Freitag, 13. Mai 2011

Noctambule II: Rückblick - Wie schmecken Mongolen?

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Die Genueser hatten aus alten Erfahrungen mit den Blagerungen gelernt und eine doppelte Stadtmauer errichtet, die nach Norden und Osten hin abweisend hoch und dick den Zugang versperrte. Im Westen und Süden Kaffas wurden sie von schroffen Gebirgen geschützt, deren Überwindung sicherlich möglich gewesen wäre, aber die Mongolen hätten beschwerliche Umwege in Kauf nehmen müssen.

Nun hatten sie also über die Ebenen ihr Ziel erreicht. Unzählige Zelte waren errichtet worden, Lagerfeuer und Fackeln erhellten die verschiedenen Lager scheinbar bis an den Horizont, das ständige Schlagen hunderter Trommeln übertönte jedes Geräusch aus den Lagern. Im Licht der Fackeln konnte man deutlich die Fahnen und Banner der Einheiten erkennen. In allen leuchtete ein goldenes Symbol, das Armand noch nie gesehen hatte. Sergej aber offensichtlich doch, denn er schnaufte.
"Das ist die goldene Horde, mein Freund. Der Khan erhebt erneut Anspruch auf Kaffa. Kein Wunder, das ist für ihn mit dem Handel hier die goldene Lösung aller Probleme." Armand hatte noch immer nicht die politische Situation des Heimatlandes seines Freundes erfasst.
"Der Khan? Das heißt, die Genueser sind zu Unrecht hier?" hakte er leise nach. Sergej nickte eifrig mit dem Kopf.
"Allerdings. Sie haben sich hier eingenistet, die Stadt aufgebaut und ein riesiges Handelszentrum erschaffen. Das wollen sie natürlich nicht hergeben und der Khan erklärt regelmäßig das Land als sein Eigentum." erklärte er geduldig, während er die Soldaten im Blick behielt.
"Aha. Verständlich. Mich interessiert gerade viel mehr, wie Mongolen schmecken." murmelte er hungrig und starrte auf die Soldaten. Sergejs spitzes Gebiss blitzte kurz auf, als er grinste. Er ließ sich das nicht zweimal sagen und schwang sich über die Zinnen.
Auch auf der Außenseite rankte Wein, doch hatte man in regelmäßigen Abständen die Ranken entwurzelt und nur die fest mit dem Stein verbundenen Teile an den Mauern gelassen in der Hoffnung, das diese mit der Zeit abfaulten. Die frischesten Rankenteile genügten den Freunden, um schadlos am Boden anzukommen. Für den Rückweg musste sowieso eine ganz andere Stelle herhalten.
Lautlos huschten die beiden Gestalten durch die Böschung und liefen auf eine der Brücken zu, die über die Gräben führten und bald abgerissen oder hochgezogen würden. Ihr schnelles Tempo und die Dunkelheit machte eine Entdeckung beim Spurt über die Brücke eher unwahrscheinlich. So kamen sie ungesehen in feindliches Gebiet und da mit Spähern der Feinde zu rechnen war, blieben die Beiden nun aufmerksam und stets in Deckung von Bäumen und Büschen.
Etliche Male duckten sie sich, um kleinere Trupps an sich vorbei gehen zu lassen und warfen sich staunende Blicke über die Unbeschwertheit zu, mit der die Soldaten schwatzend, lachend und in Seelenruhe an Bäume pinkelnd ihre Runden drehten. Ganz offensichtlich rechnete hier niemand mit einem Angriff aus der Stadt und da sie ohnehin nicht zu übersehen waren, mussten sie ja auch nicht leise sein.
Die Mongolen waren bereits dabei, sich eine kleine Stadt zu errichten. Zelte in allen Größen standen bereits. In ihnen würden Lazarette, Küchen, Badebereiche und Ausschänke zu finden sein. Hoch diszipliniert, wie der Khan es von seinen Truppen erwartete, hatte man sich in seinen Einheiten eingerichtet und hielt Abstand zu den anderen Einheiten.
