Sonntag, 22. April 2012

Noctambule III - Der abgewiesene Verehrer

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Paul Saint Lechaivre hatte schlechte Laune. Äußerst schlechte Laune sogar und sein treuer Kammerdiener sah zu, so schnell wie möglich aus dem Ankleidezimmer verschwinden zu können, denn heute konnte er gar nichts richtig machen.
Düster starrte Lechaivre in sein Spiegelbild. Zu gerne hätte er den gestrigen Nachmittag als schlechten Traum aus seinem Gedächtnis gewischt, doch auf seinem Frisiertisch lagen noch immer die Schnippsel des zerrissenen Ehevertrags, den er für Miriam und sich hatte aufsetzen lassen und den er gestern Abend in seinem Zorn in kleinste Teile zerfetzt hatte.


Er konnte die Gedankengänge dieses Hinterwäldlers Bellier nicht nachvollziehen. Nun gut, seine berufliche Karriere war ein klein wenig ins Stocken geraten, aber wie zum Teufel hatte der Idiot das herausgefunden? Und was war daran so dramatisch? Es hatte doch überhaupt nichts mit seinen vermeintlichen Gefühlen zu Miriam zu tun, die er so sorgfältig vorgetäuscht hatte!
Nicht, dass er wirkliche Gefühle für diese kleine Gans hegte. Sie war hübsch und ein niedlicher, temperamentvoller, appetitlicher Happen. Er hätte das junge, verwöhnte Ding noch schön formen können und sein gesellschaftlicher Stand wäre deutlich verbessert gewesen. All das machte dieser Volltrottel von Bellier kaputt, weil er sich belogen fühlte? Zornig trat Lechaivre gegen seine Schranktür, die scheppernd wieder aufging.

Diese kleine Ratte von Miriam hatte sich also einem anderen versprochen. Es würde ihn noch nicht einmal wundern, wenn sie außereheliches Verhältnis zugelassen hatte. Versautes Miststück! Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte, wenn sie keine Jungfrau mehr wäre.
Er hatte schon genug Mädchen defloriert und die Tatsache, eine nicht mehr Unschuldige zur Braut zu haben hätte die Mitgift lediglich angenehm angehoben. Zudem hätte er nicht mehr allzu rücksichtsvoll sein müssen im Bett, um sie nicht zu erschrecken. Das alles würde sie möglicherweise sie ja schon kennen.
Lechaivre grunzte unzufrieden, während er in sein Arbeitszimmer marschierte und frustriert auf seinen Stuhl plumpste.
Der Papierstapel vor ihm lenkte ihn auf andere Gedanken. Er musste unbedingt Erfolge vorweisen. Dieser Sartous war unauffindbar und die Bewachung seines Hauses nach einiger Zeit aufgehoben worden. Ein Versuch, das Haus zu enteignen, um es dann zum Verkauf freizugeben, war an dem dämlichen Oberrichter gescheitert, der keine gesetzliche Grundlage dafür erkannt hatte. Der Besitzer sei kein überführter Verbrecher und man könne ihn nicht ohne triftigen Grund enteignen. Verdammt noch mal! Sämtliche alten Bräuche schienen nicht mehr zu funktionieren. Dabei hätte er wetten können, dass ein Herzog an seiner Stelle Erfolg damit gehabt hätte.
Unwillig schnappte er sein Glas mit dem abgestandenen Wein vom Abend und kippte den Schluck hinunter. Er verzog das Gesicht und bereute den Schluck. Der Wein schmeckte schal und schaffte es auch nicht, das seltsame Gefühl zu beseitigen, das ihn immer befiel, wenn er an Armand Sartous denken musste. Irgendetwas hatte er vergessen. Irgendetwas Wichtiges war geschehen, doch konnte er es einfach nicht greifen. Dabei war er überzeugt davon, dass er ganz nah dran war. Das kleine Puzzlestück, das ihm fehlte, lag quasi vor seiner Nase und er sah es nicht.
Es half auch nichts, mit der flachen Hand knallend auf den Schreibtisch zu schlagen. Diese angebliche Schwester von Armand war auch nie wieder aufgetaucht. Er hatte recht gute Zeichnungen von den Gesichtern der beiden Gesuchten unter seinen Männern verteilt, doch niemand hatte bisher auch nur den winzigsten Hinweis erhalten, der ihm weiter geholfen hätte. Dabei war diese Anya doch so unglaublich eng mit Miriam befreundet gewesen! Aber auch das vorsichtige Nachfragen bei Miriam hatte nichts ergeben. Er fand es merkwürdig, dass Miriam so gar nicht um den Verlust ihrer Freundin zu trauern schien.
Mit diesem kleinen Biest war auch etwas nicht in Ordnung. In Lechaivre wuchs die Überzeugung, dass Miriam mehr wissen musste, als sie zuzugeben bereit war. Hätte er sie geheiratet, wäre er ihr auf die Schliche gekommen, da war er absolut sicher. Und nun machte dieser Bellier ihm einen Strich durch die Rechnung.
Lechaivre plumpste in seinem Stuhl zurück und furchte die Stirn. Es gab Zusammenhänge, die er nicht verstand und schon gar nicht alle erkannte. Aber er roch sie! Es war völlig klar, er musste Miriam noch einmal besuchen. Als abgewiesener Verehrer war das durchaus nicht unüblich. Jeder andere hätte auch versucht, sie noch einmal umzustimmen. Lechaivre nickte vor sich hin. Er würde diesem kleinen Aas die Informationen schon aus der frechen Nase ziehen. Und zwar heute Abend! Kein anderer Abend wäre besser geeignet.

1 Kommentar:

  1. Lustig, dass gerade Lechaivre sich auf "alte Bräuche" besinnt, deren Abschaffung doch erst dafür gesorgt hat, dass ein bürgerlicher wie er in dieser Position landen konnte. :)

    Und jetzt will er also Miriam die Informationen aus der Nase ziehen? Er ist näher dran als er denkt und doch weiter entfernt als er zu glauben wagt. Aber wer will es ihm verübeln und rechnet damit, dass eine Bande Vampire im eigenen Dunstkreis ihr Unwesen getrieben hat?

    Ich bin gespannt, wie weit er kommt. Sergej jedenfalls wird Miriam sicherlich nicht unbeaufsichtigt lassen. Jetzt wo er sich ihrer noch sicherer sein kann und ja auch vor Madame offener auftreten kann, wird er sicherlich in der Nähe sein.
    Somit ist der Abend die allerschlechteste Zeit für Lechaivre, dort aufzutauchen. Lass dich überraschen, kleiner Schnösel. Lass dich überraschen!

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