Sonntag, 7. August 2011

Noctambule II: Einfach durchhalten

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Während draußen die Sonne blendend helles Licht verströmte, kauerte Anya in ihrem zerrissenen Nachthemd in der Ecke von Georges Schlafzimmer auf dem Fußboden und versuchte, innerlich zur Ruhe zu kommen. George lag auf dem Rücken in seinem Bett und hatte die Augen geschlossen. Anya war sicher, dass er zufrieden und selbstgefällig schlief, aber sie war ebenfalls sicher, dass er bei der kleinsten Bewegung aufwachen würde weil er ihr nicht über den Weg traute.

Ihr Körper fühlte sich dumpf an und auf eine seltsame Weise gefühllos. Sie hatte schlichtweg einige Bereiche abgeschaltet, um sich nicht vor Ekel übergeben zu müssen. Außerdem war ihr inzwischen recht gleichgültig, was George mit ihr anstellen würde. Zurück zu Armand war schier unmöglich geworden und sie überlegte verzweifelt einen anderen Ausweg.
Sich auf George einzulassen, war ein fataler Fehler gewesen. Sie schimpfte mit sich selbst, dass sie an einen kleinen Funken Mitgefühl und Fürsorge bei George geglaubt hatte. Aber nicht einmal die Tatsache, dass er vielleicht Vater werden würde, hatte etwas in ihm verändert.

Im Laufe des Tages wurde ihr klar, dass sie bei George zwar einen gewissen Schutz erwarten konnte, sie aber dafür auf vielseitige Weise bezahlen musste. Er würde nicht aufhören, sie zu benutzen und zu demütigen. Wahrscheinlich war er gar nicht in der Lage, Gefühle oder Verantwortung zu entwickeln, nicht einmal für sein eigenes Kind. Sie wollte sie auch gar nicht mehr von ihm. Sie war wieder einmal viel zu naiv gewesen. Nur, wie kam sie nun aus diesem Dilemma wieder heraus? Und wohin sollte sie gehen?

Der Fußboden war kalt und schmutzig. Die Kälte kroch langsam in ihre Glieder und ließ sie zittern, egal wie sehr sie sich auch zusammenkauerte und in ihr Nachthemd hüllte. George hatte sich auf ihren Umhang gelegt und gleichgültig verkündet, dass er keine zweite Decke besitzen würde.
Sie wollte die Augen nicht schließen, denn sofort kamen die Bilder wieder hoch, wie George in sie eindrang. Noch immer hörte sie sein Keuchen und wenn sie sich bewegte, spürte sie ihn sogar noch in sich. Sie fühlte sich schmutzig und rümpfte die Nase. Am Besten war es, durch den Mund zu atmen, um den Geruch von George nicht allzu stark ertragen zu müssen.
Als es zu dämmern begann, richtete sie sich so leise wie möglich auf. Ihre Beine fühlten sich eiskalt an, egal wie fest sie darüber rieb. Eine Weile hockte sie wie ein Häufchen Elend auf dem Boden und sah zu George hinüber, der reglos auf seinem Bett lag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und einen Fuß über den anderen gelegt.
Anyas Augen flogen durch den Raum. Wenn sie nun eine Waffe hätte, würde sie einfach über ihn herfallen. Aber der Raum war absolut leer bis auf das Bett und einen kleinen Schrank, der wahrscheinlich nur Kleidung von George beinhaltete. Wieder fixierte sie ihn. Körperlich war sie ihm nicht gewachsen und auch seine Skrupellosigkeit fehlte ihr. Er würde niemals zögern, eine Frau zu schlagen oder zu töten, wenn er einen Vorteil darin sah. Sie hingegen zögerte sogar, obwohl sie jeden Grund der Welt hatte. Aber einzig die Tatsache, dass sein Tod endlich Frieden in Armands Leben bringen würde, war Triebfeder genug.
Während ihre Augen fest auf George lagen, reifte der Plan in ihr. Sie würde ihn ertragen und auf eine Gelegenheit warten, irgendwie eine Waffe hereinzuschmuggeln. Mit der Zeit würde George die Vorsicht verlieren und in seiner überheblichen Art keinen Angriff mehr von ihr erwarten. Sie musste nur einfach durchhalten.
Eine seltsame Ruhe überkam sie, als sie ihren Entschluss gefasst hatte und sogar die Kälte fühlte sich nicht mehr so schlimm an. Sanft legte sie die Hand auf ihren Bauch und hielt stumme Zwiesprache mit dem Kind in ihr. Einfach durchhalten, Kleines. Ich sorge schon für uns Beide. Nur bitte sei das Kind von Armand.

"Ich habe dir nicht erlaubt, aufzustehen." George hatte die Augen noch nicht geöffnet, aber seine Stimme war glasklar und hellwach. Anya zuckte zusammen und hielt in ihrer Bewegung inne, mit der sie sich leise hatte hoch schieben wollen.
"Du wirst doch sicher ein Bad hier haben." meinte sie leise. George öffnete die Augen und betrachtete sie grinsend. "Du könntest eines brauchen. Ich habe keines. Du bist ziemlich verwöhnt, hm? Nebenan steht ein Fass mit Wasser, da kannst du dich waschen. Später." Anya hatte sich gerade erheben wollen, sank aber bei seinem letzten Wort wieder zurück. In ihrem Blick lag Verständnislosigkeit und Ekel vor sich selbst. George richtete sich auf und betrachtete ihren Körper, der sich durch das dünne Nachthemd deutlich abzeichnete. Unbewusst schlang Anya ihre Arme um sich und verbarg ihren Körper so vor seinen Blicken. Amüsiert schwang George die Beine aus dem Bett.
"Ich mag kleine, dreckige Schlampen." Seine Stimme hatte einen schnurrenden Unterton und in seinen Augen glänzte es lüstern. Anya sog die Unterlippe ein. Mühsam rief sie ihren eben gefassten Entschluss in ihr Gedächtnis und zwang sich zur Ruhe und Geduld. Sie würde das ertragen. Lange würde es ja nicht dauern.

1 Kommentar:

  1. Anya ist ein stabiles Wesen geworden. Allerdings frage ich mich, ob sie das wirklich so lange aushält, wie sie glaubt. Und George ist sicherlich in der Lage sie eine ganze Weie gefangen zu halten. Nicht, dass sie seine Skrupellosigkeit immer noch unterschätzt.

    aber dennoch überrascht sie. Sie fast also den Entschluss George zu töten? Ob ihr das gelingt? Hat sie auch die geistige Kraft den Entschluss durchzuziehen? Und vor allem die körperliche. Denn ihr ist natürlich klar, dass sie ihn mit einem Schlag töten oder wenigstens außer Gefecht setzen muss. Sonst wird sie ganz bitter dafür bezahlen.

    Liebe Grüße
    Joe

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