Dienstag, 3. Mai 2011

Noctambule II: Tote Sofie...

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Pierre Nemour mochte sein Leben als einfacher Soldat meistens ganz gerne. Besonders in Friedenszeiten gab es nicht viel zu tun. Ein paar Patrouillen schieben dann und wann und ansonsten konnte man recht gut leben.
Pierre kam am Besten damit zurecht, wenn jemand ihm sagte, was er zu tun hatte. Er hatte noch nie gut eigene Entscheidungen treffen können aber jeder, der ihn kannte, konnte sich felsenfest auf ihn verlassen. Pierre führte seine Aufträge gewissenhaft und zuverlässig aus. Man musste ihm nur genau sagen, was er machen sollte. Das war das Beste am Soldatenleben.

Ein weiterer Vorteil waren natürlich die Frauen. Pierre hatte schnell herausgefunden, dass Frauen seine schicke Uniform mochten. Er fand selbst, dass er besonders gut darin aussah. Und wenn die Frauen ehrfürchtig zu ihm aufsahen, fühlte er sich besonders stark und wichtig. Hauptsache, sie redeten nicht so viel und verlangten von ihm keine großen Unterhaltungen. Darin war er nicht gut.
An diesem Abend war er wie immer pünktlich angetreten. Er wusste nicht, warum das Haus überwacht werden sollte. Aber man hatte ihm gesagt, dass niemand hinein- oder herausgehen durfte, ohne sofort kontrolliert zu werden. Er war gewarnt worden, dass der Hausherr ein brutaler Verbrecher sein sollte. Aber ihm würde so schnell keiner was antun können. Er war kampferfahren und kriegserprobt. So schnell konnte ihm niemand Angst einjagen.
Nun lehnte er schon seit zwei Stunden tatenlos an der Hauswand und starrte auf die Front des zu überwachenden Hauses. Ihm wurde langsam langweilig und sein Tabak ging zur Neige. Das war ärgerlich. Ohne seinen Tabak wurde er immer so schnell reizbar und unruhig. Er seufzte leise. Irgendwie musste er sich seine Reste eben einteilen und das nächste Mal darauf achten, genug mitzunehmen.
Eine winzige Bewegung in seinem Augenwinkel riss ihn aus seinen Gedanken. Er hätte schwören können, kurz ein sehr bleiches Gesicht an einem Fenster des bewachten Hauses gesehen zu haben. Das war eigentlich ganz unmöglich, denn seit Tagen wurde es überwacht und niemand war hinein gegangen.
Trotzdem richtete Pierre sich aufmerksam auf und starrte auf die Fenster. Die Bewegung war im oberen Stock gewesen. Sollte dort jemand sein, würde er Pierres scharfen Blicken nicht entgegen. Das Mondlicht lag direkt auf den Fenstern und würde sofort jeden zeigen, der zu nah an die Fenster kommen würde. Verwirrt fragte sich Pierre, wie derjenige wohl hineingekommen sein mochte.
Seine konzentriert zusammengekniffenen Augen weiteten sich nun ungläubig, als er eine huschende Gestalt auf dem Dach des Hauses bemerkte. Nicht nur, dass er niemanden kannte, der freiwillig auf Dächern herumkletterte, dieser Mann dort oben zeigte eine unglaubliche Schnelligkeit und Wendigkeit. Nach einer Sekunde war die Figur bereits wieder im Schatten eines Schornsteins verschwunden.
Diesmal war sich Pierre sicher. Er hatte einen Mann auf dem Dach gesehen.

