Freitag, 4. Mai 2012

Noctambule III: Der Antrag

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

"Er versteht mich einfach nicht!" schniefte Miriam, die heftig damit kämpfte, nicht in heftige Tränen auszubrechen. Anya hielt sie tröstend im Arm und warf über den braunen Schopf ihrer Freundin einen vorwurfsvollen Blick auf der leere, offene Fenster, als könne ihr Unmut draußen Sergej treffen.
"Natürlich tut er das nicht, Miriam! Er ist ein Mann! Was erwartest du denn? Was sollte er denn verstehen müssen? Er ist völlig vernarrt in dich und dass du ihn liebst, das weiß er ganz genau. Das genügt ihm." Miriam schüttelte wild den Kopf.



"Das glaube ich nicht! Wenn er mich lieben würde, dann hätte er mich doch schon geheiratet." nuschelte sie und wendete ihr Taschentuch, um ihre Nase erneut putzen zu können. Während sie ratlos auf das unbrauchbar gewordene Taschentuch starrte, stieß Anya ein leises Lachen aus.
"Dummerchen! Er ist seit Monaten hier in Marseille! Er, der Einsiedler und Stromer! Weshalb wohl, wenn nicht wegen dir?" Miriam hörte schlagartig auf zu schluchzen und sah Anya überrascht an.
"Bist du sicher?" hauchte sie mit fast flehendem Blick. Anya nickte und konzentrierte sich massiv darauf, dem Gespräch zu folgen und Miriams verlockendem Duft zu widerstehen. Seit ihrer Schwangerschaft schien sie unersättlich geworden zu sein und Miriam so dicht bei sich zu spüren, kostete sie enorme Anstrengung.
"Ganz sicher. Überleg mal. Ein Mann mit so vielen Jahren auf dem Buckel wie er und Armand hat garantiert schon so einige Frauen erlebt. Ich weiß, dass er sehr an einer uralten Beziehung nagt und vor einer weiteren zurückscheut. Armand erzählte mir einmal, dass er Sergej seither nie wieder über längere Zeit mit einer Frau an seiner Seite erlebt habe. Lass ihm doch Zeit, hm?" Miriams Gesichtsausdruck veränderte sich von Verzweiflung in tiefes Mitgefühl, das allerdings von einer leichten Eifersucht durchzogen war.
Noch bevor sie etwas auf Anyas Worte erwidern konnte, sah sie aus dem Augenwinkel den huschenden Schatten Sergejs, dicht gefolgt von Armand, der sofort wieder seinen Platz einnahm. Sergej war mit wenigen Schritten an Miriams Seite und bemerkte dankbar, dass Anya sich zurück zog und neben Armand Platz nahm.
Miriams Gesichtchen hob sich zu Sergej, der die Tränen erkannte und sie liebevoll von den Wangen strich. Sein Gesicht war dicht an ihrem, beide versanken in den Anblick des anderen und weder Anya noch Armand mochten diese Stille mit einem Geräusch stören.

Schließlich war es Sergej, der tief durchatmete und das Wort ergriff.
"Ich denke, du solltest deine sieben Sachen packen und mit Anya und Armand nach Lyon reisen. Ich selbst habe eine ganz andere Idee." er betrachtete Miriam, die ihn mit großen Augen ansah und dabei nicht bemerkte, dass Anya ihrem Armand einen langen, bedeutsamen Blick zuwarf und leicht schmunzelte. Sie schien genau zu wissen, was Sergej nun vor hatte.
Sergej räusperte sich, rückte leicht von Miriam ab und wandte sich mit ernstem Gesicht dem Mädchen zu, das ihn noch immer anstarrte.
"Miriam, ich habe so lange gezögert, weil ich dir ein ganz anderes, schöneres Leben gönnen wollte, ein Leben mit Gesellschaften, Theater, berauschenden Festen und vielen Freunden. Aber es soll wohl so nicht sein, wie es aussieht. Du bist als junges Mädchen ohne Familie schutzlos in einer Männerwelt. Ich scheue davor zurück, dir dein Leben zu nehmen und dich zu verwandeln. Aber ich scheue nicht davor zurück, dich an meiner Seite zu haben. Ich habe mich in dich verliebt und nun ist mir klar, dass ich dich von ganzem Herzen liebe. Willst du mich heiraten?"
Die Stille im Raum war so intensiv, dass sogar das Atmen der Anwesenden laut zu sein schien. Armands Blick ruhte ruhig und ein wenig nachdenklich auf seinem Freund, Anyas Augen leuchteten auf und ihr Gesichtsausdruck wirkte weich, fast zärtlich.
Miriam hatte bei Sergejs Worten ihre Hände gefaltet und an die Brust gedrückt und nun füllten sich ihre strahlenden Augen mit Freudentränen. Ihre eben noch blassen Wangen zeigten rote Flecken und so fest sie sich auch auf die Lippen biss, es half ihr nicht, den Schluchzer zu unterdrücken, der sich nun herausquälte.
Sergejs Blick ruhte sanft auf dem Mädchen, das zu zittern begann und noch immer um Beherrschung kämpfte. Als er seine Arme ausbreitete, flog sie förmlich hinein und klammerte sich an seine Jacke.
"Ja!" schluchzte sie kaum hörbar. "Ja, das will ich schon so lange!" Leise stand Anya auf und trat leise an das offene Fenster, wo sie hinausschaute ohne Armand zu bemerken, dessen Blicke ihr folgten. Doch da sie nicht auf ihn achtete, schwenkten seine Augen daher auch wieder zurück, das Kinn nachdenklich in die Hand stützend und fortan gedankenverloren ins Leere schauend.
"Ich kann dir keine große Hochzeit schenken, Süße. Vergiss nicht, dass wir hier in Marseille gesucht werden und kein Tageslicht vertragen, egal wo wir sind. Wir können nur ganz heimlich, still und leise heiraten, bei einem kleinen Pfarrer außerhalb der Stadt am Besten und nur mit Anya und Armand dabei." Miriam hatte ihren Kopf in seiner Jacke vergraben und sich eng an Sergej gepresst. So spürte er ihr Nicken mehr als er es sehen konnte und nur sein feines Gehör half ihm, ihre genuschelten Worte zu verstehen.
"Ich will keine große Hochzeit. Ich will nur einfach bei dir bleiben!" Sergej lächelte und warf seinem Freund einen fröhlichen Blick zu, ohne dessen Geistesabwesenheit zu bemerken. Dann flogen seine Augen zu Anya, die sich gerade umdrehte und ihm strahlend ein kaum merkliches Nicken schickte.

1 Kommentar:

  1. Ach, was ein schöner Antrag. *schmacht*

    Armand hat seinem Kumpel den Kopf gewaschen und war beim letzten ja noch ein wenig offen, ob sie sich nun beide, oder beide nicht, auf das Arrangement einlassen würden, so ist es jetzt ja klar :)

    Armad muss auch ran!

    Darauf bin ich schwer neugierig. Und auch darauf, was nun in Lyon sein soll.

    Liebe Grüße
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.