Mittwoch, 13. April 2011

Noctambule II: Rückblick - Der Sklavenmarkt von Kaffa

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II


Ebru war sehr nervös. Sie spürte, dass sie hier an einem weiteren Wendepunkt ihres Lebens angekommen war ohne zu verstehen, was überhaupt vorging. Seit ihrer Ankunft in dieser großen Stadt herrschte nur noch Trubel und sie konnte sich nicht satt sehen an all den Farben, den fremdländischen Menschen mit ihrer bunten Kleidung, der hellen Haut und den großen, runden Augen.
Sie verstand die Sprache nicht, die hier überall zu hören war und zog eingeschüchtert den Kopf ein, wenn jemand sie ansprach.

Verzweifelt klammerte sie sich dann an die Hand ihrer älteren Schwester Siti, die aber genau so zitterte wie sie selbst. Die beiden Mädchen vermissten ihre Familie schrecklich, hatten sich aber damit abgefunden, nie wieder den Weg nach Hause zu finden. Seit dem Überfall auf ihr Dorf hatte sich alles verändert.
Ihre Eltern hatten sie immer wieder gewarnt. Eines Tages könnte es passieren, dass auch sie entführt würden. Es war an der Tagesordnung, dass Dörfer überfallen und junge Menschen geraubt wurde, Mädchen wie Jungen, besonders Mädchen wie sie und Siti, die gerade im heiratsfähigen Alter waren. Auch Ebru war bereits einem Jungen versprochen gewesen. Aber das war nun nicht mehr wichtig.
Wichtig war, dass sie ihren Namen und die Familie weiterhin ehrten und nicht mit Ungehorsam oder Feigheit beschämten. Unzählige Male hatten sich die Schwestern seither geschworen, die alten Geschichten ihrer Familien zu bewahren und später einmal ihren Kindern weiter zu geben. Dabei konnte keines der Mädchen die Frage beantworten, wo sie einmal leben und wen sie heiraten würden.

Während der langen und entbehrungsreichen Reise hatte man sie grob behandelt und manchmal sogar geschlagen. Am Schlimmsten war das Brandzeichen der Sklaverei gewesen, das in ihre Oberarme gebrannt worden war, doch niemand hatte sich je an ihnen vergriffen. Im Gegenteil, man hatte strikt darauf geachtet, dass sie mit keinem der Jungs aus ihrem Dorf Kontakt hatten, auch nicht später, als andere Gefangene hinzukamen, mit fremden Männern.
Ebru hatte vergessen, wie lange sie nun schon unterwegs waren.
In einer Stadt hatte man sie an einen älteren, sehr mürrischen Mann verkauft, den alle Signore nannten. Man hatte sie auf ein Schiff getrieben, wo sie in schrecklich engen, dunklen und schlecht belüfteten Räumen unter Deck bleiben mussten, und Ebru hatte mit der Zeit einige Brocken der seltsamen Sprache aufgefangen.
Sie hatten neue Kleider bekommen, sogar Decken für die Nächte. Nach einiger Zeit hörte sie auf, ihre Schwester mit Fragen zu löchern, wohin man sie brachte. Das wusste wohl niemand so genau. In den letzten zehn Tagen durften sie öfter baden, das Essen wurde besser und der Signore war nicht mehr ganz so schlecht gelaunt.
Warum, das wusste Ebru nicht so genau. Siti meinte, das läge daran, dass unterwegs nicht so viele krank geworden oder gestorben waren. Aber Ebru wollte nicht glauben, dass der Signore sich wirklich Sorgen um sie und ihre Mitgefangenen machte. Er hatte sie nur ein einziges Mal genau angesehen, dann genickt, ihre Wange getätschelt und ein frisches Kleid geben lassen. Sie bezweifelte, dass er überhaupt ihren Namen kannte.

Heute morgen in aller Frühe hatte man sie von Bord getrieben und hier in der Nähe des Hafens in diesen albernen Pferch gesperrt, der eher für Pferde geeignet war. Zum Schutz vor der Sonne war ein großes Tuch über ihnen aufgespannt und in einem kleinen Holzhaus durften sie ihre Notdurft verrichten.
Den ganzen Tag hatte sie sich dicht an Siti geklammert und beide hatten gebetet, dass man sie nun nicht getrennt verkaufte. Sie wussten nicht, wie sie das verhindern sollten und beruhigten sich gegenseitig immer wieder damit, dass sie einander schworen, die andere niemals zu vergessen.
Immer wieder waren Menschen an ihrem Pferch vorbei gegangen, hatten mit Signore gesprochen und hin und wieder wurde ein junger Mann herausgeholt. Niemand kehrte zurück und von den Frauen war noch keine einzige weggebracht worden. Erst gegen Abend trennte man eine Mutter von ihrer Tochter in Ebrus Alter. Das Mädchen kam nicht wieder zurück und die Klageschreie der Mutter wurden schließlich mit derben Schlägen unterbrochen. Seither bebte Ebru und ließ Sitis Arm nicht mehr los.
Nun war die Dunkelheit bereits über ihnen herein gebrochen. Ebru hatte Hunger und Durst, wagte aber nicht, nach Essen zu fragen. Die Menschenmassen wurden dichter, seitdem die starke Hitze nachgelassen hatte. Fackeln erhellten den Markt, der Stimmenlärm hatte zugenommen und Männer auf kleinen Holztribünen lockten wie Marktschreier Kunden an.

Ebru hatte im Laufe der Zeit ihren Aufpassern heimliche Namen gegeben. Es gab Dickbauch, Krummbein, Langhals, Esel, räudiger Hund, Blauauge und Weißhaar. Es war Blauauge, der nun plötzlich direkt auf sie zuging und sich auch nicht von ihrem heftigen Kopfschütteln beirren ließ. Er packte ihren dünnen Oberarm und löste mit einer geschickten Drehbewegung ihre andere Hand von Sitis Kleid. Wimmernd musste sie sich mitzerren lassen und hatte noch einen Blick über die Schulter zu Siti werfen können, um zu sehen, dass Weißhaar sie auch packte und hochzog.

2 Kommentare:

  1. Jetzt bin ich mal gespannt, wer die beiden Mädchen kauft. Irgenwie suggeriert die ganze Angelegenheit ja schon, dass Armand und sergej sich der beiden annehmen. Aber kommt es wirklich so?

    Sicherlich wäre es der fügsamkeit arg zuträglich, man würde die beiden nicht trennen. Aber ob die Sklavenhändler weitsichtig genug sind dafür, und ob armand und Sergej diesen Zusammenhang bemerken?

    Und dürfen die zwei kleinen Sklavinnen am Leben bleiben oder enden sie irgenwann als Mitternachtssnack?

    Was ich mich noch frage: Wie verhindern die beiden, dass die Sklavinnen tagsüber, wenn sie nicht verfolgt werden können, weglaufen? Gerade, da sie ja sicherlich Aufgaben wie das tägkliche Einkaufen erledigen sollen?

    Gruß
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.