Montag, 22. August 2011

Noctambule II: Lauf!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

"Dir wird ich zeigen, wer hier ein Schwächling ist!" Er holte aus, um Armand die Gerte durch das Gesicht zu ziehen, doch Armand stand schon nicht mehr dort.
Er tauchte auf der anderen Seite auf, direkt neben dem Mann und packte dessen Bein, um es aus dem Steigbügel zu ziehen. Dabei verdrehte er den Fuß und noch während der Mann vor Schmerz aufschrie, hebelte er ihn mit solcher Wucht aus dem Sattel, dass er mehrere Meter flog, bevor er hart auf der Straße landete.
Der Fremde rappelte sich stöhnend hoch, doch zu seinem Schreck fiel Armands Schatten schon auf ihn, bevor er richtig stand. Taumelnd suchte er mit einigen Schritten rückwarts nach Abstand und starrte seinen Angreifer entsetzt an. Armand witterte, wie das Blut des Mannes zu brodeln begann, wie Adrenalin durch den Körper jagte und ihn zu Hochleistungen motivierte und wie die Angst kalten Schweiß auf seine Stirn brachte.

Es war ihm nur Recht, dass dieser Mann hier nicht willens war, sich einfach seinem Schicksal zu beugen. Sein Zorn konnte sich hier richtig entladen und er würde es auskosten. So ließ er den Mann rückwärts stolpern und legte dabei abschätzend den Kopf schief, als müsse er überlegen, ob die Entfernung nun reichte oder nicht. Der Fremde schleuderte seinen Umhang über die Schulter, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben und bückte sich nach einem schweren Ast, den er nun wie einen Knüppel hochhielt.
Für Worte war nun schon keine Zeit mehr. Dem Mann fehlte die Luft, denn der Aufprall von eben schmerzte immer noch und er brauchte jede Kraft, um sich zur Wehr zu setzen. Armand nutzte die Gelegenheit, sein Gegenüber noch einmal abzuschätzen.
Es war ein Mann im besten Alter, sportlich, gepflegt und voller Selbstbewusstsein. Er musste aus der Mittelschicht kommen, vermutlich ein Kaufmann. Seine Kleidung war gut, aber nicht maßgeschneidert und die Reitstiefel von feiner Qualität, denn obwohl sie schon abgenutzte Stellen aufwiesen und ein gewisses Alter haben mussten noch ohne Risse oder Löcher.
"Du hättest mir einfach dein Pferd geben können." meinte Armand fast bedauernd und breitete kurz resigniert die Arme aus. Die erhoffte Reaktion kam, denn der Mann hob den Knüppel noch weiter. Er antwortete nicht, sondern holte einfach aus und schlug zu. Sein Schlag hätte den Kopf treffen müssen, aber Armand war um nur einen Meter ausgewichen und der Mann taumelte von der Wucht seines eigenen Schlages vorwärts.
Noch immer handelte Armand nicht, sondern wartete ab. Der Mann fing sich und noch im vorwärts Taumeln drehte er sich und holte seitlich aus. Armand blockte den Schlag mit dem Unterarm ab ohne sich zu rühren und verzog leicht das Gesicht. Der Schlag hatte ihn nicht verletzt, aber die Kraft des Mannes glich nun der eines Verzweifelten und hinterließ ihre Spuren.
"Au?" kam gespielt vorwurfsvoll von Armand. Ungläubig rang der Fremde nach Luft. Wieder holte er aus, doch auch dieses Mal verfehlte er sein Ziel. Armand war sogar aus seinem Blickfeld verschwunden. Panisch warf er sich herum und stieß einen erschrockenen Schrei aus.
Armand stand genau hinter ihm. Nun zeigte sich erst, dass er gut eineinhalb Köpfe größer war als sein wehrhaftes Opfer, das nun zurückprallte, als wäre es gegen eine Wand gerannt. Armand betrachtete ihn und blieb ruhig stehen.
"Ich weiß nicht, was du bist.. aber normal ist das nicht!" keuchte der Fremde und hob abwehrend den Knüppel. Armand nickte zustimmend.
"Du hattest zweimal Unrecht. Ich bin kein Idiot und ich bin kein Mensch." raunte er leise. Seine schwarzen Augen wirkten im Licht des Mondes noch dunkler. Sein blasses Gesicht schien zu leuchten und die dunklen Lippen hatten durch den Mond jede Farbe verloren und wirkten einfach nur fast schwarz. Die dunklen Haare, sonst in einem eleganten Zopf gehalten, hingen locker über seine Schultern und umrahmten das Gesicht wie ein Bilderrahmen. Der Fremde schüttelte ungläubig den Kopf und griff erneut an.
Wieder wich Armand aus und der Knüppel verfehlte ihn und traf einen Baumstamm. Bevor der Fremde sich von der Erschütterung erholen konnte, die sein Schlag in seinem Arm wellenartig ausgelöst hatte, packte Armand den schweren Ast mit einer Hand, hielt ihn gegen den Baum gedrückt und schlug mit der zweiten kraftvoll zu. Er traf den Ast ziemlich genau in der Mitte und so stabil und dick er auch gewesen war, so leicht zersplitterte er nun unter Armands Faust.
Der Fremde hatte den Stab durch Armands Schlag loslassen müssen. Armand warf die Reste über die Schulter hinter sich in den Wald und klopfte sich die Hände ab.
"Versuch es noch mal." schlug er ihm vor und wartete ab. Hilflos sah der Mann sich um, doch was auf dem Boden herum lag, war entweder zu klein oder bereits so morsch, dass es nicht als Schlagwaffe taugte. Der Konflikt, Armand im Auge zu behalten und dennoch nach einer Waffe zu suchen, vergrößerte seine Panik. Er dachte nicht mehr weiter nach, sondern musste nur noch zwischen Flucht und Angriff entscheiden.
Er legte seine ganze Kraft in seinen Angriff. Der Schrei, den er beim Losstürmen ausstieß, war Angst und Wut gleichzeitig und nun überrumpelte er tatsächlich Armand, indem er den Schlag seiner Rechten nur antäuschte und als Armand abwehrend den Arm hob, schlug die linke Faust wie ein Hammer an Armands Kinn. Die Wucht und auch die Überraschung ließen Armand nach hinten stürzen. Er rollte über den Waldboden ab und stand sofort wieder auf den Beinen.

