Sonntag, 11. März 2012

Vorschau: Noctambule III - Nefandii (3. Auszug)

Dies ist ein weiterer kleiner Auszug aus Noctambule III. Wer gerne nachlesen möchte, was bisher geschah, schaut doch bitte hier Noctambule und hier Noctambule II

Zwei junge Männer standen fassungslos vor der Leiche ihres Lehrmeisters und dem leblosen Körper der zierlichen Frau. Beide Männer trugen die traditionelle Bäckerkleidung unter ihren Mänteln und waren offensichtlich gerade zum Arbeitsantritt angekommen. Der Jüngere von beiden wandte sich nun würgend ab, mühsam gegen seine aufsteigende Übelkeit ankämpfend. Der Ältere hatte den Schlag gegen Anya ausgeführt, stand nun aber völlig schockiert vor der Leiche seines Arbeitgebers.
"Lieber Gott! Was ist das?" flüsterte er entsetzt. Sein Blick flog zu der Bewusstlosen und erst jetzt bemerkte er, wen er niedergeschlagen hatte.


"Das ist eine Frau! Die hat ihn gebissen!" keuchte er und stützte sich taumelnd am Arbeitstisch ab. Nun drehte auch der Jüngere den Kopf und gaffte auf Anya, aus deren Mundwinkel ein Blutfaden lief. Auch ihre Lippen waren noch blutig und an ihrer Schläfe zeichnete sich ein dunkelblauer Fleck von dem Treffer der Faust ab. Blinzelnd und hilflos beobachtete er, wie der blaue Fleck sich schnell vergrößerte, dann stoppte und schließlich begann heller zu werden.
Zitternd stieß er den Ellbogen in die Seite seines Kollegen, der ebenfalls ungläubig beobachtete, wie die Selbstheilung der Frau vor ihm in rasender Geschwindigkeit arbeitete.
"Was ist das?" flüsterte der Jüngere nun ängstlich. Der Ältere zuckte hilflos mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht. Wenn ich an Märchen glauben würde, käme mir ein Vampir in den Sinn, aber die gibt es doch gar nicht!" murmelte er. Der Jüngere taumelte zurück, ungläubig zusehend, wie Anyas Augen zu flattern begannen.
"Wir müssen hier weg!" kreischte er nun. Auch der Ältere wurde nun hektisch, als er das Flattern der Augenlider bemerkte.
"Lauf!! Hol Hilfe! Die Stadtwache! Mach schon!!" Er verpasste dem erstarrten Kollegen einen heftigen Stoß, der ihn zu Tür taumeln ließ. Dann wurde er selbst aktiv. Er packte eine der Schürzen, die für ihn und den Lehrling bereit hingen und riss sie in Streifen. Dann näherte er sich der jungen Frau, die bereits unruhig den Kopf bewegte und mit den Beinen zuckte. Sie musste jeden Moment aufwachen. Der Bäckergeselle zögerte nur kurz, dann überwand er sich und packte die zarte Gestalt an den Schultern, um sie auf den Bauch zu drehen. Hastig fesselte er ihre Hände mit den Streifen der Schürze auf den Rücken und verknotete sie so fest es ging.
