Dienstag, 15. Mai 2012

Noctambule III: Euer Ehren

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III


In der folgenden Woche herrschte bei Madame Dubrés rege Betriebsamkeit. Der Sohn des Gärtners erhielt den Auftrag, die alte Kuschte neu zu streichen. Die Farbe würde von schwarz in ein dunkles Blau geändert werden, nachdem das Wappen schwarz überstrichen worden war.
Einen Kutscher zu engagieren, würde Sergejs Aufgabe sein. Madame begann dafür, Miriam bei der Kleiderauswahl zu beraten, um möglichst wenig Gepäck zu benötigen.
Dank der Erfahrungen der alten Dame wurden allerdings auch problematische Themen angesprochen.
Sie selbst hatte oft genug in ihrem Leben durchbrennende Paare erlebt, die entweder von erbosten Eltern wieder eingesammelt und getrennt worden waren, oder aber eine Pfarrei entdeckt hatten, in der sie ohne weitere Probleme eine Ehe eingegangen waren. Haarig blieb das Thema der Überschreibung von Miriams Besitz doch schließlich bot sie an, sich selbst darum zu kümmern und ihre Beziehungen spielen zu lassen, sobald man ihr eine Abschrift der Heiratsurkunde zukommen ließ.


Miriam blühte mit jedem Tag weiter auf. Endlich war die Geheimniskrämerei ihrer alten Freundin gegenüber vorbei und sie konnte unbeschwert von ihrer Verliebtheit plappern und von Sergej schwärmen. Madame hatte sogar den einen oder anderen Rat von Frau zu Frau parat, der Miriam oft bis über beide Ohren erröten ließ. Das wiederum amüsierte Madame sehr und eines Tages schlug sie leicht mit dem Fächer nach Miriam.
"Nun tu nicht so schüchtern, junges Ding! Erzähl mir nicht, dass du nicht auch schon deine Erfahrungen mit ihm hast. Und ich will gar nicht wissen, wie ihr das geschafft habt!" Die dunkle Röte Miriams war ihr Antwort genug und von da an schwieg sie über dieses Thema, hatte sie doch ihre Antwort erhalten, auf die sie so lange gewartet hatte.

