Samstag, 19. Mai 2012

Noctambule III: Anya Sanisoise

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Der Butler staunte nicht schlecht, als er die Tür öffnete und eine Schönheit ohne weitere Begleitung vor sich hatte, obwohl die Sonne schon seit geraumer Zeit untergegangen war. Ihr Kleid war offensichtlich aus teurer Seide, der Reifrock in hochmoderner, ovaler Form, die Handschuhe ohne Verschleißerscheinungen und das Schirmchen, sowie der Hut farblich perfekt abgestimmt.
Absolut überraschend war jedoch die Tatsache, dass die Dame hochschwanger war, ein Zustand, der ihm die Röte ins Gesicht trieb, denn normalerweise verließen die Damen in diesem unpässlichen Zustand nicht mehr das Haus.


Ihre betörende Stimme und diese wundervollen blauen Augen mussten ihn in ihren Bann gezogen haben, denn er verbeugte sich auf ihren Wunsch hin, eingelassen zu werden und öffnete die Tür höflich, um sie hereinzubitten. Sie schwebte förmlich, nachdem sie ihr Schirmchen zusammengefaltet hatte und nun mit höchster Anmut das Haus betrat.

Die beiden Gardisten, offenbar noch geprägt von Madame Dubrés' Erziehung, sprangen salutierend auf und ernteten ein strahlendes Lächeln sowie ein anmutig geneigtes Haupt, was man überwiegend durch die Bewegung des Hutes wahrnahm.
Anya genoss die Wirkung ihrer Fähigkeiten in vollen Zügen. Die beiden Gardisten waren jung und gesund, was ihren Hunger weckte, doch freute sie sich auf eine ganz andere Begegnung und raffte graziös ihre Röcke, um die Treppe zu betreten, die wohl jeder normalen Schwangeren einige Mühe bereitet hätte. Anya jedoch behielt ihre Anmut bei und spürte deutlich die begehrlichen Blicke der Soldaten im Rücken. Auch ohne Korsett und Schnürung war ihre Rückansicht jetzt noch immer zierlich und schmal.

Ihr war bewusst, dass ihr Auftritt die Männer völlig durcheinander brachte. Hochschwangere waren in der Öffentlichkeit nicht erwünscht, bestand doch die Gefahr einer plötzlichen Niederkunft und diese Peinlichkeit hatte zurückgezogen in den eigenen vier Wänden zu geschehen. So war für einen Mann eine werdende Mutter so ein seltener Anblick, dass die wenigsten das Gaffen unterdrücken konnten.
Vor der Tür seines Herrn blieb der Butler verlegen stehen.
"Wen darf ich bitte melden? Verzeiht, wenn Euch kurz warten lassen muss, doch möchte Monsieur Lechaivre Euch sicher mit gebührendem Respekt begrüßen." Anya rümpfte kurz die Nase, nickte dann aber.
"Richte Er ihm bitte aus, dass eine alte Freundin nach langer Abwesenheit seine Gesellschaft sucht. Das genügt." erklärte sie mit sanfter Stimme, wobei sie ihm lange direkt in die Augen sah. Folgsam betrat der Mann das Zimmer und es dauerte nicht lange, bis Anya die Tür geöffnet wurde und der Butler sie mit einer Verbeugung hinein bat.
Lechaivre lag auf seinem Diwan, noch immer mit einem Verband um den Kopf und in einen edlen Hausmantel gehüllt. Doch schien er bereits Kleidung darunter zu tragen, was Anya an seinen Strümpfen, Schuhen und dem Hemd erkennen konnte, dessen Rüschen aus dem Mantel hervor quollen.
Er hatte sich neugierig aufgerichtet und erwartete sie nun, auf einen einfachen Gehstock gestützt. Doch bei ihrem Eintritt entgleisten seine Gesichtszüge. Anya bedeutete dem Butler mit einem Wink zu verschwinden, woraufhin sich sofort danach die Tür schloss. Lechaivres Augen flogen irritiert zur Tür und zurück zu der Schönheit vor ihm.
Er konnte nicht glauben, dass sie sein Personal mit dem kleinen Finger dirigierte, ohne mit der Wimper zu zucken und noch viel schlimmer war, dass er eine gesuchte Verbrecherin vor sich hatte, die zu finden er nicht in der Lage gewesen war.
"Anya Sanisoise!" stammelte er nun und gaffte indiskret auf ihren gewölbten Bauch. Anya nickte leicht und zeigte ein Schmunzeln, während sie ihren Schirm auf ein Tischchen legte und nun sorgfältig die Hutnadeln löste. Auch diese legte sie auf das Tischchen, dann zog sie mit beiden Händen den Hut von ihrem Kopf und offenbarte einen schändlich kurzen Haarschopf, der unmöglich in eine Frisur zu bringen war. Lechaivres Fassungslosigkeit stieg weiter an. Seine Augen irrten zwischen ihrem Bauch und ihrem zerzausten Kurzhaar hin und her.
"Ihr erkennt mich noch! Ich fühle mich geehrt, mein lieber Lechaivre." Anyas Stimme war betörend sanft und die Art, mit der sie nun den Blick zu ihm hob, machte ihn ein wenig schwindelig. Sie schien das wahrzunehmen und neigte den Kopf leicht zur Seite.
"Euch geht es noch immer schrecklich, nicht wahr? Ich bitte Euch, setzt Euch wieder hin, mein Guter. Ich will nicht, dass Ihr womöglich noch umfallt!" Fürsorglich griff ihre kleine Hand nach seinem freien Arm und er ließ sich willig zu seinem Diwan führen, auf dem er jedoch aufrecht sitzen blieb statt sich hinzulegen. Anya nickte zufrieden und warf einen Blick zu dem geschlossenen Fenster.

1 Kommentar:

  1. Anya Sanisoise - Beim Titel dachte ich zuerst an den übrefälligen Antrag von Armand an seine Liebste. Aber das gefällt mir auch gut.

    Anya stattet dem Widerling also einen Besuch ab. Dieser wird wohl noch detlich weniger glimpflich ausgehen, als der Besuch von Madame.

    Gleich öffnet sie das Fenster und dann hat der kleine Schmierlappen, diejenigen, die er so lange gesucht hat, mitten in seinem Schlafzimmer. Und ich denke jetzt löst sich auch endgültig auf, warum er keinen Prozess bekommen wird.

    Auf ins Getümmel.

    LG
    Joe

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