Mittwoch, 16. Mai 2012

Noctambule III: Das Hochzeitsgeschenk

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Wie abgemacht, erschien Sergej am verabredeten Samstagabend und traf eine sehr aufgeregte Miriam und eine amüsierte Madame an. In den Nächten zuvor, die er bei Miriam verbracht hatte, war er von den Wünschen des Richters informiert worden und nun händigte er Madame eine schriftliche Erklärung der Geschehnisse aus, die er mit einem russischen Siegel und seiner Unterschrift bestätigt hatte.


Miriam hatte ihr Gepäck auf zwei wuchtige Koffer beschränkt, die bereits in der Eingangshalle warteten und nun von dem Personal auf die wartende Kutsche gewuchtet wurden. Sergej musste breit grinsen über das Gepäck, schwieg jedoch dazu und war äußerst zufrieden über das schlichte Reitkleid, das Miriam trug. Es war bequem, ohne den typischen modischen Firlefanz, der auf einem Pferd natürlich gar nichts zu suchen hatte und dadurch sehr praktisch für eine nächtliche Flucht. Zumindest war es eine Flucht in Miriams Augen, auch wenn sie durch Madame Dubrés unterstützt wurden.

Doch bevor an eine Abreise zu denken war, bestand Madame noch auf einer Tasse Tee und einem kleinen Imbiss. Miriam war unruhig und aufgeregt. Immer wieder stahl sich ihre kleine Hand in die von Sergej, der sie regelmäßig sacht drückte. Schließlich beendete Madame das zähe Gespräch über allgemeine Themen und fächelte sich Luft zu.
"Meine liebe Miriam, mir fällt der Abschied von dir besonders schwer. Ich habe dich in mein Herz geschlossen und hätte mir für dich eine glänzende Partie in unserer Gesellschaft gewünscht. Aber du hast es dir ja nun anders überlegt und ich respektiere deine Wünsche und Pläne mehr, als du es dir vorstellen kannst." begann sie und amüsierte sich über die verlegene Röte in Miriams Gesicht.
"Ich kann ja nicht einmal bei deiner Hochzeit gebührlich weinen und alle meine Taschentücher ruinieren. Eigentlich bin ich froh darüber. Hochzeiten sind immer so anstrengend und meine Gicht.. naja. Aber ohne ein Hochzeitsgeschenk kommst du mir nicht davon!" energisch schüttelte sie die kleine Glocke, die Louis auf den Plan rief.
"Bringe er meine Unterlagen aus meinem Schlafgemach!" befahl sie näselnd. Kaum war er verschwunden, setzte Miriam verlegen zu einer Antwort an.
"Aber Amanda! Das ist nicht nötig! Du hast mir mehr Hilfe und Trost geschenkt, als ich jemals erwartet hätte! Ich hatte hier ein wundervolles neues Zuhause! Dafür bin ich dir bis an den Rest meines Lebens dankbar!" warf sie ein. Madame fuchtelte abwinkend mit der Hand.
"Papperlapapp! Das Ganze hat mein altes Leben noch einmal wundervoll erfrischt!" Madames alte, kluge Augen hefteten sich auf Sergej.
"Junger Mann, sollte mir irgendwann zu Ohren kommen, dass Ihr Miriam unglücklich macht, werdet Ihr etwas erleben!" drohte sie und hob dabei mahnend ihren Finger. Sergej deutete eine kleine Verbeugung an, doch ehe er antworten konnte, kehrte Louis bereits mit einem silbernen Tablett zurück, auf dem einige Papiere lagen. Amanda nahm die Papiere an sich, sortierte sie und nickte Louis zu, der daraufhin würdevoll wieder verschwand.
Es entstand eine kleine Pause, in der Madame gedankenverloren auf die Papiere starrte. Als sie sprach, war ihre Stimme leise, fast schien sie ein wenig zu zittern.
"Mein Kind, ich habe viele, sehr gute Beziehungen, wie du weißt. Es schmerzt mich, dir gestehen zu müssen, dass meine Kontakte deinen wenig ehrenhaften Onkel nicht aus den Augen ließen und mich über seine Machenschaften ständig auf dem Laufenden hielten." Miriams Augen hingen fragend an Madames gesenktem Kopf und sie hielt unbewusst den Atem an.
"So plante er zum Beispiel, dein Landgut einem Mann aus Lyon zu verkaufen, der sein Interesse jedoch Gott sei Dank zurückzog. Bald darauf erfuhr ich, dass dein unseliger Onkel deine Anteile an der Muschelzucht veräußern wollte. Ich ließ sie durch einen Strohmann aufkaufen." Ihre Finger sortierten erneut die Papiere. "Mein Hochzeitsgeschenk an dich ist diese Muschelzucht. Was dein Onkel nämlich nicht wusste ist, dass ich ebenfalls Anteile besitze und mit dem Kauf deiner Anteile nun die Mehrheit besitze. Ich habe diese nun komplett auf deinen Namen umschreiben lassen, meine Liebe. Damit bist du Inhaberin einer gut laufenden Muschelzucht, die dir ein regelmäßiges Einkommen sichern wird. Alle Unterlagen habe ich hier und du solltest sie gut aufbewahren." Mit feuchten Augen beugte sie sich nun vor und reichte Miriam die Papiere, die sie sprachlos entgegen nahm.
"Amanda…" hauchte sie sprachlos, während zwei kleine Tränen über ihre Wangen kullerten. Madame winkte erneut ab.
"Kein Danke, Kind! Ich will Sicherheiten für dich! Du hast genug verloren in deinem Leben! Es ist an der Zeit, dass du auf der Gewinnerseite stehst!" murrte sie burschikos. Ihre Augen fielen auf Sergej, der sie dankbar betrachtete. Wieder einmal wurde sie an den blassen Armand erinnert und wieder einmal fragte sie sich, was die besondere Gemeinsamkeit zwischen den beiden Männern sein mochte. Die gleiche Blässe, dieselbe unbeschreibliche Ausstrahlung. Einmal mehr wünschte sie sich, noch einmal jung und schön zu sein, um vielleicht einem dieser Männer näher zu kommen. Ihr resigniertes Seufzen wurde von Miriam als sentimentale Traurigkeit aufgefasst. Spontan sprang sie auf und umarmte Madame stürmisch.
"Ich.. ich weiß nicht, was ich sagen soll!" flüsterte sie, ein Schluchzen mühsam unterdrückend. Madame tätschelte Miriams Rücken und schloss die Augen, weil sie diese Umarmung überraschend heftig genoss.
"Werde einfach glücklich, mein Kind. Hab einfach ein glückliches Leben."

1 Kommentar:

  1. Amanda macht es also komplett. Sie schenkt Miriam das Leben, dass sie gern selbst gehabt hätte.

    Miriam war immer dankbar und zurückhaltend und hat das Leben der alten bereichert. Das zahlt sie nun zurück mit einem sehr vernünftigen Geschenk.
    Sie macht das Mädchen unabhängig. Auch wenn das bei Sergej wohl nicht notwedig sein wird. Aber sie sorgt sich, und das ist lieb.

    Und nun geht es also in die Nacht... Hinfort... Durchbrennen!!!

    Viel Glück Miriam.

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