Sonntag, 8. Mai 2011

Noctambule II: Plan C

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Annabelle de Moureaux strich seufzend über die Rosenblüte in ihrem kleinen Gewächshaus. Sie liebte ihre Pflanzen und sie genoss es besonders, durch die duftende Blütenpracht zu schlendern und ihre Pflanzen zu betrachten. Während sie hier und da ein welkes Blatt entfernte oder sogar in Schürze und mit Handschuhen bewehrt Blumen einpflanzte, hatte sie Zeit ihre Gedanken zu ordnen und selbst zur Ruhe zu kommen.

Heute musste sie vieles ordnen und neu bedenken. Es war eigentlich viel zu dunkel, um ihre Blumen zu betrachten und der schwache Kerzenschein verlor sich schnell in der Dunkelheit. Dennoch war sie hierher geflohen, um die Entscheidung ihres Gatten zu überdenken.
Die Ehe zwischen ihr und dem Comte war eine reine Zweckheirat gewesen. Eine Absprache beider Väter. Der Comte und sie waren damals noch jung und unerfahren, aber sie hatten es geschafft, zueinander zu finden und sich irgendwie zu arrangieren.
Annabelle hatte nie großen Wert auf Treue gelegt. Ihre Mutter hatte ihr zeitig beigebracht, dass Männer nun einmal von Natur aus dazu zu neigen schienen, sich öfter bei anderen Frauen aufzuhalten als bei ihren Angetrauten.
Dafür aber hatten sie meistens ein schlechtes Gewissen, das man gut nutzen musste. So kamen die Damen zu ihrem Schmuck, Kleidern und vielen anderen Annehmlichkeiten und wenn Annabelle ehrlich war, dann nahm sie ihm seine kleinen Abenteuer nicht einmal übel. Dadurch ließ er sie viel eher in Ruhe, war sanft und ausgeglichen zu Hause und ließ ihr diesen wunderschönen, großen Wintergarten bauen, den sie bequem und trockenen Fußes vom Haus aus erreichen konnte.
Sie kannte seine Neigungen gut und legte großen Wert darauf, als treusorgende Ehefrau auf seine Wünsche zu reagieren. Bestenfalls schon bevor er sie aussprach. Auf diese Weise hatte sie einen gewissen Überstatus für ihn erlangt. Sie umsorgte ihn mit großer Fantasie. Es gab ausschließlich Speisen, die er bevorzugte. Sie bereitete ihm immer wieder wohltuende Kräutertees gegen seine Gichtanfälle, ließ seine Lieblingspralinen aus Paris kommen und brachte ihm persönlich sein abendliches Glas Wein, bevor sie zu Bett ging.

Wenn er aufgewühlt und verärgert war, musste sie lediglich ihre Brüste freilegen und sämtliche Gedanken waren in seinem Kopf verschwunden bis auf einen einzigen: Sein Gesicht in dieser weichen, üppigen Pracht zu vergraben und den herrlichen Duft ihrer Haut einzuatmen.
Für sie waren es nur einige Minuten des Durchhaltens, was mit den Jahren einfach geworden war: Augen schließen und stur lächelnd an Haushaltsdinge denken. Und allzu oft kam es ja nicht vor.
Der Comte hatte die Erziehung seiner einzigen Tochter ausschließlich seiner Frau überlassen. Nun aber hatte er sich eingemischt und war noch nicht einmal durch das Entblößen ihrer Brust davon abzulenken gewesen. Annabelle seufzte erneut. Sie kannte ihn und ahnte, dass es schwer werden würde, ihn von seiner Überzeugung abzubringen.

Annabelle und ihre Tochter hatten sich ein inniges Verhältnis aufgebaut, überwiegend dadurch zusammengeschweißt, dass Miriam sich in allen Fragen stets an ihre Mutter gewendet hatte. Dass Annabelle nun durch die Entscheidung ihres Mannes ihr Kind verlieren sollte, brachte ihr Blut zum Brodeln. Wie konnte er nur? Machte er sich denn überhaupt keine Gedanken darum, wie es ihr mit seiner Entscheidung erging? Hatte er jemals überhaupt an ihre Bedürfnisse gedacht?
Sie nahm ihre Kerze und schlenderte langsam durch die Gänge. Der Duft feuchter Erde, gemischt mit etlichen Blütendüften, verhalf ihr jedes Mal zu klaren Gedanken. Nie hatte sie sich beschwert oder irgendetwas Besonderes verlangt. Dass er ihr nun das einzige Kind entreißen wollte und so eine große Distanz zwischen sie zu legen gedachte, war einfach zu viel. Sie musste einen Ausweg finden.
Die eine Möglichkeit wäre, ihn zu überreden, Miriam nur irgendwo innerhalb Frankreichs unterzubringen. Sollte das nicht gelingen, musste sie ihn eben verlassen und Miriam begleiten. Das war nicht einmal so ungewöhnlich. Viele Frauen begleiteten ihre Töchter, um ihnen in der ersten Zeit der Ehe beizustehen. Schließlich war keine Schwiegermutter ein guter Ersatz für die eigene Mutter. Der Comte würde ihr eine hohe Courtage zur Verfügung stellen und hier sein Leben noch viel mehr genießen.
Während sie aus reiner Gewohnheit ab und zu ein Blatt zupfte, fand sie mehr und mehr Gefallen an Plan B. Doch als sie sich zum Gehen wandte, befiel sie ein neuer Gedanke und sie blieb stehen, um sich noch einmal ihrem geliebten Garten zuzuwenden.
Miriam würde irgendwann ihr eigenes Leben führen, in dem sie als alte Mutter keinen Platz mehr hatte. Sollte sie dies alles hier dafür aufgeben, um später ihrem Kind auf die Nerven zu gehen? Und noch schlimmer: sollte sie deswegen ihre innig gepflegten Kräuter und Blumen im Stich lassen?
Ein kühles Lächeln glitt kurz über ihr Gesicht. Plan C reifte heran.

1 Kommentar:

  1. So war das also mit dem Frauengesteuerten Patriarchat :)

    Nun bin ich aber irgendwie auch schwer gespannt, was dieser ominöse Plan C nun sein könnte?

    Sie schickt Papa weg? Sie ziehen zu dritt um? Das kommt doch kaum in Frage?

    Liebe Grüße
    Joe

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