Donnerstag, 24. März 2011

Noctambule: Epilog II

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Anya ließ von dem zuckenden Körper ab und erhob sich, während sie mit dem Handrücken über den blutverschmierten Mund fuhr.
"Du hast Recht! Angst versüßt das Blut wirklich! Es schmeckt köstlich!" raunte sie mit ihrer weichen, singenden Stimme ohne sich umzusehen. Lautlos trat ein Schatten zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sergej lächelte leicht.
"Das war schon nicht schlecht. Genau richtig, um seine Brüder anzulocken." lobte er sie. Anya lächelte mit funkelndem Blick. Noch während die drei Brüder geschlafen hatten, waren die Beiden um das Haus geschlichen und hatten durch die Fenster gesehen. Dass Matteo genau in ihre Richtung marschiert war, erleichterte ihnen viel. So hatte Sergej seine Beute nicht so weit zu tragen und auch er musste mit seinen Kräften haushalten.

Das feine Gehör der Beiden nahm die hektischen Rufe der Brüder war, die erschrocken aus dem Haus eilten.
"Matteo! Was ist los? Wo bist du? Matteo!!" Lautlos zogen Anya und Sergej sich in den Schatten der Reben zurück. Sie verständigten sich mit kurzen Blicken, dann verschwand Sergej. Die Brüder hatten sich getrennt und rannten rufend durch die Reihen. Anya huschte dem hochgewachsenen Luca entgegen. Mit einem katzenartigen Sprung setzte sie über eine Pflanzenreihe und landete federnd nur wenige Schritte vor dem jungen Mann, der erschrocken abbremste.
Lucas Puls raste von seinem Spurt. Ungläubig betrachtete er die junge Frau vor sich. Er hatte keine Ahnung, was sie hier suchte. Aber wenn sie der Grund für Matteos Schreie war, dann wurde ihm einiges klar. Dieser Tölpel war einfach nur erschrocken. Er konnte nichts mit Frauen anfangen. Sicher war er weggerannt. Das würde Luca nicht passieren. Ein breites Grinsen legte sich auf sein Gesicht.
"Aber Hallo, wo kommst du denn her?" Anyas Gesicht verzog sich zu einem lieblichen Lächeln, das nicht ihre Augen erreichte. Auf lautlosen Sohlen näherte sie sich ihm und musste den Kopf heben, um in sein Gesicht zu sehen. Mit starrem Blick fixierte sie seine Augen. Lucas Lächeln erstarrte ungläubig. Wortlos hielt Anya seinen Blick gefangen. In ihrem Kopf herrschte nur ein Gedanke, den sie ständig wiederholte und an Luca sandte.
"Geh einfach gerade aus. Geh zur alten Mühle!" Luca begann mit staksigen Schritten zu gehen. Anya trat einen Schritt zur Seite, wachsam und sprungbereit. Aber Luca ging einfach geradeaus durch die Rebenreihe. Nur dreißig Meter weiter stieß sein Bruder einen gellenden Schrei aus, der in einem gurgelnden Stöhnen endete. Luca reagierte nicht darauf und Anya folgte ihm mit breiter werdendem Lächeln.
Es war geradezu kinderleicht, einem erwachsenen Menschen ihren Willen aufzuzwingen. Sergej hatte ihr erklärt, was sie tun musste. Luca gehorchte besser als sie erwartet hatte. Mit hölzernen Bewegungen stampfte er den Weg entlang zur alten, verlassenen Mühle, in der sich die drei Vampire verkrochen hatten. Anya folgte ihm immer gelassener, nachdem sie merkte, dass er komplett unter ihrer Kontrolle stand.
Der junge Bauer schrak nicht zusammen, als Sergej mit einem Sprung über die mannshohen Reben vor ihm landete. Er ging einfach weiter, umrundete den verblüfften Sergej und beachtete ihn nicht weiter. Sergej sah der grinsenden Anya perplex entgegen.
"Du bist mir unheimlich." meinte er und gesellte sich neben sie. Anya nickte kurz, hielt ihren Blick aber auf Lucas Rücken gerichtet.