Nachdem er sein Werk vollbracht hatte, machte er einen schnellen Schritt zurück, denn sie regte sich nun noch stärker und begann, gegen die Fesseln anzukämpfen. Keuchend sah er, wie sie innehielt und den Kopf drehte, um ihn anzusehen. Ihre großen, blauen Augen wirkten wie die eines kleinen Mädchens, als sie sich seitlich drehte und ihn erkannte. Eine Gänsehaut überzog den Körper des Gesellen. Dieser krasse Kontrast zu dem schönen, unschuldigen Gesicht und dem blutverschmierten Mund war einfach unfassbar. Ebenso unglaublich aber war, dass der blaue Fleck was gänzlich verschwunden war.
Die junge Frau drehte sich noch mehr seitlich, hatte aber damit aufgehört, sich gegen die Fesseln zu wehren. Der Mann machte noch zwei Schritte rückwärts, schluckte, war aber nicht fähig, sich von diesen seltsamen Augen abzuwenden.
"Wie kannst du mich fesseln? Ich bin nur eine hilflose Frau?" Der junge Mann schloss beim Klang ihrer Stimme die Augen. Sein Kehlkopf hüpfte aufgeregt auf und ab, während er sich verbissen gegen ihren Einfluss wehrte. Sein Atem ging schnell, als wäre er Meilen um Meilen gerannt und sein Brustkorb hob sich stoßweise. Endlich schaffte er es, sich von den Augen zu lösen und blickte auf seinen toten Meister herunter, dessen Hals zwar blutverschmiert war, aber keinerlei Bissspuren mehr aufwies. Erneut blinzelte er. Wie konnte das nur sein? Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie das Blut aus der Wunde floss!
"Du hast ihn umgebracht!" keuchte der junge Mann nun vorwurfsvoll. Anyas Blick wanderte zu dem Toten und zurück zu ihm. Wieder schaute sie unschuldig, während ihre Hände unauffällig gegen die Stofffesseln ankämpften.
"Ich musste das tun." stellte sie mit schlichter Unschuld fest. Der junge Mann schüttelte benommen den Kopf. Ihm war, als würde ihre Stimme in seinem Kopf hallen und unaufhörlich jagten prickelnde Ströme über seinen ganzen Körper. Er durfte nicht zulassen, dass sie sprach.
"Schweig!! Du hast ihn einfach getötet!" brüllte er sie nun an und griff nach einem Teigholz, als würde ihm die hölzerne Waffe gegen diese wundervollen Augen helfen. Tatsächlich schien die junge Frau zu gehorchen, doch ihre Augen fixierten ihn unentwegt. Der junge Mann konnte den Blick nicht mehr abwenden. Und in ihm wuchs immer mehr die Überzeugung, dass er diesem hilflosen, zerbrechlichen Wesen helfen musste, statt es zu zerstören.

