Freitag, 30. September 2011

Noctambule II: Überraschender Besuch

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

In Armand hatte sich dumpfe Verzweiflung breit gemacht. Nacht für Nacht durchstreifte er Marseille, immer wieder andere Gegenden durchsuchend. Aber von Anya war keine Spur zu entdecken.
In ihm wuchs der Glaube, dass sie nicht gefunden werden wollte oder bereits Marseille seit langem verlassen hatte. Der Gedanke, dass sie vielleicht nicht mehr leben könnte, kam immer häufiger in ihm hoch, doch schmerzte das so sehr, dass er ihn sofort verdrängte und seinen Zorn auf George weiter schürte.

Oft stieß Sergej nachts noch zu ihm, wenn er seinen Besuch bei Miriam beendet hatte. Armand würde sich gerne von Herzen für seinen Freund freuen, dass dieser endlich einmal eine Frau gefunden zu haben schien, die seine Gefühle tief erwiderte. Doch war gar kein Platz in ihm für Freude. Seine Gefühle schwankten zwischen Hass und Verzweiflung.
Schon lange hatte er mit Sergej abgesprochen, sich nicht weiter abzuschirmen. Er wollte gefunden werden von George, er wollte endlich eine Konfrontation, die endgültig sein würde. George war ihm schon rein körperlich nicht gewachsen und nach wie vor kein guter Kämpfer. Aber er besaß Hinterlist und Heimtücke, die Armand völlig fremd waren, sodass er Schwierigkeiten hatte, Georges Handlungen voraus zu planen.
In dieser Nacht spürte er zum ersten Mal seit zehn Tagen die Gegenwart Georges wieder deutlicher. Gleich in der Nacht nach seiner Ankunft und dem Fund von Anyas Halsband – oder besser den kläglichen Überresten – hatte er George recht deutlich spüren können. Aber der anbrechende Tag hatte ihn daran gehindert, weiter zu suchen und sie hatten es nur sehr knapp zurück nach Hause geschafft. Die kommende Nacht war wieder wie alle vorangegangenen gewesen. Trotz intensiver Suche hatten weder er noch Sergej eine Spur von George ausmachen können.
Jetzt aber war er wohl zurückgekehrt.
Armand war unruhig. Sergej hatte sich zu Miriam aufgemacht und versprochen, später wieder zu ihm zu stoßen. Um Maurice zu schützen, hatte er den Bauernhof bereits am frühen Abend direkt nach Einbruch der Dunkelheit verlassen und sich dann komplett geöffnet, um George zu sich zu locken. Sergej hatte ihn ein Stück begleitet und sich dann nach zwei Stunden zu Miriam begeben. Mit seinem Freund war also eine Weile nicht zu rechnen.
Dumpf brütend saß er auf dem kleinen Platz vor der Kirche Notre Dame des Accoules auf den Stufen und spielte mit den kleinen Buchstaben, die Sergej im Feuer gefunden hatte. Seit dem Fund hielt er diese beiden kleinen Metallstückchen täglich in den Händen, denn das war die einzige Verbindung zu Anya, die ihm geblieben war. Seine langen Finger drehten die Buchstaben hin und her, wendeten sie und hielten sie gegeneinander gedrückt.
Es konnte kein Zufall sein, dass er und Anya die gleichen Initialen hatten. Armand war kein Mann, der dazu neigte, in tiefsinnige Grübeleien zu verfallen. Aber heute Abend kam er nicht drum herum, darüber nachzudenken, warum das Schicksal sie immer wieder zu trennen versuchte. Das konnte er nicht zulassen. Und er weigerte sich zu glauben, dass Anya ihn nicht mehr sehen wollte. Das alles war nur ein blödes Missverständnis, das er irgendwie aus dem Weg räumen musste.
"Es ist schon sehr selten, einen Vampir mitten auf einem Platz vor der Kirche zu finden." meinte eine amüsierte, doch gütig klingende Stimme hinter ihm. Armand war mit einem Satz auf den Beinen und fuhr herum.
Seine Verblüffung kannte keine Grenzen. Vor ihm stand, auf seinen reich verzierten Gehstock gestützt, der alte Antonio Sanghieri. Sein schneeweißes Haar war zu einem schlichten Zopf gebunden, sein altes Gesicht leuchtete im Licht des Mondes fast gespenstisch und er trug unverkennbar die neueste italienische Mode.

1 Kommentar:

  1. WTF ... Ich hatte es heute Morgen schon einmal gelesen und musste es jetzt noch mal lesen. (Heute Morgen war eh keine Zeit zum kommentieren.)

    Also: Erst mal zu den Randbedingungen. Der fixe Sergej flitzt also tatsächlich mehr oder weniger täglich zu Miriam und betreibt da also die wildeste Unzucht? :D

    Was sagt madame denn eigentlich nun zu diesem schönen "Jüngling"? Und was sagt der Vormund, dessen Interesse an seinem Zögling sich ja stark in Grenzen zu halten scheint. Das hatte ich allerdings wohl auch schon vermutet, dass das so sein würde. Ist Miriam denn nun eigentlich vermögend oder gar bettelarm? :)

    Und wie muss man sich eine Hochzeit zwischen einem Vampir, der nicht zugeben mag, dass er einer ist, und einer Menschenfrau vorstellen? Ich könnte mir vorstellen, dass die Trauung eben in den Abendstunden ist. Und Sergej vielleicht den Tag vorher schon in der Kirche verbracht hat? Das müsste doch klappen.

    Womit wir beim Thema wären. Armand sitzt also vor der Kirche. Warum eigentlich gerade da? Glaubt er, dass Anya gerade dort auftauchen wird? Sie war doch schon vorher kein Ausbund an gottesfürchtigkeit. Jetzt ist sie auch noch ein Vampir. Wieso also gerade an den Stufen der Kirche?

    Und jetzt auch noch Sanghieri? Mit gütiger Stimme? Der Brief ist also angekommen. Aber der alte Mann wird doch sicherlich nicht allein gekommen sein? Und in welcher Absicht?

    So wertvoll, wie Vampirnachwuchs eingeschätzt wird, hoffe ich ja, dass sie in friedlicher Absicht kommen. Aber ganz sicher wäre ich mir da nicht.

    Ach Kay.... *seufz*

    Liebe Grüße
    Joe

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