Freitag, 24. Juni 2011

Noctambule II: Rückblick - Getrennte Wege

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II


Österreich 1348

Ebru und Siti waren die ersten Opfer der Pest in Kaffa und ihnen würden noch viele folgen. Doch das Heer der Mongolen war noch viel schlimmer betroffen und zwang den Khan zum Rückzug.
Der Angriff mit Pestleichen auf die Stadt hatte den Mongolen nicht den erhofften Sieg schenken können sondern würde nur bewirken, dass die Pest von Kaffa aus über den Seeweg Europa erreichen und dort eine Pandemie auslösen würde.
Die Krankheit breitete sich in schrecklicher Geschwindigkeit aus.

Während sich grausame Szenen in der Stadt abspielten, versuchten Armand und Sergej auf immer längeren Jagdausflügen, gesunde Menschen zu finden, die nicht mit der Pflege Kranker beschäftigt und daher unabkömmlich waren.
Es wurde immer schwieriger, nicht auf Frauen und Kinder zurückzugreifen und schließlich gab Armand auf und beschloss, die Stadt zu verlassen.
Sergej fiel es schwer, sich von dem Haus zu trennen, das so viele Erinnerungen an Siti barg. Er hatte große Schwierigkeiten seine Trauer abzuschließen und oft fand ihn Armand im Garten vor den beiden Gräbern, wo er einfach still seinen Erinnerungen nachhing.
Armand selbst drängte es immer stärker fort. Er spürte, dass er sich nur noch tiefer in seine Trauer stürzen würde und auch wenn er Ebrus Lachen und naive Weisheit sehr vermisste, war ihm doch klar, dass er die Vergangenheit einfach ruhen lassen musste. Aber das konnte er nur, wenn er die Stadt verließ.
So trennten sich die Freunde, versprachen sich aber ein Wiedersehen in genau 25 Jahren in Paris. Armand verließ Kaffa wenige Monate nach dem Abzug der mongolischen Truppen und folgte der Spur der Verwüstung gen Norden, bis sein Weg ihn nach Westen führte. Eine Schiffreise kam für ihn nicht in Frage. Er hätte zwar Seekrankheit vortäuschen und unter Deck dem Sonnenlicht ausweichen können, aber die Besatzung hätte die lange Reise nicht schadlos überstanden.
So zog er über Rumänien und Ungarn in aller Ruhe weiter nach Westen und erreichte schließlich Österreich und damit die östlichen Ausläufer der Alpen. Armand mochte die Berge. Die frische Luft und das Klima taten ihm gut, es gab wenig große Ortschaften aber dafür um so mehr kleine Dörfer und Bauernhöfe, die so weit auseinander lagen, dass die Verbreitung von Nachrichten noch viel länger dauerte als in eng besiedelten Gegenden.
Umso besser konnte er hier jagen ohne dabei eine nachvollziehbare Spur zu hinterlassen. Zudem fühlte er sich hier viel freier. Viele der kleinen Berghütten wurden gar nicht bewohnt, sondern waren Unterkünfte für Jäger und Bergleute, die in ihnen vor Unwettern auf ihren Wanderungen Schutz suchten.
Einer alten Tradition folgend hatte jeder Besucher die Hütte sauber und aufgeräumt für den Nachfolger und wenn möglich auch noch gepökeltes Fleisch zu hinterlassen. So war stets eine gute Unterkunft vorhanden und das wiederum konnte bei den schnell auftretenden Unwettern in den Bergen Leben retten.
Nicht selten kam es vor, dass Jäger von ihren Ausflügen nicht mehr heimkehrten. Die Angehörigen konnten dann nur mutmaßen, was ihnen geschehen sein könnte, eine Spur zu verfolgen war aber recht sinnlos, wenn die Familien nicht genau wussten, wohin der Vermisste genau hatte gehen wollen.
Armand entdeckte so eine hübsche, versteckt liegende kleine Berghütte in der Nähe eines alten Klosters bei Villach und machte es sich dort gemütlich. Der halb verwucherte Weg dorthin sagte ihm, dass hier schon lange keine Besucher mehr gewesen waren und der dicke Staub in der Hütte bestätigte seinen Verdacht.
Hier hatte er beste Möglichkeiten. Zum einen lag unterhalb seiner Behausung ein Pilgerweg zu dem Kloster, zum anderen war die Handelsroute nach Villach selbst nicht weit entfernt und brachte immer wieder einen Strom von Fremden in die Stadt.
Armand genoss das Leben eines Einsiedlers. Nach den vielen Jahren gemeinsamer Reisen mit seinem Freund Sergej war es wie eine völlig neue Erfahrung, plötzlich wieder Einsamkeit zu erleben und er empfand es als Herausforderung, nur noch mit sich selbst auskommen zu müssen und seine Seele zur Ruhe kommen zu lassen.
Sein gutes Gehör und die empfindlichen Augen ermöglichten ihm lange Nachtwanderungen durch die Berge und Täler. Immer wieder einmal entdeckte er dabei eine Höhle oder eine weitere kleine Hütte, die ihn vor Tageslicht schützen konnte und so wurden seine Wanderungen immer ausgedehnter und konnten schon mehrere Tage lang dauern. Doch kehrte er immer wieder in sein neues Zuhause zurück und stets war es unbewohnt und auch nicht zwischendurch besucht worden.

Bei diesen Wanderungen genoss er nicht nur die Natur und die darin lebenden Tiere. Oft belauschte er im Schutz der Dunkelheit Reisende, die sich an Lagerfeuern unterhielten, Nachrichten und Gerüchte austauschten und sich auf die Einkehr im Kloster oder in der Stadt freuten.
Dabei fühlte er sich immer mehr wie ein einsames Raubtier, das seine Beute umschleicht und nur auf den richtigen Moment wartet zuzuschlagen. Doch das Gefühl währte nicht lange, bis es von einem neuen, bekannten Gefühl verdrängt wurde. Er spürte eine neue Präsenz. Anfangs war er sich noch keineswegs sicher, das Gefühl war zu schwach. Doch während der Sommer den Frühling verdrängte wurde er sicher. Er war nicht mehr alleine. Ein anderer Vampir hatte sein Revier betreten.

1 Kommentar:

  1. Aha, auch Vampire haben also eine weitergehende Ethik, was das Töten angeht. Finde ich irgendwie logisch, dass sie dafür sorgen, das es auch später noch Menschen geben wird. Hat etwas von nachhaltiger ähm... Essenswirtschaft.

    Ein Wiedersehen in 25 Jahren. Und es liest sich irgendwie, wie "in einem Jahr sehen wir uns wieder". Zeit hat für Vampire wirklich eine andere Bedeutung.

    Armand als Eremit. Irgendwie eine lustige Vorstellung. Und auch faszinierend, wie man in einem so langen Leben, alles einfach mal ausprobiert haben kann. Und das eben nicht nur für kurze Zeit sondern man könnte alles ein Menschenleben lang ausprobieren.

    Und nun also gibt es einen neuen Vampir. Ob dieser neue ein alter Bekannter ist? Das hätte er doch gemerkt. Ach die Rückblicke sind schon wieder genauso spannend, wie die aktuelle Geschichte. GEMEIN :D

    Gruß
    Joe

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