Sonntag, 29. April 2012

Noctambule III - Miriams Leben

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Nachdenkliches Schweigen legte sich über die Anwesenden, das erst von Sergej durchbrochen wurde, der aufgestanden war und sich nun auf die andere Bettseite neben Miriam setzte. Anyas Arma verschwand sofort und nun war es Sergej, der Miriam in die Arme zog.
"Du könntest mit mir Marseille verlassen. Ich habe es dir schon so oft angeboten." Miriam drehte sich leicht in seinem Arm, um zu ihm aufzusehen.
"Du willst mich ja nicht verwandeln." erklärte sie mit einer Mischung aus verschmitztem Zwinkern und vorwurfsvollem Blick. Sergejs schweres Durchatmen ließ Anya das Wort ergreifen.



"Wir haben Maurice und Jocelyn bei uns, die auch nicht verwandelt sind. Du bist doch noch so jung!" Sergej betrachtete Anya schmunzelnd. Sie selbst war höchstens zwei Jahre älter, soviel er wusste und aus seiner Sicht machte das fast keinen Unterschied zu Miriam aus. Und doch war Anya wesentlich reifer als die behütet aufgewachsene Miriam.
"Es gibt ganz andere Probleme als Miriams Alter." schaltete sich Armand wieder ein und alle Köpfe drehten sich in seine Richtung.
"Miriam würde alles aufgeben. Man würde sie im besten Fall als vermisst einstufen, im schlechtesten Fall mit einem schlechten Ruf versehen, weil sie unverheiratet ist und offenbar mit einem Betrüger durchbrannte, der ihr die Unschuld geraubt hat. Ihr Vormund wird sich Miriams gesamtes Vermögen unter den Nagel reißen und Miriam wird gesellschaftlich nicht wieder auf die Beine kommen." Seine schwarzen Augen ruhten mit prüfendem Blick auf ihr, doch Miriam zuckte nur mit den Schultern.
"Na und? Wenn Sergej mich endlich zu einem von euch machen würde, wäre die Gesellschaft mir gänzlich egal. Und ich könnte mit meinem Vermögen doch eh nichts mehr anfangen?" Sergej musste lachen, wenn auch sehr leise.
"Denkst du, als Vampir brauchst du keine Unterkunft oder wenigstens Kleidung?" Miriam schürzte die Lippen und schwieg. Sie hatte geglaubt, dass Sergej genügend Einkünfte besaß, um gemeinsam mit ihm davon Leben zu können, so wie Armand und Anya.
"Aber ich dachte…" Sergej schüttelte den Kopf.
"Miriam, wenn mir einmal etwas geschehen sollte, brauchst du eigene Sicherheiten. Dein Landbesitz sollte schon auf deinem Namen eingeschrieben bleiben, irgendwann einmal wirst du froh darüber sein. Wir müssen erst einmal deinen Grundbesitz schützen und sichern, dann erst kannst du auch 'verschwinden.' " Miriam sah ihn bestürzt an. Dass Sergej etwas passieren könnte, kam in ihrem Plan überhaupt nicht vor. Doch bevor sie etwas einwenden konnte, schaltete sich Armand wieder ein.
"Er hat Recht. Ich hatte Maurice beauftragt, bei deinem Onkel scheinbares Interesse an deinem Landgut zu zeigen. Wir wissen dadurch genau, dass Matisse bereit ist, das Gut ohne dein Wissen zu verkaufen. Wahrscheinlich hat er selbst massive finanzielle Probleme und versucht, sich dadurch gesund zu stoßen." Miriam starrte mit offenem Mund schockiert von einem zum anderen.
"Aber er kann doch nicht seine eigene Nichte bestehlen?" hauchte sie. Anya seufzte.
"Wie du siehst, versucht und kann er es." meinte sie traurig. Doch Miriam hatte sich bereits wieder gefangen.
"Gut. Also fassen wir einmal zusammen. Meine Eltern sind beide tot. Mein Haus ist abgebrannt. Das Konto meines Vaters offenbar leer und mein eigener Onkel betrügt mich. Der, der den Mord und den Brand aufklären sollte, will mich lieber vergewaltigen und meine einzigen Freunde sind Vampire, die mich nur heimlich besuchen dürfen und gerade den Eindruck erwecken, mich gar nicht bei sich haben zu wollen." sie machte eine Pause und ließ ihre Worte auf die Anwesenden wirken.
"Kann mir einer von Euch bitte erklären, welche Wahl ich noch habe außer mich euch anzuschließen oder mich umzubringen?" Sergej stieß ein Raunen aus und zog sie fester an sich, doch Miriam befreite sich aus seinem Griff und musterte ihn kühl.
"Süße, ich will dich bei mir haben! Ich möchte doch nur, dass dein zukünftiges Leben so abgesichert wie möglich ist!" versuchte Sergej einzuwenden.
"Welches Leben denn? Erklär mir doch einmal, welches Leben ich noch habe?" fuhr Miriam ihn aufgebracht an.
"Pst!" zischte Anya und warf einen unruhigen Blick auf die Zimmertür. Sofort nahm Miriam sich wieder zurück und presste die Lippen zusammen. Bedrücktes Schweigen breitete sich aus, Armand saß ruhig in der Ecke und beobachtete die Situation, Sergej schaute bekümmert auf das junge Mädchen, das trotzig in seinem breiten Bett saß und Anya saß kerzengerade vor ihr, den Blick in sich gekehrt und tief ins Nachdenken versunken. Als sie ihren Blick zu Armand hob, lag darin die stumme Bitte, doch eine Lösung bereit zu haben.

1 Kommentar:

  1. Die Lösung its eben nicht einfach. Und es wird für Miriam auch eine Weile dabei bleiben, dass sie im Haus von Madame lebt.

    Die Frage ist, was die Vampire gegen Matisse Betrug unternehmen können, ohne sich selbst zu offenbaren. Einen Adligen, wie Matisse, der Untreue anzuklagen, ist in dieser Zeit vermutlich kein leichtes Unterfangen. Außerdem müsste man ja auch wissen, wo Beweise liegen für seine Hinterziehungen.

    Und Miriam hat eine erstaunlich präzise Auffassung von ihrer aktuellen Situation. Sie scheint durchaus gereift zu sein, seit dem Tod ihrer Eltern. Aber an anderen Stellen ist sie noch schrecklich kindlich und naiv. Sie hat noch einen weiten Weg vor sich.

    Viel Glück
    Joe

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