So sah er gerade noch, dass der Mann den zerbrochenen und nun viel kleineren Ast wieder aufhob und mit der gesplitterten Spitze auf Armand zielte. Als er langsam zu lächeln begann, entblößte er seine scharfen Eckzähne immer mehr und genoss die Augen des Mannes, die sich nun vor Entsetzen unnatürlich weiteten.
"Lauf…" schnurrte Armand so leise, dass man es hätte überhören können, wenn er nicht seine Fähigkeit eingesetzt hätte, seine Stimme direkt in den Kopf seines Opfers zu leiten. Der Mann reagierte sofort. Der Knüppel fiel zu Boden, als er sich umdrehte und so schnell er konnte los spurtete. Die Angst lähmte sein Denkvermögen und so rannte er nicht zu seinem Pferd sondern immer tiefer in den dunklen Wald hinein, verfolgt von einem dunklen, drohenden Lachen.

Der Schrei, der Minuten später zu hören war, ließ das Pferd schnaubend aufhorchen. Es unterbrach sein Grasen und spielte mit den Ohren, doch selbst das gute Hörvermögen konnte keine Gefahr ausmachen. Der Wald war wieder still, in silbernes Mondlicht getaucht, das alles Farben raubte und in Grautöne verwandelte. Als kurz darauf Armand aus dem Wald schlenderte, blieb das Pferd ruhig stehen. Es ließ sich streicheln, senkte den Kopf und hielt still, als er sich auf seinen Rücken schwang.
Das kurze Schnalzen brachte das Pferd in Bewegung. Armand lächelte nicht während des Galopps Richtung Osten. Er war gestärkt und erfrischt. Nur hatte seine Mahlzeit nicht gegen die Sorgen um Anya geholfen. Konzentriert beugte er sich vor und ließ die Zügel schießen.

1 Kommentar:

  1. Ich sagte doch Armand hat ein Pferd. Mal sehen, wie weit er damit kommt, bevor er es zu Schanden reitet.

    Übrigens: Das war definitiv eine deiner besten Kampfbeschreibungen. Sie sind alle ziemlich gut. Aber diesmal hast du es besonders schön getroffen.

    Interessant ist allerdings, dass ihm gar nicht in den Sinn kommt, dass er Anya vielleicht ja auch noch einholen könnte. Auch Anya müsste irgendwo gerastet haben und dabei hätte sie bemerkt werden können.

    Ach mir fallen immer MEHR Gründe ein, warum Armand ein Holzkopf ist... aber Lauf lauf nur Armand....

    Liebe Grüße
    Joe

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