Der Tag von Miriams Abreise war schließlich auf einen Samstagabend festgelegt. Vorher aber musste sich Miriam noch einmal einem Gespräch mit einem Richter unterziehen, der bei Madame um Erlaubnis gebeten hatte, die Unterredung in ihrem Haus vorzunehmen, aus Taktgründen selbstverständlich.
Madame blieb während der Unterredung natürlich dabei und ließ Miriam keine Sekunde alleine. Sie selbst hatte in einem Brief an das Gericht um diese Form der Befragung gebeten, um der vom Schicksal so gebeutelten jungen Dame weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Ihre Bitte fand Gehör, zumal der zuständige Richter Madame Dubrés die Ehe mit einer reichen Erbin verdankte, die ihn aus seinen Wettschulden verholfen hatte und als Gegenleistung dem Ruf einer alternden Jungfer entging.
"Er hat Jura in Deutschland, in Wetzlar genau gesagt, studiert. Sei versichert, dass er sehr bemüht sein wird, die Wahrheit zu sehen und entsprechend zu richten." versprach Madame der nervösen Miriam.
Miriam fühlte sich unwohl vor dem alternden Richter, der zwar ganz in Zivil gekleidet war, aber in Begleitung eines Gerichtsschreibers erschien, um Miriams Aussage zu protokollieren. Nachdem er mit frisch aufgebrühtem Tee und Keksen versorgt und gemütlich auf Madames Sofa untergebracht war, wirkte er zufrieden und gütig. Ausnahmsweise hatte Madame auf ihr Sofa verzichtet und neben Miriam auf einem der Sessel Platz genommen.
"Ich werde versuchen, Euch ganz und gar aus dieser unseligen Geschichte herauszuhalten, Mademoiselle, doch kann ich Euch nicht ersparen, mir den Hergang noch einmal zu schildern." meinte er freundlich und betrachtete sie mit den klugen Augen eines Falken, dem keine noch so kleine Geste entging, die eine Lüge entlarven könnte. Miriam nickte und warf Madame einen unsicheren Blick zu. Als auch diese nickte, begann sie stockend zu berichten.
"Er kam am Abend völlig unangemeldet. Er war erst sehr höflich und bedauerte, dass ich sein Werben abgewiesen hatte. Und dann auf einmal stand er auf, ging hinter mich und.. und.." Der Richter unterbrach sie sanft.
"Mademoiselle, soviel ich weiß, habt Ihr dem Butler bereits für den Abend freigegeben. Ist das nicht äußerst ungewöhnlich?" Miriam errötete und nestelte mit den Fingern nervös an ihrem faltenreichen Rock.
"Ich dachte, wir sind vertraut genug, um ihn zur Tür zu begleiten, weil ich doch glaubte, er bleibt nicht lange. Das war dumm, fürchte ich." hauchte sie und erntete ein beruhigendes Tätscheln von Madame. Der Richter seufzte leicht und als Miriam kurz aufsah, forderte er sie mit einem Nicken auf, weiter zu sprechen.
"Er.. er hat mich regelrecht angegriffen. Ich wollte aufspringen und weglaufen, aber er warf sich auf mich und hielt mir den Mund zu." murmelte Miriam, wobei sie wieder auf ihre Finger sah. Der Richter beugte sich vor, um sie besser zu verstehen und nicht um eine Wiederholung bitten zu müssen.
"Ich habe mich heftig gewehrt, weil er mein Kleid zerreißen wollte und er redete dabei sehr.. sehr unfeine Sachen. Und dann hörte ich Lärm und Glas zersplittern und.. und dann wurde er auf einmal von mir weggerissen. Ich habe nur gesehen, dass Monsieur Komarov da war und dann haben sie gekämpft." Miriam stockte und wagte nicht aufzusehen. Nach einer kurzen Pause meldete sich der Richter erneut.
"Ihr könnt Euch sicher denken, dass Monsieur Lechaivre das alles abstreitet. Er behauptet, Monsieur Komarov sei einfach eingedrungen und habe ihn angegriffen. Ich muss natürlich Euren Retter noch befragen, Mademoiselle. Leider ist mir sein Wohnort unbekannt. Sicher könnt Ihr mir da weiter helfen?" Miriam schoss die Röte in das Gesicht. Darüber hatten sie nie gesprochen, auch wenn sie von dem kleinen Bauernhof wusste, so konnte sie doch unmöglich diese Anschrift ohne sein Wissen herausgeben?
"Soweit ich weiß, ist er verreist. Er ist viel geschäftlich unterwegs." murmelte sie unsicher. Madame Dubrés kam ihr überraschend zu Hilfe ohne zu ahnen, wie erleichtert Miriam war.
"Er hatte doch bereits am gleichen Abend schon ausgesagt. Genügt das nicht?" Der Richter schüttelte den Kopf und zog die Stirn in Falten.
"Das ist sehr ungünstig für Euch, Mademoiselle. Wenn Ihr einen Zeugen habt, sollte dieser auch vor Gericht aussagen. Das erhöht Eure Glaubwürdigkeit massiv!" Miriam blickte betreten zu Boden und nickte. Dass ihr Anblick auf den Richter wie ein Häufchen Elend wirkte, weil sie sich in der ganzen Situation unglücklich fühlte, konnte sie nicht wissen. Erneut kam Madame zu Hilfe.
"Nun, wir werden versuchen, eine schriftliche Aussage von ihm zu erhalten. Auch Miriam sollte es besser noch einmal schriftlich niederlegen, da sie in den nächsten Tagen eine Erholungsreise plant, die ihr Gemüt sicherlich aufheitern wird." Ganz mühelos leierte sie sich diese Idee aus den Fingern und vermied einen Blick zu Miriam. "Vielleicht möchtet Ihr meinen beschädigten Salon begutachten, mein Lieber? Ich lasse ihn gerade renovieren, doch könnt Ihr Euch noch einen guten Eindruck verschaffen. Natürlich erhebe ich Anspruch auf Erstattung meiner Unkosten." Lebhaft nickend erhob sich der Richter und daraufhin natürlich auch Miriam.
"Mademoiselle, Eure Aussage erscheint mir glaubwürdig. Ich bin froh, dass durch das Einschreiten dieses Komarov Schlimmeres verhütet wurde. Sicher kann dies alles ohne Eure persönliche Anwesenheit geklärt werden. Macht Euch keine Sorgen." Mit einer knappen Verbeugung verabschiedete sich der Richter von Miriam, die sofort in einen Knicks versank.

1 Kommentar:

  1. Madame ist sehr umsichtig und ich bin sicher sie wird Miriam auf einen guten Weg bringen und auch das finanzielle wird sie im Nachhinein in Miriams Sinne zu regeln wissen, wenn die Urkunde da ist.

    Und immer noch steht im Raum, dass es keinen Prozess für Lechaivre geben wird? Dann aber vermutlich tatsächlich, weil jemand anderes sich kümmert. Der Richter scheint Miriam ja uneingeschränkt Glauben zu schenken und Sergej wird ihre Version schließlich bestätigen.
    Auch wenn es von ihm eben nur eine schriftliche Aussage gibt; warum eigentlich?

    Liebe Grüße
    Joe

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