"Es geht wirklich einfach." meinte sie zufrieden. Sergejs Brauen hoben sich.
"Das ist frustrierend! Du bist eine Unreine! Die können so was nur nach langem Üben! Halt dich doch mal an das, was ich kenne." maulte er gut gelaunt. Anya zuckte mit den Schultern und wartete, bis Luca die Tür der Mühle öffnete, die er gerade erreicht hatte.
"Später, mein Freund. Jetzt erstmal muss Armand Kraft schöpfen." murmelte sie und ließ Luca die Mühle betreten.
Armand lag bequem auf einem Lager, das sie aus Stroh gebaut hatten. Ein Stück Stoff war um seinen Kopf gebunden, um seine entzündeten Augen zu schonen und vor Staub oder Verletzungen zu schützen, falls er blind umhertappte und stürzte oder ihm Zweige ins Gesicht schlugen. Anya und Sergej hatten ihn eilig aus der Stadt hinausgeschafft und nach einem Tag in der alten Ruine dann schließlich Unterschlupf in dieser Mühle gefunden. Sie waren sich einig, dass Armand im Augenblick nicht reisen konnte und Ruhe brauchte, um sich zu erholen.
Nachdem sie herausgefunden hatten, dass hier drei Brüder lebten und Wein anbauten, beschlossen sie die Jagd. Als sie eintraten, hob Armand den Kopf und lauschte. Anya war sofort bei ihm, nachdem Sergej die Steuerung von Luca übernommen hatte. Wie eine Marionette tappte der junge Mann zu Armands Lager und kniete sich dort auf den Boden.
Liebevoll griff sie nach seiner suchend tastenden Hand und half ihm, sich sitzend aufzurichten.
"Ich riechen einen Menschen?" Er formte seine Feststellung zu einer Frage. Noch immer hatte ihn niemand darüber aufgeklärt, was mit Anya geschehen war. Erst jetzt, durch das Wittern des jungen Bauerns, begriff er, dass er Anya nicht wie gewohnt wahrnahm, obwohl er sie hörte und fühlte. Und Anya nickte aus alter Gewohnheit, obwohl er es nicht sehen konnte.
"Er kniet rechts von dir. Bedien dich." flüsterte sie. Armands Nasenflügel blähten sich kurz. Mit einer geschmeidigen Bewegung wandte er den Kopf in die richtige Richtung als könnte er sehen. Nicht zu weit und nicht zu kurz.
"Und Sergej?" fragte er skeptisch. Seinem Hunger nach zu urteilen, würde er nur schwer teilen können, wenn er erst einmal angefangen hatte.
"Wir brauchen nichts. Wir hatten schon." antwortete Sergej nun für Anya. Armand konnte sich nicht weiter zurückhalten. Seine Hand fuhr zum Hals des jungen Mannes, der teilnahmslos vor ihm kniete, packte ihn und zog ihn zu sich. Ohne zu zögern grub er seine Zähne in den Hals und trank mit gierigem Stöhnen. Anya beobachtete ihn mit einer Mischung aus Kummer und Freude. Das Mahl würde ihn stärken und seine Heilung beschleunigen. Aber wenn sie seine verbrannte Haut sah und an seine entzündeten, blinden Augen dachte, dann überkamen sie massive Zweifel, ob er wieder komplett gesund werden würde. Selbst Sergej war sich nicht sicher gewesen.
Minuten später sank Armand zurück. Sergej griff nach dem Sterbenden, der bereits bewusstlos geworden war und zerrte ihn aus der Mühle hinaus. Dabei warf er Anya einen bedeutungsvollen Blick zu. Er würde eine ganze Weile nicht zurück kommen.
Anya setzte sich neben Armand. Sie wagte nicht, ihn zu berühren, denn sein ganzer Oberkörper war der Sonne ausgesetzt gewesen und die Haut stellenweise noch immer offen. Armand atmete schwer. Geduldig wartete sie neben ihm, bis er sich beruhigte und mit den Fingern nach Anyas Hand tastete.

1 Kommentar:

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