Mittwoch, 23. Februar 2011

Noctambule: Kein Wort!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Maurice löschte kopfschüttelnd die Kerzen. Dass sein Herr sich Nachts gerne draußen herum trieb, war inzwischen nichts Neues mehr für ihn. Aber dass Madame nicht heimkehrte, beunruhigte ihn inzwischen. Hinzu kam, dass Monsieur plötzlich ganz entgegen seiner langen Schlafgewohnheiten plötzlich im Haus herumrannte und schließlich einfach wortlos hinausstürmte.
Maurice hatte dem ratlosen Personal aufgetragen, das Essen wie gewohnt zuzubereiten. Aber nachdem niemand auftauchte, gab er das inzwischen kalte, aber immer noch köstliche Essen an das Personal frei und schickte alle anschließend schlafen. Er selbst wollte wach bleiben und die Heimkehr der Herrschaften abwarten.


Er vertrieb sich die Zeit damit, durch das Haus zu wandern und mit seinen Fingern prüfend über Türrahmen oder Bilderrahmen zu fahren, um staubige Ecken zu finden und am nächsten Morgen das Dienstmädchen zur Rede zu stellen. Wieder einmal blieb er sinnierend vor der verschlossenen Tür stehen. Er wüsste zu gerne, was sich dort verbarg und wer dort für Ordnung sorgte. Dass auch die Zugänge von Armands und Anyas Zimmer verschlossen waren, wenn niemand zu Hause war, hatte er längst heraus gefunden. Doch er hielt sich an das Verbot und sank schließlich im kleinen Salon auf einen Sessel, um vor sich hinzudösen.

Das heftige Hämmern an der Tür riss ihn aus dem leichten Schlaf. Müde fuhr er hoch und hastete zur Eingangstür, während er schnell den perfekten Sitz seiner Kleidung kontrollierte. Als er die Tür öffnete, hatte er sich so weit unter Kontrolle, mit gleichmütigem Gesichtsausdruck zu wirken, als wäre es völlig normal, noch vor Tagesanbruch die Haustüre zu öffnen und gleichzeitig – falls Fremde so dreist sein sollten – leicht borniert zu wirken.
Sein Gesicht entgleiste jedoch fassungslos, als er zwei klatschnasse Gestalten vor sich sah. Er erkannte Sergej sofort als diesen seltsamen Freund Monsieurs. Schlimmer aber war, dass sein Dienstherr bewusstlos und aus einer schrecklichen Wunde blutend auf Sergejs Armen lag.
"Guter Gott!" stieß er hervor und riss die Tür auf, nicht ohne schnell nach draußen zu sehen, ob irgendein unerwünschter Beobachter in der Nähe war. Beruhigt schloss er die Tür hinter Sergej und wies in den Salon.
"Vielleicht legt Ihr ihn erstmal dort auf das Sofa! Ich lasse sofort einen Arzt rufen!" schlug Maurice vor. Aber Sergej schüttelte heftig den Kopf.
"Nicht nötig! Zeig mir sein Zimmer. Ich bin selbst Arzt!" log er keuchend. Allmählich ging ihm die Kraft aus. Armand schien Tonnen zu wiegen. Maurice deutete die Treppe hinauf und eilte konfus hinterher, um Sergej die Türe zu öffnen und zuzusehen, wie er seine Last ächzend auf das Bett legte.
"Ich brauche Verbandszeug. Tücher, Wasser.. heißes und kaltes bitte. Und weck Madame." verlangte Sergej knapp und lehnte sich erschöpft gegen den Bettpfosten. Maurice, der sich gerade hatte abwenden wollen, hielt inne und schaute ratlos. Es widerstrebte ihm, dem Besucher zu offenbaren, dass Madame verschwunden war. Das warf ein schlechtes Licht auf seine Herrschaft. Allerdings war dies ein Notfall und dieser Mann hier offensichtlich ein Freund der Beiden.
"Madame.. eh.. sie ist nicht da, Monsieur." erklärte er dann.
"Was soll das heißen?" Sergej gaffte den Butler verblüfft an. Maurice breitete ratlos die Arme aus.
"Sie ist am frühen Nachmittag zu einem Picknick aufgebrochen und bis jetzt nicht zurückgekehrt." Sergej gaffte Maurice fassungslos an. Allmählich baute sich eine Szenerie vor seinem inneren Auge auf, die er lieber nicht zu Ende denken wollte. Hastig blinzelnd rief er sich zur Ordnung.
"Darum kümmern wir uns später. Ich brauch die Sachen!" befahl er und scheuchte den Butler damit aus dem Zimmer. Während er auf dessen Rückkehr wartete, öffnete er vorsichtig die von getrocknetem Blut hart gewordene Kleidung und legte den Oberkörper frei. Nun sah er auch diverse Prellungen und Schürfwunden, die von einem harten Kampf zeugten. Sergej wurde immer flauer im Magen.
Als Maurice mit einer dampfenden Schüssel Wasser und einem Stapel Tücher zurückkam und Armands Körper sah, stöhnte er entgeistert auf. Sergej hatte Armand die nasse Kleidung komplett ausgezogen und eine leichte Decke über den nackten, muskulösen Körper gelegt. Den Oberkörper hatte er unbedeckt gelassen, um ihn genauer zu untersuchen. Hastig stellte Maurice die Sachen ab und verschwand noch einmal für einen Krug kalten Wasser, den er Sekunden später hereinschleppte. Sergej nickte ihm dankend zu.
"Lass uns allein, Maurice. Ach und noch etwas! Kein Wort davon zu irgendjemandem. Nicht zum Personal, nicht zu Besuchern! Kein Wort, verstanden?" Maurice blinzelte ihn an.
"Aber… soll ich nicht lieber die Garde verständigen?" Sergej schüttelte heftig den Kopf und begann, Tücher zu zerreißen.
"Nein! Ich sagte KEIN WORT! Wenn jemand nach ihm fragt, dann ist er nicht da. Mit Madame kurz verreist. Mehr weißt du auch nicht." befahl er noch einmal. Maurice war noch immer kreidebleich. Aber er nickte und schluckte heftig.
"Sehr wohl, Monsieur." In diesen drei Worten lagen Missbilligung, Tadel und Zweifel. Aber ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als diesem seltsamen Freund zu vertrauen und sich an dessen Anweisungen zu halten. Er war viel zu überfordert mit dieser Situation. Eilig verließ er das Zimmer und plumpste draußen verwirrt auf einen Stuhl. Hier wollte er warten, um sofort da zu sein, falls nach ihm gerufen wurde.

1 Kommentar:

  1. ja ein butler ist nicht da um zudenken sondern um zu lenken :D

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