Donnerstag, 24. Mai 2012

Noctambule III - Rückblick: Schwerstarbeit

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Krainberg (Österreich) 1574

Das Tal hatte sich seit dem Erdbeben vor über zweihundert Jahren stark verändert, wie auch die Ortschaften natürlich. Überschwemmungen, Bergrutsch, Lawinen, Feuersbrünste und anschließende Pest hatten der Natur und den Menschen schwer zu schaffen gemacht. Jetzt gab es neue Orte mit bezeichnenden Namen wie Schütt oder Bergbruch und etliche kleine Ansiedlungen waren verlassen worden, nachdem man festgestellt hatte, dass dort nun im Winter massive Lawinengefahr bestand. Zwei Dörfer hatte man komplett aufgeben müssen, da die Gail sich durch Geröllmassen zu einem See aufgestaut hatte. Noch heute feierte man Gedenkgottesdienste für die armen Seelen, die ertrunken am Grund des Sees lagen.



Armand hatte immer wieder einmal auf seinen Streifzügen nach seiner Mine geschaut und einige Erzbrocken mitgenommen, um sie zu verkaufen. Mehr hatte er bisher nicht mit der Mine geplant und auch diesmal wusste er nicht, ob er wirklich mit dem Abbau beginnen sollte. 

Er wusste auch noch gar nicht so richtig, wie er das alleine bewerkstelligen sollte. Andererseits hatte er ja genug Zeit, um sich damit zu befassen. Der Bergleute, denen er im Tal begegnete und die er belauschte, gaben ihm immerhin einige Begriffe, mit denen er sich beschäftigen konnte und so beschloss er, sich erst einmal mit anderen Silberminen in den Alpen zu beschäftigen und zu sehen, wie man dort das Silber überhaupt gewann.

Nacht für Nacht umschlich er ein Bergwerk in der Nähe von Villach und beobachtete das Treiben dort. Die Schwierigkeit war natürlich, dass die meisten Arbeiter bereits völlig erschöpft in ihren Betten lagen, nachdem sie zehn bis zwölf Stunden geschuftet und ihr Leben in Gefahr gebracht hatten. Aber wenigstens die Hochöfen blieben in Betrieb und so suchte er die Gießerei im Tal auf und bestaunte mit großen Augen den Aufwand, den man betrieb, um aus dem Erz reines Silber zu gewinnen.
Doch nur vom Zuschauen alleine lernte er nicht genug und er sah sich gezwungen, eine völlig neue Taktik anzuwenden. In seiner Vorbereitung entwendete er seinen Opfern die Kleidung und wusch sie notdürftig an einem Bach, um sie dann widerwillig anzuziehen. Natürlich waren die Sachen alle viel zu klein, oftmals alt und zerrissen, doch genau das wollte Armand ja auch. 

Ein mittelloser Mann in seiner Größe würde niemals passende Kleidung tragen, geschweige denn eine nagelneue Bergmannstracht, und so verwandelte er sich mit der Kleidung und entsprechend schmutzverschmierter Haut zu einem übergroßen Tölpel, der auf der Suche nach Arbeit war.
Er fand Arbeit in der Gießerei und begann Nacht für Nacht in hölzernen Schubkarren Erzbrocken zu den Öfen zu schleppen. Man suchte hier ständig nach Arbeitern und nahm jeden. Die Bezahlung war lausig, dafür gab es jedoch dreimal am Tag etwas Warmes zu essen, damit man bei Kräften blieb. Trotzdem verunglückten immer wieder Bergleute tödlich durch Wassereinbrüche, Felseinbrüche, Feuer oder Gasexplosionen. Das war der Grund, warum man immer wieder neue Arbeiter benötigte.
Armand hörte von Frauen, die bis zu siebenfach verwitwet waren. Hier, in diesem kleinen Seitental der Gail gab es nur den Bergbau als Arbeit und die Frauen brauchten einen Mann, der sie ernährte. Armand blieb nur die Nacht als Arbeitszeit und erfreulicherweise gab es hier mehr als genug zu tun. Er hielt sich von den anderen Arbeitern möglichst fern, blieb freundlich zurückhaltend und galt bald als Sonderling. Man munkelte, dass er nicht ganz klar im Kopf sei, aber seine Arbeit machte er gut und er verfügte über Bärenkräfte, die hier sehr willkommen waren.
Wenn er in den frühen Morgenstunden kurz vor Sonnenaufgang auf die Jagd ging, fand er nur müde, gebeugte Männer, die entweder auf dem Heimweg waren oder gerade zur Arbeit aufbrechen wollten. Aber immerhin waren sie weder krank noch betrunken und sie hielten ihn am Leben. Man vermisste sie schließlich und fand sie immer in den Tiefen eines Schachts, zusammengesunken und wahrscheinlich vor Erschöpfung gestorben.


