Mittwoch, 23. Mai 2012

Noctambule III: Das Haus der Nefandii

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Fabrizio und seine fünf Begleiter hatten eine lange Reise hinter sich. In ihrem hohen, ausdauernden Tempo hatten sie nachts zwar weite Strecken zurückgelegt, dafür würde eine Reisekutsche mit sechs Insassen und einem Kutscher niemals an ihrem Ziel ankommen.
Man würde eine leere Kutsche vorfinden und die Leichen wohl niemals entdecken, sodass einmal mehr Gerüchte entstanden über geheimnisvoll untertauchende Menschen, Räuberbanden und auch der Aberglaube würde geschürt werden mit Gruselgeschichten über Werwölfe, Vampire oder Dämonen.


Das alles interessierte Fabrizio nicht im Mindesten. Noch einmal hatte Enrico versucht, auf seinen Freund einzuwirken, es war fast zu einem heftigen Streit gekommen, in dem Fabrizio Enrico vor die Wahl stellte, entweder ein treuer Gefolgsmann zu bleiben oder aber auf die Seite der Nefandii zu wechseln. Enrico gab erschüttert nach und verhielt sich den Rest der Reise still.
Nun hatten sie endlich Marseille erreicht und sofort einen Bauernhof um seine Bewohner dezimiert. Damit man hier keinerlei störenden Verdacht schöpfte, brannten sie den Bauernhof ab und der Feuerschein war in der Nacht meilenweit zu sehen.

Hier in Marseille wusste nur einer genau den Weg. Fabrizio leitete seine Männer sicher nach Nordwesten, hielt sich aber an einen großen Bogen um die Stadt, obwohl er sicherheitshalber seinen Männern befohlen hatte, sich kurz vor Marseille bereits vollkommen abzuschotten.
Er erkannte den Bauernhof sofort wieder und befahl seinen Männern, unsichtbar im Dickicht des Waldes zu bleiben, bis er ein anderes Kommando geben würde. Sie waren noch reichlich weit entfernt, aber ihre guten Augen konnten sicher stellen, dass der Hof entweder unbewohnt oder aber die Bewohner gerade unterwegs waren, denn das gesamte Gebäude war dunkel.
Carlos, ein erstaunlich großer und breiter Mann, wurde vorgeschickt, um die Sache aus der Nähe zu betrachten. Leise, stets nach Deckung suchend, näherte er sich dem dunklen Haus und versuchte, sämtliche Fenster zu öffnen, die er erreichen konnte. Doch Fenster und auch die Türen waren verschlossen, hinein sehen konnte er auch nicht und so kehrte er nach einer ganzen Weile erfolglos zurück.
"Wenn wir Türen oder Fenster nicht zerstören wollen, müssen wir draußen bleiben." erklärte er und sah seinen Anführer erwartungsvoll an. Doch der dachte nach und starrte dabei auf den Hof. Schließlich schüttelte er den Kopf.
"Ich kann nicht glauben, dass sie nicht mehr hier sind. Wir warten hier. Und niemand lockert die Blockade!" befahl er mit einem misstrauischen Blick auf seinen alten Freund Enrico. Einige Männer hatten es sich bereits bequem gemacht, die restlichen taten dies nun auch. Die Nacht war trocken und angenehm mild, sodass es niemandem besondere Schwierigkeiten bereitete, sich auf eine längere Wartezeit einzurichten.
Aber sie mussten nicht lange warten, bis das Geräusch einer nahenden Kutsche sie wieder aufschreckte. Es dauerte nicht lange, bis die Kutsche in Sichtweite kam. Fabrizio kniff die Augen zusammen, um den Kutscher erkennen zu können, war sich aber noch immer unsicher, ob er richtig sah.
"Ist das nicht der Kerl, der in unser Haus eingebrochen ist?" wisperte schließlich Enrico ebenso unsicher wie sein Chef. Fabrizio nickte bestätigend.
"Glaub schon." murmelte er vor sich hin und ein leises Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln. Treffer! Den ersten der Brut hatte er bereits erwischt. Ihn zu überrumpeln dürfte kein besonderes Problem sein. Doch nun trieb ihn die Neugier dazu, seine Leute zurück zu halten.
"Ich will wissen, wer in der Kutsche ist." zischte er seinen Männern zu. Sich selbst vor den Sinnen der Gegner zu schützen machte durchaus Sinn, doch konnten sie nun nicht spüren, ob die Kutsche menschliche Gäste hatte oder Gleichgesinnte. Zudem hätte Sergej die Möglichkeit, noch rechtzeitig einen Warnruf an die anderen abzusetzen, bevor man ihn überrumpeln konnte. So war es sinnvoll, zu warten bis alle zusammen waren.
Sechs Augenpaare beobachteten unbemerkt, wie Sergej vom Kutschbock sprang und die Tür der Kutsche mit einer galanten Verbeugung öffnete. Mit seiner Hilfe kletterte eine hübsche junge Frau aus dem Wagen, deren gesunder Teint sich sogar in der Dunkelheit der Nacht deutlich von der Blässe Sergejs unterschied.
"Der hat sich sein Essen nach Hause geholt." flüsterte einer der Männer amüsiert und erntete einen rügenden Blick Fabrizios dafür, aber auch das Grinsen seiner Freunde. Die junge Frau sah zu, wie Sergej einen Koffer vom Dach der Kutsche wuchtete, den zweiten aber liegen ließ, und folgte ihm zum Haus. Sergej entriegelte die Tür, hielt sie auf und ließ die Dame vor sich hinein gehen. Kurz darauf war das Licht einiger Kerzen in einem der Räume zu sehen, Schatten bewegten sich hinter zugezogenen Vorhängen und der Schornstein begann zu rauchen.
"Jetzt wäre eine gute Gelegenheit." schlug Carlos vor, doch Fabrizio schüttelte den Kopf energisch.
"Er wird die Pferde noch abspannen und versorgen. Außerdem fehlen noch die anderen Beiden. Sobald sie eintreffen, handeln wir." entschied er und blieb mit seinen Leuten im Verborgenen. Er hatte Zeit. Diese Nefandii würden ahnungslos in ihrem Haus in einer Falle sitzen und darin umkommen. Der Gedanke entlockte Fabrizio ein zufriedenes, bösartiges Lächeln.

