Freitag, 25. Februar 2011

Noctambule: Hilflos wie ein Mensch

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Sergej konnte Maurice nach Luft schnappen hören. Auch er hatte das Halsband sofort erkannt. Da Armand wie erstarrt auf das Halsband stierte, nahm er seinem Freund den Umschlag ab und wühlte darin. Er fand einen kleinen, zusammengefalteten Zettel und schlug ihn auseinander.
"Das braucht sie nicht mehr. Wenn du sie noch lebend in Florenz wieder sehen willst, dann solltest du dich beeilen." las er langsam vor. Seine Augen hoben sich zu Armand. Dieser starrte noch immer reglos auf das Halsband. Seine Brust hob und senkte sich als wäre er gerannt. Als er langsam seine Augen zu Sergej hob, zuckte sein Freund zusammen. Die schwarzen Augen glühten hasserfüllt. Ein harter Zug hatte sich in Armands Gesicht gesetzt.


"Maurice! Du bestellst sofort eine Equipage! Geschlossen! Vierergespann mindestens. Sechs Pferde wäre besser. Gib dem Personal frei. Du selbst hütest das Haus. Ich werde eine Weile nicht erreichbar sein!" befahl er knapp. Maurice deutete eine Verbeugung an und verschwand sofort aus dem Zimmer.
"Du willst doch in deinem Zustand nicht in einer Kutsche hocken?" blaffte Sergej ihn an. Armand stöhnte verzerrt als er sich mühsam aufrichtete.
"Will ich! Halts Maul und hilf mir lieber. Ich muss mich anziehen!" knurrte Armand und streckte die Hand nach seinem Freund aus. Sergej musste grinsen. Er selbst hätte nichts anderes getan. Behutsam half er seinem Freund in frische Kleidung. Jede Bewegung verursachte Schmerzen und ab und zu konnte Armand ein Stöhnen nicht unterdrücken.
Als er fertig angezogen war, sank er erschöpft auf sein Bett zurück.
"Verdammt. Ich bin hilflos wie ein Mensch!" ächzte er zornig. Sergej lachte vergnügt und tätschelte Armands Arm.
"Stimmt! Du solltest dich unbedingt ausruhen." schlug er vor. Aber seine Worte gingen ins Leere. Armand war bereits eingeschlafen.


