Freitag, 1. Juli 2011

Noctambule II: Pudern ist zwecklos

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Miriams Augen brannten vom vielen Weinen. Nicht einmal kaltes Wasser hatte geholfen, so viel sie sich auch mit beiden Händen in ihr Gesicht geschaufelt hatte. Ihre Nase lief und ihr Gesicht fühlte sich verquollen an. Immer wieder tupfte sie mit dem weichen Taschentuch ihre Nase frei während ihre alte Amme half, das Trauerkleid anzulegen.
Miriam hasste die schwarze Kleidung und hatte gehofft, sie nach der Beerdigung ihrer Großmutter nie wieder anziehen zu müssen.


Sie konnte es noch immer nicht glauben. Sie hatte doch noch mit ihm zu Mittag gegessen! Er hatte zwar immer wieder einmal gekeucht und sich zurückgelehnt, sie aber beruhigt, indem er von einer nahenden Erkältung gesprochen hatte. Und nun sollte er tot sein?
Mama war sehr gefühlvoll gewesen. Sie hatte ihr von seinem Herzproblem erzählt und davon, dass der Ärger der letzten Wochen ihn zu sehr aufgeregt haben müssten. Von da an hatte Miriam mit wüsten Selbstvorwürfen zu kämpfen. Sie war schuld! Hätte sie nicht diesen Unsinn getrieben, hätte er sich nicht so aufgeregt! Und nun konnte sie ihm nicht mehr sagen, dass sie ihn trotz allem geliebt hatte und dass sie ihre Taten bereute.
Nein, stattdessen hatte sie ihm die kalte Schulter gezeigt und versucht, ihn mit ihrem Trotz zu bestrafen. Wieder kam ihr Schluchzen hoch. Sie spürte das liebevolle Tätscheln von Susanne, aber es erreichte sie nicht. Sie hätte nun so gerne in Sergejs Armen gelegen und sich an seiner Schulter ausgeweint. Aber natürlich war der nicht da. Wie auch, er wusste ja nichts von allem.
Dass ihre Abreise nun abgesagt werden würde, beruhigte sie nur am Rande. Mama hatte ihr versichert, dass sie nirgendwohin reisen müsste. Während sie sich angekleidet hatte, waren die Totenwäscherinnen da gewesen und hatten den Comte für die Totenwache vorbereitet. Gleich müsste sie hinunter gehen und ihn ansehen. Ihr graute davor. Sie hatte es bei ihrer Großmutter schon gehasst und trug noch immer die schrecklichen Bilder von der blassen Toten mit sich herum. Zu gerne hätte sie sich nur an die Großmutter zu Lebzeiten erinnert.
Als Miriam von Susanne vor den Spiegel geschoben wurde, sah ihr ein blasses Gesicht mit roten Flecken vom Weinen entgegen. Ihre sonst so schönen, braunen Augen mit den unendlich dichten Wimpern waren rot gerändert und schauten mit großem, verständnislosem Blick in ihr eigenes Gesicht. Susanne hatte Miriams glänzende, braune Haare offen gelassen, was der aktuellen Mode sehr widersprach. Aber zu dieser späten Stunde und zu diesem Anlass fand Susanne eine Ausnahme angebracht und wollte das arme Mädchen nicht noch einer stundenlangen Frisierqual unterziehen. Lediglich an den Seiten waren kleine Strähnen geflochten und diese zurückgezogen worden. Das hielt ihr Gesicht frei und gab den Anschein einer schnellen Frisur.
Miriam war das egal. Sie fand sich schrecklich in diesem schwarzen Kleid. Ihr Anblick erinnerte sie an ihren Vater und schon wieder kullerten die Tränen über ihre Wangen. Noch nie hatte sie sich so schutzlos und kalt gefühlt. Sie fürchtete sich davor, überhaupt an die Lücke zu denken, die er hinterlassen würde. Sie konnte nicht einmal über den heutigen Abend hinaus denken.
"Vielleicht sollten wir doch etwas Puder auftragen, damit die roten Flecken verschwinden." murmelte Susanne und holte die Puderdose. Als sie zurückkam und Miriam weinen sah, ließ sie die Dose mit einem Seufzen sinken.
"Nein, Kleines, pudern hat gar keinen Zweck. Beruhige dich doch bitte wieder." sie zog ihr Mädchen in die Arme und drückte sie fest an sich. Miriams mühsam gefundene Fassung zerbrach und sie weinte sich herzzerreißend an Susannes Schulter aus.

1 Kommentar:

  1. Ach die arme Miriam. Jetzt hat sie keine Chance mehr sich mit dem Vater zu versöhnen.Damit ist einmal mehr gezeigt, was du jemand sagen willst, sags ihm, wenn er noch lebt.

    Und jetzt muss sie Trauer tragen. Wobei ihre Trauer ja scheinbar auch wirklich echt ist.

    Und jetzt auch noch so viel ungebetener Besuch im Haus. Hoffen wir mal, dass das alles gut ausgeht :)

    LG
    Joe

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