Dienstag, 30. August 2011

Noctambule II: Erste Rückschläge

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Wieder klopfte es, doch diesmal wesentlich energischer, und der oberste Richter der Stadt den Kopf herein streckte. Lechaivre sprang sofort wieder auf und ging ihm mit ausgestreckten Händen entgegen.
"Mein lieber Monsieur le Magistrat! Bitte nehmt Platz. Was verschafft mir die Ehre Eures Besuchs?" Eifrig führte er den älteren Mann zu der bequemen Sitzecke und nötigte ihn, sich zu setzen.

Der Richter machte es sich bequem und stimmte der fragenden Handbewegung Lechaivres zur Weinkaraffe mit einem Nicken zu. Er machte einen seriösen, gelassenen Eindruck. Förmlichkeiten schienen ihm eher unangenehm zu sein, doch nahm er den gebührenden Respekt selbstverständlich an und erwartete ihn auch. Seine Haare hatte er ungepudert zu einem einfachen Zopf gebunden. Schließlich verschwanden sie ständig unter der offiziellen Perücke seines Standes, sodass er beschlossen hatte, seinen Kollegen hier diesen desolaten Zustand seiner Haare zuzumuten.
"Ich hörte, Ihr wünscht die Angelegenheiten der jungen Comtesse zu vertreten." begann der Richter, als Lechaivre ihn bewirtet hatte und sich zu ihm setzte. Lechaivre zog die Stirn kraus. Dass der oberste Richter sich der Sache annahm, dämpfte seinen Höhenflug erheblich.
"Ja. Das arme Ding. Sie steht ja völlig alleine da. Ich bin davon überzeugt, dass ich sie vertreten sollte, bis sich eine bessere Lösung finden lässt, nicht wahr?" Lechaivre setzte ein strahlendes, selbstbewusstes Lächeln auf und nippte an seinem Wein, wobei er über den Glasrand sein Gegenüber beobachtete. Der Richter nickte lächelnd.
"In der Tat, es ist ein schlimmes Schicksal. Sie braucht unbedingt Unterstützung. Doch warum durch Euch?" Diese Frage alarmierte Lechaivre, zeigte sie ihm doch, dass man offenbar noch nicht so sehr von ihm überzeugt war, wie er selbst. Hatte er zu hoch gegriffen? Es ging doch nur um die Interessenvertretung einer minderjährigen Frau? Er lehnte sich zurück und verstärkte sein Lächeln.
"Nun, schließlich war ich eng mit der Familie vertraut durch den verstorbenen Comte. Er hatte große Pläne mit mir und auch seine werte Gattin war sehr von mir angetan. Die Familie hat mir vertraut und das zu Recht!" erklärte er und fügte seinem Gesagten bewusst einen leicht gekränkten Ton hinzu. Seine Worte konnte Gott sei Dank niemand mehr wirklich überprüfen und so würde auch keiner dahinter kommen, dass sein Verhältnis zu Miriams Mutter eher unterkühlt gewesen war.
Der Richter legte die Handflächen aneinander und berührte mit den Fingerspitzen seine Lippen. Er schien zu überlegen und betrachtete dabei Lechaivre mit ausdrucksloser Miene. Schließlich lächelte er wieder und ließ die Hände sinken.
"Das ist in der Tat ein großer Vorteil, wenn man dieses schwere Amt übernehmen will. Dennoch möchte ich Euch in aller Freundschaft nahelegen, diesen Antrag zurückzuziehen. Wir vergessen das Ganze einfach." Lechaivre klappte beinahe die Kinnlade herunter vor Überraschung. Fassungslos betrachtete er sein Gegenüber und versuchte herauszufinden ob er eben eine kleine Drohung gehört hatte oder einer Sinnestäuschung erlegen war.
"Aber warum sollte ich das tun? Das Mädchen steht völlig alleine da?" warf er eifrig ein. Von seinem Gegenüber kam ein Schürzen der Lippen und ein plötzlich harter Ausdruck in den Augen.
"Aber mein lieber Paul! Denkt Ihr denn wirklich, die Familie der Comtesse würde zulassen, dass sich ein Bürgerlicher um die Belange des Adels kümmert?" fragte er sanft, was einen scharfen Kontrast zu seinen graublauen Augen bildete.
Lechaivre sackte in seinem Sessel zusammen. Offenbar hatte sein Antrag höchsten Unmut in Kreisen ausgelöst, die eigentlich von seiner Arbeit angetan sein sollten. Die plötzliche Angst, er könne mit diesem Plan seine Karriere aufs Spiel gesetzt haben, lähmte sein Denkvermögen. Konnte das wirklich wahr sein, dass hier der Adel zu so einem Fußtritt ausholte?
"Aber ich wollte nur helfen. Die Familie ist weit weg.." stammelte er nun. Der Richter schüttelte den Kopf und erhob sich wieder. Er ging um den kleinen Tisch herum zu Lechaivre und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
"In so einem Fall ist die Familie niemals weit weg, mein junger Freund." Er begleitete seine Worte mit einem mahnenden Druck seiner Finger. "Kümmert Euch um den Brand und liefert einen umfassenden, abschließenden Bericht! Das ist Eure Aufgabe und ich bin sicher, Ihr meistert sie hervorragend! Das andere… nun, das lasse ich einfach verschwinden, nicht wahr?" Noch einmal klopfte er freundlich auf die wattierte Schulterpartie Lechaivres und verließ dann den Raum. Zurück ließ er einen sprachlosen Mann, dessen Augen sich zu wütenden Schlitzen verengt hatten.

1 Kommentar:

  1. Ha - Ich wusste es doch: Da liegt noch Ärger in der Luft, wenn ein Bürgerlicher Schnösel, in einer Zeit, in der dem Adel die Felle ohnehin schon wegschwimmen, auch noch ein Emporkömmling werden will.

    Er wird also nicht Miriams Vormund. Das wird Miriam passen und Sergej wohl erst recht! Der könnte sich ja selbst als Vormund anbieten. Da ohnehin niemand weiß, wer er ist, lassen sich doch sicherlich noch ein paar Adelstitel fälschen? :D

    Viel Erfolg Lechaivre - mach mal schön deinen Job, sonst wirds bitter für dich.

    Liebe Grüße
    Joe

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