Während Armand sich im Schlaf ein wenig erholte, streifte Sergej unruhig durch das Haus. Seine Gedanken kreisten. Bei seiner Suche nach Armand hatte er George und Isabelle nicht wahrgenommen. Bedeutete das nun, dass die Beiden nicht mehr in Marseille gewesen waren oder dass er vor lauter Sorge nicht auf sie geachtet hatte? Er vermutete Ersteres. Die Zwei verschleppten Anya nach Florenz. Aber warum?
Offenbar sollte Anya als Lockvogel dienen. Und was erwartete ihn und Armand dort? Das Wort Familie sackte wie eine Drohung in Sergejs Bewusstsein. Unbehaglich ging er im Salon auf und ab. Das Tageslicht blendete ihn zwar, aber die Sonne schien nicht direkt hinein. Energisch zog er die Vorhänge zu und lümmelte sich in einen Sessel.
Familie also. Und was könnte George damit bezwecken? Sergej hatte keine Ahnung. George selbst hatte einen Mord auf dem Gewissen. Es war unwahrscheinlich, dass sich George der Gefahr aussetzte, selbst von einem alten Vampir gelesen zu werden. Wenn es also nicht die Familie war, musste George etwas ganz anderes planen.
Nachdenklich rieb sich Sergej das Kinn und drehte sich gedanklich im Kreis. Der Türklopfer riss ihn aus seinen Gedanken. Lauschend hob er den Kopf und hörte Maurice an der Tür.
"Tut mir leid, Mademoiselle, Monsieur Sartous ist leider nicht anwesend. Madame ebenso wenig." Maurice Stimme wirkte gelangweilt abweisend. Sergej musste grinsen. 'Braver Mann' dachte er zufrieden.
"Aber ich MUSS ihn sprechen!! Ich MUSS!! Es ist ganz, ganz schrecklich dringend!" Sergej lauschte auf. Die Stimme klang eher nach einem jungen Mädchen, das sich in einer verzweifelten Lage befand. Hatte Armand denn noch weitere Geheimnisse, die Sergej wissen sollte? Geschmeidig schob er sich aus dem Sessel und krempelte seinen Ärmel wieder herunter.
"Ich kann ihm gerne eine Nachricht hinterlegen, Mademoiselle. Es tut mir wirklich leid.." Maurice versuchte tapfer dem jugendlichen Ansturm gerecht zu werden. Sergej verließ den Salon und gesellte sich zu ihm. Amüsiert blickte er in große Mädchenaugen, die bettelnd an Maurice hingen. Das Mädchen hatte die Hände an der Brust zusammengepresst und war am Rande der Verzweiflung. Ob sie ihr Schirmchen verloren hatte? Nun blickte sie verwirrt zu dem Fremden auf.
"Mademoiselle! Ich bin ein Freund von Armand. Kann ich vielleicht helfen?" schaltete er sich ein. Neben ihm atmete Maurice missbilligend durch. Das Mädchen schüttelte heftig den Kopf.
"Nein, nein, das könnt Ihr nicht. Ich muss Armand sprechen. SOFORT! Oh Himmel, was soll ich denn jetzt machen?" Sergej runzelte die Stirn. Sanft griff er ihren Arm und zog sie ins Haus. Sie ließ sich willig führen, flehend an seinem Gesicht hängend.
"Immer mit der Ruhe. Was kann denn so wichtig sein, dass Ihr so verzweifelt seid?" brummte er beruhigend. Maurice schloss die Tür mit unzufriedenem Nachdruck wieder.
"Ich bin Miriam. Anyas Freundin. Ach, Ihr könnt mir nicht helfen, leider. Kann ich hier auf Monsieur Sartous warten? Bitte!" Sergej machte einen Kratzfuß und lächelte leicht amüsiert. Die kleine Klette war ein wenig anstrengend.
"Nein, das könnt Ihr leider nicht. Das würde nichts bringen, junge Dame, denn Armand ist verreist. Ich erfuhr es auch eben erst." Miriam lief im Zimmer auf und ab. Wenn dieser Mann hier ein Freund von Armand war, dann hatte er vielleicht eine Idee, wie man Armand erreichen konnte. Mit großen Augen sah sie zu ihm auf.
"Wisst Ihr, das ist so…" begann sie hektisch. "Anya war gestern mit mir bei einem Picknick und hat sich den Fuß verletzt. Und der Herzog hat sie nach Hause bringen wollen. Aber gerade hat Papa die Nachricht bekommen, dass der Herzog überfallen und getötet wurde. Es muss ganz schrecklich gewesen sein! Und Anya war doch auch in der Kutsche! Kein Mensch weiß, was mit ihr ist! Ich habe solche Angst!"
Sergejs Gesicht wurde maskenhaft starr. Dass Anya nun offiziell bereits vermisst wurde, behagte ihm überhaupt nicht. Stumm starrte er in Miriams aufgerissene Augen. Das Mädchen deutete seinen Blick wohl falsch. Hastig redete sie weiter.
"Ach, tun wir doch mal nicht so, als hätten wir Geheimnisse! Ich weiß alles von Anya und Armand! Absolut alles!" erklärte sie und nickte bekräftigend. Sergej unterdrückte gerade noch ein breites Grinsen.
"Das wage ich zu bezweifeln." erwiderte er amüsiert.
"Achja? Ich weiß aber doch alles! Die beiden sind gar keine Geschwister. Sie sind ein Liebespaar! Jawohl und ich habe Anya geholfen, das zu verheimlichen! Na, was sagt Ihr jetzt?" triumphierte sie mit erhobener Nase. Sergej hob anerkennend eine Braue. Er war tatsächlich beeindruckt, dass dieses kleine Persönchen von Anya eingeweiht worden war. Aber ganz offensichtlich war Miriam nicht eingeweiht, was Armand betraf und das war gut so.

1 Kommentar:

  1. frei nach dem Motto: "Ich will meine Freundin wieder haben" *kicher*

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