Mittwoch, 16. Mai 2012

Schachspiel

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

"Magst du mir mal genau erklären, wie das mit der Aufsichtsratssitzung gelaufen ist?", begann Joe etwas unsicher das Gespräch. "Na klar!" Thorsten zuckte die Schultern, "Es war einfacher als du denkst. Hill konnte dich noch nie leiden. Er ist ein ziemlich rechtsradikaler Typ und deutlich antisemitisch. Er hätte dich zu gern vom Stuhl gestoßen. Er hat sogar einen seiner Zöglinge schon Gewehr bei Fuß stehen, um den Posten zu übernehmen." "Antisemitisch? Ich mache mir überhaupt nichts aus meiner Religion.", krächzte Joe. Seine Religion hatte für ihn nie eine sonderliche Bedeutung gehabt. Natürlich hatte er zwar als Jugendlicher die Rituale durchlaufen, aber er war seit Jahren in keiner Synagoge mehr gewesen. Und auch sonst interessierte ihn das alles höchst wenig.

Thorsten nahm einen Schluck Bier und zuckte die Schultern. "Ich sage, vor allem ist er dumm!", erklärte Thorsten trocken, "Er wartet jedenfalls schon seit längerem auf eine Chance dich aus der Firma zu kriegen. Also kam ihm dein Auftritt auf dem roten Teppich mit Nadja geradewegs gelegen. Er hat im Anschluss einige Reporter der Regenbogenpresse, nennen wir es 'überzeugt', die Artikel so zu schreiben, dass du dabei gar nicht gut aussiehst. Damit ist er dann bei den anderen Aufsichtsratsmitgliedern hausieren gegangen um Stimmen gegen dich zu fangen. Aber so recht wollte niemand. Am Ende hatte er dann allerdings tatsächlich eine Mehrheit zusammen."

Joe lauschte gespannt. Er hatte sich natürlich das meiste längst zusammengereimt, und auch Saltstone hatte ihn ja bereits aufgeklärt. Doch alles noch einmal von Thorsten erklärt zu bekommen, beruhigte ihn durchaus. "Jedenfalls fehlten ihm noch die vier Stimmen, welche direkt auf meine Anteile zurückgehen. Für die habe ich einen Verwalter engagiert, der sich um alles kümmert und dem hatte Hill ein Geschäft vorgeschlagen, dass er nicht ablehnen konnte, wie man so schön sagt. Er verkaufte ihm, zu einem Spottpreis, die Anteile an einer Getränkefabrik in Oregon. Im Gegenzug wollte er die Zusage haben, dass diese vier Stimmen nicht für dich stimmen würden." Joe richtete sich etwas auf. Das war der spannende Teil. "Und das hast du erlaubt?"

"Das Geschäft mit der Getränkefabrik war zu gut, um es sich entgehen zu lassen. Außerdem gefiel es mir, Hill einen reinzuwürgen. Denn er hatte natürlich geglaubt, die vier Stimmen würden gegen dich stimmen. Tatsächlich lautete die Übereinkunft aber auf 'nicht für dich'. Also haben die vier sich enthalten, Hills Mehrheit war für den Allerwertesten und mein Geschäftspartner besitzt jetzt die Mehrheit an einem lukrativen kleinen Getränkehersteller." "Und Hill tobt.", ergänzte Joe. "Worauf du einen lassen kannst. Ich weiß gar nicht warum der sich bei NetCorp überhaupt eingekauft hat. Er hat quasi keine Ahnung von IT." Joe schüttelte den Kopf und trank nun endlich auch einen großen schluck Bier.

Aus Thorstens Mund klang das alles so sicher und unfehlbar. Doch er selbst fühlte sich gerade ein wenig wie eine Schachfigur in Thorstens Partie. Der schien seine Gedanken erraten zu haben. "Dir ist das nicht geheuer, hm?" "Ich hätte gerne vorher davon gewusst.", sagte Joe nur und starrte etwas in sein Glas. "Dann hättest du dich melden sollen. Du hast mich fast drei Wochen nicht angerufen.", stichelte Thorsten. Joe nickte schuldbewusst. "Ich war so unsicher." "Und du bist es noch!", ergänzte Thorsten. Ein vernehmliches Seufzen war die Antwort.

1 Kommentar:

  1. Thorsten macht es sich recht einfach. Er spielt mit Joes beruflicher Laufbahn und Joe soll die Hellsichtigkeit besitzen, ihn vor der Sitzung anzurufen?

    Joe führt eine eigenständige Firma und dürfte genug um die Ohren haben, ohne darüber nachdenken zu müssen, ob sich in drei Wochen des Schweigens wichtige Dinge ereignet haben, die ihn betreffen.
    Und Thorsten würde sich bedanken, wenn Joe wegen jeder Blähung nachfragen würde.
    Von daher verstehe ich Joe total.
    LG Kay

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