Auf diese Weise entstanden kleine Stadtteile, in deren Mitte die Oberbefehlshaber ihre Zelte aufschlagen ließen.
Noch immer zogen aus dem Norden Truppen nach. Mit ihnen kamen Frauen, Proviant, Medikamente, Schmieden und Werkstätten aller Art. Hinter dem Nachschub würden noch Familien, Händler und Bettler folgen, die sich nicht hatten abschütteln lassen und von den Führern nicht gern gesehen wurden. Sie würden in weitem Abstand zur Truppe bleiben und auf der Suche nach Verpflegung das Binnenland verwüsten.
"Das können wir niemals alles in einer Nacht umkreisen." zweifelte Sergej nach einigen Stunden und beobachtete interessiert einige Soldaten beim Messerwerfen auf Spielkarten am Rand der Zeltsiedlung.
"Müssen wir auch nicht. Ich habe Hunger und die da sehen recht.. frisch aus. Aber die sind ja so klein?" murmelte Armand. Sein dunkler Blick lag auf einer Gruppe von vier Männern etwas abseits von ihren Zelten, die offenbar lieber heißen Tee tranken und ihre Waffen pflegten, statt dem Alkohol zuzusprechen. Sergej folgte seinem Blick und nickte.
"Du zwei, ich zwei!" teilte er auf, was Armand grinsen ließ.
"Möchtest du noch sagen, welche zwei für dich sind?" bot er übertrieben höflich an. Sergej winkte ab, löste sich aus dem Schatten, ohne zu antworten und näherte sich geduckt der gemütlichen Runde an dem kleinen Feuer.
Armand blieb zurück und beobachtete mit verschränkten Armen, wie sich sein Freund anschlich. Es war immer eine Frage der Anstrengung, zu der man bereit war, um seine Beute zu jagen. Mal beeinflusste man die Menschen und machte sie somit wehrlos, mal suchte man den Kampf. In diesem Fall wäre ein Kampf eher unklug, da der Lärm und die Warnschreie die Kameraden heranholen würde.
Doch Sergej schien das prickelnde Ereignis zu bevorzugen. Als Armand erkannte, dass Sergej nur noch wenige Meter von den Vieren entfernt war, folgte er seinem Freund.
Die beiden Männer tauchten scheinbar aus dem Nichts heraus hinter zwei Soldaten auf. Sie wurden von den beiden ihnen gegenübersitzenden Männern mit höchster Verblüffung angestarrt, denn niemand von den Soldaten hätte mit fremdem Besuch gerechnet. Sie kamen nicht einmal dazu, einen Warnschrei auszustoßen.
Hammergleich droschen geübte Fäuste sie ins Jenseits, während die Zähne schon in die Kehlen der beiden anderen schlugen. Das kurze Rascheln, das gurgelnde Stöhnen der Sterbenden, das Hinfallen der Leichen.. all diese Geräusche gingen in dem Feiern der Betrunkenen weiter nördlich und dem Hämmern der Trommeln unter.

1 Kommentar:

  1. Jemand mit der Faust ins Jenseits befördern ist aber auch schon die 1. Liga im Morden.

    Interessant finde ich übrigens den Gedanken, dass man als Vampir ja nicht nur sich mit der Geschichte befassen kann. Nein man lebt Geschichte. Ein 500 Jahre alter Armand lebt im 18. Jahrhundert. Sanghieri ist 900 geworden sagte Armand. Ergo könnte er mit 'geradeinmal' 700 Jahren das 20. Jahrhundert erreichen. Dan hat man vom finstersten Mittelalter über Renessaince und den Beginn der Industrialisierung alles gesehen. Und eines zieht sich durch die Geschichte wie ein roter Faden.... KRIEG!

    Nun bin ich noch gespannt, wie sich die beiden der Leichen entledigen. Und wir präzise das Räderwerk des mongolischen Heeres ist. Fallen vier Tote Soldaten auf? Wird man Späher oder Kommandotrupps vermuten? Wird das die Verhandlungen beeinflussen?

    Gruß
    Joe

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