1 Kommentar:

  1. Ich hatte sosehr gehofft, dass Fabrizio mit seinen Meuchlern erst ankommt, wenn alle schon auf dem Weg nach Lyon sind. Aber wirklich damit gerechnet hatte ich nicht.

    Jetzt gilt es das ganze genauestens zu bewerten.

    Fabrizio hat recht, dass er die Kutsche wohl kaum einfach so stehen bleiben wird, mit eingeschirrten Pferden.

    Aber haben Anya und Armand überhaupt vor noch nach dort zu kommen? Sie hatten sich doch zurückgezogen, waren nur über den Tag noch einmal kurz dort.
    Und anhand der Tatsache, dass dort weder Jocelyn, noch Maurice sind, lese ich ab, dass sie auch nicht vorhaben, sich dort irgendwie aufzuhalten.

    Fragt sich was Sergej vorhat.

    Ich tippe ja darauf, dass er seine Miram noch einmal vernaschen möchte, ohne leise sein zu müssen, weil Personal und Hausherin im Nebenzimmer rumstromern. Dazu bräuchte er aber den Koffer nicht. Und außerdem hat er nur einen geholt. Vielleicht soll in diesem Koffer noch ein wenig Gepäck von Sergej platz finden?

    Dann steht aber noch aus, wie es nun weiter geht. Er wird wohl nicht vorhaben, den Tag im Bauernhof zu verbringen.

    Ich tippe ja: Er vernascht Miriam, packt sein Zeug in die letzten Lücken ihres zweiten Koffers und dann geht es weiter. Allerdings nicht besonders weit. Dann sie müssen vor Tagesanbruch noch irgendwo ankommen. Miriam kann gewiss keine Kutsche lenken und Sergej kann es nicht, sobald der Tag kommt.

    Also fahren sie zu einem verabredeten Treffpunkt mit Armand, Anya, Jocelyn und Maurice. Ab dann wird Maurice weiterfahren. Dass er eine Kutsche lenken kann, hat er ja schon bewiesen.

    Dann fragt sich nur, wie die Florenz-Gang darauf reaieren wird. Ich befürchte ja, dass sie die Verfolgung aufnehmen werden und somit das schöne neue Versteck in Lyon, was für eine längere Zeit Ruhe und Frieden hätte sichern können, direkt aufgedeckt wird.

    SPANNEND!!!

    LG
    Joe

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