Armand lernte. Bald konnte er die Fachausdrücke zuordnen und beginnen, Fragen zu stellen. Man beantwortete sie ihm gerne, glaubte doch keiner wirklich daran, dass der große Kerl alles verstand. Er hörte aufmerksam zu und stellte niemals mehr als eine Frage, obwohl ihm hunderte auf der Seele brannten. 

Doch er musste seinen Ruf schützen und vermittelte den Eindruck, dass er mindestens einen Tag benötigte, um die erhaltene Antwort zu verarbeiten. Auch wenn er viel mehr wissen wollte, stellte er lieber die gleiche Frage noch einmal und wartete einen weiteren Tag, erhielt dafür aber bei der nächsten Frage doppelt so viel Auskunft, weil man sich freute, dass er es verstanden hatte.
Und so lernte Armand Nacht für Nacht weiter, prägte sich die wichtigsten Dinge ein und begann seine Pläne zu schmieden, während er schuftete. Er lernte aber auch, dass der Aberglaube die Bergleute fest in seinen Klauen hatte. Hier in diesem Tal wollte man keiner schwarzen Katze begegnen und legte die Arbeit an Tagen mit einer 3 oder 7 im Datum nieder. 

Gerade letzteres sorgte dafür, dass man ihn tagelang auslachte, weil er verblüfft vor einer völlig leeren Gießerei stand, selbst die Hochöfen waren herunter gefahren. Der Nachtwächter entdeckte ihn ratlos mitten auf dem leeren Platz stehend und erklärte es ihm, doch leider am nächsten Tag auch allen anderen.
Diebstahl galt in diesen Kreisen als Grund zur Todesstrafe. So manche Schauergeschichten wurden verbreitet über Männer, die der silbrigen Verlockung nicht hatten widerstehen können. Je nach Schwere des Diebstahls urteilte man von Abschlagen der Hand bis hin zum Erhängen am Strang. Jeder ermahnte Armand wieder und wieder, sich nicht dem Diebstahl hinzugeben. Und er hielt sich daran. Er hatte seinen eigenen Schatz. Und er würde ihn bald bergen.

1 Kommentar:

  1. Armand hat sich der armen Inga also entledigt. Nunja, er hat ihr Schicksal wenigstens einige Monate hinausgezögert und sie nicht leiden lassen, beim Sterben, will ich hoffen.

    Oder sollte er sie einfach zurückgelassen haben?

    Egal. Nun wird Armand, der Schöngeist also ein Bergmann. Das verhütten ist ja nur ein Teil der Aufgabe. Er wird schon auch noch lernen müssen, wie man Stollen in den Berg treibt, wie man Gruben anlegt und vor welchen Gefahren man sich unter Tage schützen muss.

    So einfach ist das nämlich auch nicht und im Berg lauern Gefahren.

    So.. und nun zu dir, liebe Kay... HAST DU SIE NOCH ALLE?...

    Da stehen die Sanghieris vor dem Haus in dem Miriam uns Sergej sitzen und du schiebst Rückblicke ein? ... ARGH!...

    *schmoll

    Liebe Grüße
    Joe

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