkel wurde. Das bescherte Anya auch noch eine gute Pause, in der sie in sich horchen und überprüfen konnte, ob alles in Ordnung war.
Miriam hatte sich auf den Boden gesetzt und Anyas Kopf auf ihre Oberschenkel gebettet. Während Anya die Augen schloss und tief durchatmete, strich Miriam sanft über die Stirn ihrer Freundin.


Anya genoss die streichelnde Hand sichtlich und beruhigte sich allmählich wieder. Auch ihre Gedanken konnten sich wieder sortieren. Sie war ein Vampir und somit gut ausgerüstet mit selbstheilenden Kräften.
Sie hatte die Nacht zuvor gut gejagt und Lechaivre getötet und war daher gut bei Kräften. Es konnte gar nichts falsch sein. Natürlich hätte sie sich eine erfahrene Frau an ihrer Seite gewünscht, aber sie spürte weder Schmerzen noch Wehen. Vielleicht war das einfach eine Vorstufe zur Geburt und dass die nicht mehr lange auf sich warten würde, war ihr schon eine ganze Weile klar. Sie hoffte nur, dass ihr noch genug Zeit blieb, wenigstens einen sicheren Unterschlupf zu finden.
Nach einer Weile hob Anya die Augen zu Miriam und lächelte leicht. Sie versuchte, von sich abzulenken und ihre Gedanken in andere Bahnen zu leiten und eröffnete daher das Gespräch.
"Sergej hatte uns erzählt, dass du immer noch den Wunsch hast, verwandelt zu werden. Stimmt das?" Miriam runzelte die Stirn und hatte plötzlich einen sehnsüchtigen Blick. Sie nickte langsam.
"Ja, aber er weigert sich. Er sagt, ich sei viel zu jung und könne die Tragweite nicht beurteilen." In ihrer Stimme klang unverhohlener Zorn mit und Anya konnte nicht anders, als leise zu lachen.
"Das ist doch Unfug. Eine Frau weiß sehr genau, was sie will und selbst wenn sie es später bereuen sollte, wird sie mit den Gegebenheiten fertig." meinte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. Sie handelte sich damit das selige, erleichterte Lächeln Miriams ein, die gerade eine Verbündete erkannt hatte.
"Das habe ich ihm doch auch erklärt! Es würde so vieles erleichtern und vor allem müsste sich Sergej in meiner Nähe nicht immer so schrecklich beherrschen." Sie sah auf Anya herunter. "Und ihr auch nicht." ergänzte sie. Anya nickte.
"Das stimmt. Es fällt mir wirklich manchmal schwer, zumal ich so unglaubliche Blutgier verspüre seit meiner Schwangerschaft. Aber das wäre ein sehr egoistischer Grund." gab Anya zu. Miriam zuckte mit den Schultern.
"Wenn er mich schon verwandelt hätte, könnten sie genau jetzt viel ruhiger sein, weil ich stärker wäre und dich beschützen könnte." maulte sie. Anya schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
"Es macht keinen Sinn, darüber jetzt nachzudenken. Eine Verwandlung ist ungeheuer schmerzhaft. Ich erinnere mich nur noch sehr dunkel daran und an die Schmerzen selbst gar nicht. Ich weiß nur, dass es sehr schlimm war." warnte sie ihre Freundin nun und öffnete die Augen wieder, um sie anzusehen. Miriam schaute mitfühlend auf sie herunter.
"Ich weiß. Aber wenn Sergej und Armand uns wiederfinden, werde ich darauf bestehen." erklärte sie entschlossen. Sie löste damit bei Anya ein trauriges Seufzen aus.
"Wenn nicht, ist dein Leben ziemlich verpfuscht. Du wirst als Jungfer auf deinem Landgut versauern, fürchte ich.. besonders nach deiner Flucht." Miriam nickte langsam. Auch sie hatte schon darüber nachgedacht, doch der Gedanke, Sergej nicht wieder zu sehen, schmerzte so sehr, dass sie jeden weiteren Gedanken daran einfach verdrängte.
"Ich will nicht, dass du so denkst oder redest. Sie werden uns finden!" erklärte sie energisch. Wieder seufzte Anya tief und streichelte sacht ihren Bauch.
"Es tritt überhaupt nicht mehr. Ich spüre rein gar nichts." Der Themawechsel erleichterte Miriam einerseits zwar, beunruhigte sie andererseits aber auch wieder auf eine ganz andere Weise.
"Mach mir keine Angst, Anya! Ich weiß doch nicht, was jetzt passiert und wie es weitergeht mit dir!" fiepste sie kläglich. Anya griff nach ihrer Hand und drückte sie tröstend, obwohl ihr selbst bang zumute war.
"Ich wollte, dir keine Angst einjagen, verzeih bitte." murmelte sie und verfiel in brütendes Schweigen, während draußen langsam die Sonne den Horizont zu berühren begann.

1 Kommentar:

  1. Hmm.. An welcher Stelle warten sie denn nun? 10 Minuten im Ganginneren, wo Anya ihr Fruchtwasser verloren hat, oder sind sie die paar Minuten noch zum Ausgang gekrochen. Mir scheint noch wäre das für Anya nicht das geringste Problem, aber es könnte schon bald eins werden.

    Was sie gerade erlebt scheint mir die Ruhe vor dem Sturm zu sein und nachdem eine Schwangere das Fruchtwasser verloren hat, ist es jedenfalls höchste Eisenbahn, sich darüber Gedanken zu machen, wo man sein Kind zur Welt zu bringen gedenkt. Macht mans nicht, wird einem die Entscheidung ohnehin abgenommen.

    Die beien verhalten sich gerade aber auch keinen Krümel schlauer als Armand und Sergej. Sie wissen nicht Ansatzweise, wo sie sind. Dabei hat Anya doch mit Miriam jemanden dabei, der wenigstens mal den Kopf aus dem Loch stecken kann um die Lage etwas abzuschätzen. Und ich bin recht sicher, dass sich im schwindenden Tageslicht die Lage besser beurteilen lässt, als bei tiefschwarzer Nacht. Und wenn Anya sich doch schon mit dem Gedanken abgefunden hat, nun ihr Kind zu bekommen, worin gedenkt sie es zu hüllen, sobald es da ist?

    Nun, wenigstens ist sie satt und stellt für Miriam scheinbar keine unmittelbare Gefahr dar.

    Und Miriam möchte also verwandelt werden. Diese unsägliche Aktion der Flucht und des Angriffs hat also nichts an ihren Zukunftsplänen geändert. Sie möchte mit Sergej auf ihrem Landgut leben und das als Vampirin. Sie ist doch eine romantische kleine Göre.

    Wie ist das eigentlich wenn man als Jugendliche verwandelt wird? Bleibt man auf ewig 17? Oder wird man im normalen Tempo erwachsen und verharrt in diesem Zustand?

    So und jetzt: Raus aus dem Loch ihr zwei! Da drin ist der denkbar schlechteste Ort, ein Kind zu bekommen. Es ist nichts verfügbar, was man brauchen könnte: Kein Wasser, keine Tücher oder Decken. Und erst recht keine Hilfe!

    LG
    Joe

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