Unruhig sah Pierre sich um. Seine Kameraden waren strategisch auf der Straße verteilt. Zwei überwachten die rechte Straßenseite, zwei andere die Linke. Die Beiden, die dem Haus am Nächsten waren, konnten den Eingang gut erkennen und wären schnell genug, wenn jemand versuchen sollte, das Haus zu betreten. Pierre war einer von ihnen.
Er versuchte, seinen Kumpel auszumachen, der ein Stück weiter abwärts an einer Regentonne im Schatten einer Häusernische lehnte. In der Dunkelheit konnte er aber nur dessen Stiefel erkennen, die lässig übereinander geschlagen waren und vermuten ließen, dass der Kumpel ein unbequemes Nickerchen machte. Pierre rieb sich über sein bärtiges Kinn. Rufen würde den Mann auf dem Dach warnen. Verdammt, wieso musste der Idiot pennen?
Pierre hasste es, Entscheidungen treffen zu müssen. Sollte er nun Alarm schlagen oder erst einmal abwarten, was passieren würde? Wenn außer ihm niemand den Mann gesehen hatte, würde man ihm dann glauben oder eher vermuten, dass er im Dienst getrunken hatte? Was wollte der Kerl überhaupt da oben? Und wie war er da hoch gekommen?

Pierre starrte angestrengt auf das Dach hinauf und versuchte, etwas zu erkennen. War der Bursche noch oben? Oder hatte er eine Bewegung verpasst, als er nach seinem Kumpel sah?
Vorsichtig beugte er sich vor und versuchte um die Ecke die Straße entlang zu sehen. Vielleicht konnte er ja den anderen ein Zeichen machen. Aber niemand war zu sehen. Das entsprach ja auch den Befehlen. Sie sollten sich bedeckt halten und möglichst unsichtbar sein.
Pierre traf schweren Herzens eine Entscheidung. Er wollte einen Fehlalarm vermeiden. Im Anpirschen und Schleichen war er gut. Damit sein Schwert nicht klirrend lärmte, legte er die Hand auf den Knauf und huschte die Hauswand entlang. Nach wenigen Schritten erreichte er eine kleine Nische und zog sich dort in den Schatten zurück. Jetzt musste ihn eigentlich einer seiner Kameraden bemerkt haben, wenn sie nicht wieder faul vor sich hin dösten.
Vorsichtig schaute er um die Ecke. Die Straße blieb leer und niemand rührte sich. Pierre unterdrückte ein Fluchen und starrte erneut zum Dach hinauf. Aber von hier aus hatte er keine besonders gute Sicht. Er war schon zu nah. Auch an den Fenstern sah er keine Bewegung mehr. Zu allem Überfluss hatte sich jetzt auch noch eine Wolke vor den Mond geschoben.
Noch während er grübelte, was zu tun war, glaubte er über sich ein Geräusch zu hören, leise und als würde etwas vorsichtig auf Stein rutschen. Ungläubig schaute er nach oben, aber er war zu tief in der Nische, um etwas zu sehen. Wieder musste er eine Entscheidung treffen. Aber dazu kam er nicht mehr.
Das schleifende Geräusch ertönte wieder. Pierre holte Luft, um eine laute Warnung zu brüllen und packte sein Schwert. Der Ruf blieb ihm im Hals stecken. Genau vor ihm sauste ein Schatten herunter und etwas prallte mit dumpfem Aufschlag vor seine Füße.
Sprachlos starrte Pierre auf das Bündel vor sich. Er erkannte unnatürlich verrenkte Arme und Beine. Und das bleiche Gesicht eines toten Mädchens. Als er die offene, blutverkrustete Wunde am Hals sah, klappte sein Kiefer herunter. Das Mädchen war schrecklich tief gebissen worden. Und sein Mörder hatte ihm eben die Leiche vor die Füße geworfen!

3 Kommentare:

  1. George hat ja doch etwas mehr im Kopf. Er hat die Leiche nicht auf der Straße liegen lassen. Aber jetzt will er sie benutzen um Armand und Anya noch weiter in Verruf zu bringen.

    Gar nicht mal so ungeschickt Mr. Squire. Aber sie sind bemerkt worden! Gleich ist es vorbei :) Armand wird dich erwürgen!

    Gruß
    Joe

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  2. mal sehen wie es weiter geht george scheint ja langsam aber sicher vom "schläger" bösewicht zum "listigen" bösewicht aufzusteigen :D

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  3. Ich verschlinge jedes kapitel mit einer Gänsehaut...ich bekomme gar nicht genug hiervon!! Danke das es euch gibt.....!!! :) Eure treue leserin Lulu

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