Samstag, 25. Juni 2011

Noctambule II: Rückblick - Die Wiese

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II


Elsbeth hatte ein breites Lächeln im Gesicht, als sie ihre Lieblingswiese erreichte. Sie hatte diese Wiese zufällig entdeckt, weil sie sich auf der Suche nach Pilzen verlaufen hatte. Beinahe wäre sie zu spät zur Abendlesung gekommen und hatte mit gesenktem Kopf die mahnenden Blicke der Mutter Oberin auf sich genommen.

Doch ihr begeisterter Bericht nach der Lesung hatte die Mutter Oberin zum Schmunzeln gebracht und da eine ihrer Aufgaben das Sammeln von Kräutern, Blüten und Pilzen war erhielt sie die gnädige Erlaubnis, diese schöne Wiese wieder aufsuchen zu dürfen.
In den folgenden Monaten erwiesen sich ihre Besuche als großer Erfolg. Hier oben wuchsen die herrlichsten Kräuter. Manchmal war sie den ganzen Tag hier oben und kehrte mit einem vollen Korb und geröteten Wangen abends erst wieder heim.
Heute war sie ein wenig später dran und außer Atem, weil sie sich so beeilt hatte. Schwester Olga hatte sie aufgehalten und ihr noch einige Aufträge erteilt. Das waren wichtige Dinge, denn übermorgen würde sie endlich ihr Dasein als Novizin beenden und als vollwertige Schwester in den Orden aufgenommen werden.
Elsbeth konnte es kaum erwarten.
Während sie fleißig zu sammeln begann, waren ihre Gedanken bei dem großen Tag. Vor acht Jahren war sie in diesem Kloster warmherzig und wohlwollend aufgenommen worden. Ihre anfängliche Abwehr und Verweigerung verpuffte bald, denn hinter den strengen Regeln und schweren Gebeten entdeckte sie die Liebe, Fürsorge und Zuwendung der Schwestern. Elsbeth verschwieg ihren Eltern, dass hier mehr gelacht wurde als in ihrem Elternhaus. Sie verstand inzwischen, dass ihre Eltern sie einfach nicht mehr hatten ernähren können und aus Verzweiflung hierher gebracht hatten, nicht aus Abneigung.
Übermorgen würde sie ihre Familie wieder sehen, denn sie hatte sie zur Feier des Tages einladen dürfen. Verträumt malte sie sich aus, wie erstaunt Mutter über ihre Veränderung sein würde und wie sehr sich ihre Eltern und Geschwister wohl verändert hatten. Jetzt, mit knapp 17 Jahren, hatte sich Elsbeth zu einer hübschen, jungen Frau verändert.
Von dem mageren Kind mit den viel zu dünnen Beinen und viel zu großen Kniescheiben, war nichts mehr zu sehen. Der Herr mochte ihr die kleine Eitelkeit verzeihen, dass sie sich manchmal etwas zu lange vor dem Spiegel betrachtete und wert darauf legte, dass ihr Ordenskleid ihre schlanke Figur nicht zu stark verhüllte.
Als sie die Glocken aus dem Tal zu sich heraufschallen hörte, setzte sie sich in die Abendsonne und verzehrte ihr Brot nach einem kurzen, innigen Gebet. Danach nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Zwar hatte das Kloster einen eignen, sehr schönen Kräutergarten, doch Elsbeth hatte ihr Talent entdeckt, anhand von Blüten und Wurzeln, die nur hier oben wuchsen, wohltuende Salben und Tees herzustellen.
Für das Kloster war dies eine unschätzbare Eigenschaft und nur die hatte Mutter Oberin auch dazu bewogen, Elsbeth diese Ausflüge zu genehmigen. Normalerweise wurde sie von Schwester Samuela begleitet, doch die Arme wurde heute wieder von diesem schrecklichen Gliederreißen geplagt und so durfte sie alleine gehen.
Doch der schöne Tag wollte nicht schön bleiben. Nach ihrer kleinen Pause begann der Himmel sich zu beziehen und ein kleiner, unangenehmer Wind kam auf. Elsbeth, die den Vorsatz hatte, nur mit vollem Korb zurückzukehren, fröstelte und beeilte sich. Der Wind legte sich Gott sei Dank auch wieder, doch die Wolkendecke wurde immer dichter und verdunkelte die wärmende Sonne.
Am späten Abend beschloss Elsbeth seufzend, den Rückweg anzutreten. Zwar hatte sie noch nicht alles gesammelt, was sie sich vorgenommen hatte, doch wollte sie nicht riskieren, so knapp vor ihrem wichtigen Tag krank zu werden.
Aus Reue über diese egoistische Einstellung murmelte sie ein Gebet und wandte sich zum Gehen. Um möglichst wenige Blumen zu zertreten überquerte sie die Wiese mit gesenktem Kopf und hob den Blick erst, als sie den Waldrand erreichte. Verblüfft blieb sie stehen, als sie den jungen Mann lächelnd an einem Baum gelehnt stehen sah.

1 Kommentar:

  1. Ich ahne schlimmes. Jedenfalls wird wohl das mit dem Gelübde der Keuschheit heute auf eine harte Probe gestellt.

    Fragt sich nur, wer der Kerl ist, der da steht...

    Aber irgendetwas sagt mir, dass er die arme Novizin eher als Futter ansieht.

    Liebe Grüße
    Joe

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