Freitag, 5. August 2011

Noctambule II: Unglaubwürdige Wahrheit

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Madame Dubrés hatte Miriam aufgeregt und freudig empfangen. Nicht nur, dass sie mit dem Comte selbst eine innige Freundschaft verbunden hatte, deren Tiefe niemals an die Öffentlichkeit gelangen durfte, sie hatte auch Miriam aufwachsen sehen und fühlte sich eng mit dem Mädchen verbunden. Sie war unglaublich erleichtert, Miriam wohlbehalten zu sehen und verfrachtete das blasse Bündel mit einer heißen Suppe auf ihr Sofa.

Innerlich verschmitzt grinsend stellte sie fest, dass sie nun schon zum zweiten Mal in dichter Folge ein blasses, verwahrlostes Mädchen auf ihrem Sofa platzierte und sie erfreute sich ganz im Stillen an der Tatsache, dass sie offenbar gerade zum Zentrum einer sehr verwirrenden Geschichte wurde. Das Leben bot noch so viel Aufregung!
Maurice war in die Küche geschickt worden, wo man ihn mit den Resten des Bratens versorgte, den Madame für sich und Anya geordert hatte und der nun kaum angerührt war. Auch Maurice dankte im Stillen seinem Schöpfer, endlich mal wieder etwas Vernünftiges zu Essen vor der Nase zu haben. Seine eigenen Kochkünste beschränkten sich auf Kaffee oder Tee.
"Jetzt erzähl mir um Himmels Willen, wo du gewesen bist und was überhaupt geschah!" verlangte Madame, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ihrem jungen Gast nichts mehr fehlte. Miriams Wangen färbten sich bereits wieder während sie die Suppe löffelte und die warme Decke genoss.
"Ach, Madame! Wir sind überfallen worden!" begann sie und bezweifelte schon jetzt, dass man ihr die Wahrheit abkaufen würde. Aber sie beschloss, überwiegend bei der Wahrheit zu bleiben, auch wenn sie jetzt schon die Zweifel und das Staunen in dem Gesicht ihrer Gastgeberin sah.
"Maman und ich hatten uns vorbereitet auf unsere Gäste. Ich trage ja immer noch das Kleid." Sie senkte beschämt den Blick. Noch nie hatte sie zweimal das gleiche Kleid getragen, ohne dass es zwischendurch gereinigt worden war.
"Und plötzlich standen diese beiden Männer in unserem Zimmer. Sie haben uns .. sie wollten.." Miriam errötete und senkte den Blick. Was George von ihr gewollt hatte, würde sie nie wieder vergessen. Aber ihr Zögern wurde von Madame korrekt aufgenommen, den sie sog zischend die Luft ein und überprüfte das Kleid von Miriam sofort auf offensichtliche Schäden, die bei so einer Tat entstehen konnten. Ihr Blick blieb natürlich an dem aufgerissenen Dekollete hängen.
"Ich verstehe, Kind. Haben sie denn…?" Miriam zögerte. Das wäre eine Möglichkeit ihre verlorene Unschuld reinzuwaschen. Aber würde sie tatsächlich reingewaschen sein? Hatte sie nicht oft genug gehört, dass eine Frau mit diesem Schicksal gesellschaftlich verloren war? Ihr Zögern ließ Madame Schlimmstes ahnen und als Miriam antwortete, wuchsen die Zweifel sichtbar.
"Nein." hauchte Miriam und senkte den Kopf über ihre Suppe. Dass Madame schwieg, wertete sie als gutes Zeichen.
"Aber der eine hat Maman einfach umgebracht. Einfach so!" Ihr Schluchzen zwang sie, abzubrechen. Sie hatte es zum ersten Mal selbst ausgesprochen und erst jetzt schien die Information ihr eigenes Gehirn wirklich zu erreichen. Amanda schlug die Hand vor den Mund und starrte Miriam entgeistert an.
"Aber ich wurde gerettet, Madame. Armand Sartous und sein Freund wollten uns wohl besuchen und sie hörten den Tumult durch das Fenster. Sie sind einfach hineingeklettert und haben einen schrecklichen Kampf mit den Beiden angefangen." Als Miriam den Blick scheu zu Madame hob, war sie verblüfft über das Staunen in deren Gesicht. Fassungslos starrte Madame Dubrés sie an, kaum in der Lage zu antworten.
"Sartous? DER Sartous? Der überall gesucht wird?" jappste sie verständnislos. Hatte Anya denn nicht berichtet, dass er gar nicht in Marseille war? Log jetzt eine von beiden? Miriam nickte bekräftigend.
"Aber er wird zu Unrecht beschuldigt, Madame! Einer von den Beiden, der uns überfallen hatte, ist der Gesuchte! Er hat all die schrecklichen Verbrechen begangen! Das weiß ich von Armand. Er selbst hält sich aber verborgen, weil er seine Unschuld nicht beweisen kann." Miriam fühlte sich durch die Suppe gestärkt und sah Madame fest an. Sie war wild entschlossen, Armands Namen reinzuwaschen, wenn sie nur irgendwie konnte.
Auch wenn sie selbst fand, dass ein Vampir keine Menschen töten durfte, so verstand sie doch, dass die Menschen wohl die einzige Nahrungsquelle waren. Aber wenn man schon einen Schuldigen suchte, dann sollte wenigstens einer dafür büßen, der sowieso bestraft gehörte, entschied sie und schob hemmungslos sämtliche Verbrechen dieser Stadt auf George.
Madame Dubrés lehnte sich schnaufend zurück und versuchte zu sortieren, was sie soeben erfahren hatte. Aber Miriam plapperte weiter.
"Und dieser Mann, der heißt George Squire. Er ist ein alter Feind von Armand und versucht, ihm zu schaden, wo es nur geht. Der hat auch das Haus in Brand gesetzt." verkündete Miriam mit zornroten Wangen. Madame hob bremsend die Hand und schüttelte den Kopf.
"Langsam Kind. Warum sollte dieser Squire denn euer Haus abbrennen, wenn er Armand schaden will?" fragte sie skeptisch nach. Aber Miriam hatte eine Erklärung.
"Na, weil er weiß, dass Anya und ich befreundet sind. Und eben deshalb hat Armand ja auch mir helfen wollen. Und bei dem Kampf wurde Armand verletzt. Sicher wollte dieser Kerl, dass wir alle darin verbrennen." schlussfolgerte sie. Amanda kratzte sich ungeniert unter der juckenden Perrücke und grübelte zweifelnd.

1 Kommentar:

  1. Sooo liebe Amanda. Bekommst du das Puzzle zusammengesetzt ohne zu wissen, wer da alles Vampir ist?

    Und so wie Miriam es erzählt klingt es tatsächlich auch alles ziemlich unglaubwürdig. Aber das kommt schon noch.

    Und Madame hatte also eine kleine Affäre mit dem Comte. So eine ist sie also :)

    Und jetzt sollte sie vielleicht noch kurz darüber reden, dass Anya bei ihr war. Das würde Armand sicherlich helfen. Und wohin will Miriam jetzt also, wenn sie bei Madame fertig ist? Lässt Madame sie überhaupt wieder gehen?

    Liebe Grüße
    Joe

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