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seitdem der Lehrling schreiend das Haus verlassen hatte. Zitternd und mit hoch erhobenem Teigholz stand er auf der anderen Seite des Raumes an die Wand gepresst und wehrte sich schwer atmend gegen die widerstreitenden Gefühle in ihm. Als plötzlich schwere, hastige Schritte zu hören waren, veränderte sich das schöne Gesicht der blonden Frau zu einer entsetzlichen Fratze.
Ihr Blick löste sich von ihm, fuhr zu Tür und ihr Mund öffnete sich zu einem wütenden Zischen. Mehrere Männer drängten sich in den Raum, allen voran ein älterer Mann in der Uniform der Nachtwächter. Er sah Anya und erfasste die Situation sofort.
"Allmächtiger!" entfuhr es ihm, dann starrte er auf den jungen Bäcker, der noch immer wehrhaft das Teigholz erhoben hatte. Als er das maskenhafte Gesicht des Gesellen sah, löste sich seine Schreckstarre.
"Schnell! Werft ihr einen Sack über den Kopf! Schnell!" brüllte er und sah sich nach einem Mehlsack um. Da nur angebrochene Säcke herumstanden, fasste sich ein anderer ein Herz und warf seinen Umhang über den Körper der Frau. Sofort löste sich die verkrampfte Starre des Gesellen und er sackte stöhnend an der Wand herunter. Das Teigholz polterte zu Boden, während er unkontrolliert zu zittern begann. Der Nachtwächter kümmerte sich nicht um den verstörten Mann sondern starrte entsetzt auf den toten Bäcker und auf das Bündel in den Trümmern des Regals, das sich nun wild unter dem Umhang zu wehren begann.
"Fesselt sie mit dem Umhang! Passt auf, dass sie euch nicht ansieht! Und kommt ihrem Kopf nicht zu nah!" befahl er streng und überwachte die drei Männer, die nun aktiv wurden. Nun taumelte auch der Bäckerlehrling wieder herein und hockte sich zu seinem Kollegen, um ihm tröstend die Arme um die Schultern zu legen.
Einer der Männer fand die zusammengerollten Schnüre, mit denen man die Mehlsäcke verschloss. Mit zwei weiteren Männern kniete er schließlich über dem wütend fauchenden Bündel und begann, ihre Beine, Knie und den Oberkörper mit Seilen zu umschlingen.
"Ein Seil um den Hals! Ihr dürft nicht zulassen, dass ihr in ihre Augen seht!" befahl der Nachtwächter und beugte sich über den Toten, um ihn zu untersuchen. Als er keine Bissverletzung finden konnte, richtete er sich kopfkratzend wieder auf und hockte sich vor den verstörten Gesellen.
"Was hat sie dir gesagt?" verlangte er zu wissen. Der junge Mann blinzelte verwirrt.
"Weiß nicht.. so eine schöne Stimme…" faselte er irritiert. Sein junger Kollege runzelte die Stirn, stets bemüht, nicht die Leiche vor sich anzusehen.
"Vorhin war er noch ganz klar bei Verstand. Er befahl mir, Hilfe zu holen!" berichtete er nun dem alten Mann, der seufzend nickte.
"Dann stimmt es also. Es gibt sie wirklich und sie sind noch viel gefährlicher, als man denkt." murmelte er vor sich hin. Die Männer waren fertig mit ihrem Werk und richteten sich auf.
"Was machen wir mit dem .. dem Ding?" fragte einer von ihnen. Der Nachtwächter richtete sich auf und drehte sich zu dem Bündel, das nun ganz ruhig lag. Offenbar hatte sie es aufgegeben, sich gegen die Fesseln zu wehren.
"Wir müssen sie zur Garde bringen. Die müssen erfahren, was für ein Geschöpf hier in der Stadt ist. Und ich bin sicher, es gibt noch mehr!" Betroffene Stille breitete sich aus. Schließlich holte einer der Männer aus und trat mit aller Kraft gegen den Körper am Boden.
"Das ist ein Werk des Teufels! Wir müssen sie töten und verbrennen! Am Besten noch vorher vierteilen!" fluchte er, während seine Kameraden sich hastig bekreuzigten. Der Nachtwächter blickte die Männer unsicher an.
"Ein Pflock durch das Herz! Das tötet sie!" rief nun ein anderer.
"Und Tageslicht!" Die Männer begannen, sich gegenseitig aufzuheizen. Immer wieder traten sie gegen den Körper der gefesselten Frau und hielten erst dann verblüfft inne, als ein herzzerreißendes Schluchzen dumpf unter dem Umhang zu hören war. Totenstille breitete sich im Raum aus. Die Männer, die gerade noch wütend verschiedene Todesarten ausgewählt hatten, waren mit einem Mal unsicher, ob sie das Rechte tun würden.

1 Kommentar:

  1. Ich hatte mich immer gefragt, wann im Dunstkreis von Noctambule einmal Menschen auftauchen, die den Vampiren gefährlich werden.

    Schon das Messer am Ende des zweiten Teils hat ja gezeigt, dass auch Vampire nicht unverwundbar sind. Und diesmal sind die Menschen erstaunlich routiniert. Und wenn nicht das, dann doch erheblich erfolgreich.

    Aber ob sie auch mit eiem Armand fertig werden, der wutentbrannt die Mama seines Babys befreien möchte? Oder haben die zwei sich mal wieder gestritten? Was hat Anya dazu veranlasst, mitten in der Stadt einen Menschen zu jagen, der garantiert gefunden wird und dann auch noch dort zu verharren?

    Ich bin nach wie vor gespannt aufs Buch!

    LG
    Joe

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