Mittwoch, 8. Dezember 2010

Adventskalender 8 - Weihnachten auf Arramoa

Dies ist das 8. Kapitel meiner Adventsgeschichte. Ein Inhaltsverzeichnis findet ihr hier: Adventskalender

Frank versuchte die Menge zu beruhigen. Mit den Meisten konnte er zwar nicht sprechen, jedoch verstanden Einige Französisch. Auch wenn sie einen sehr starken Dialekt sprachen. Er hatte sich auf eine Plastiktonne gestellt und versuchte ein weiteres Mal den Ameisenhaufen zu zählen. Es war unmöglich. "Bleibt doch bitte hier. Ich möchte euch etwas sagen.", rief er, als sich erneut wieder zwei Frauen von der Gruppe entfernten. Er kam bei seinen Zählungen immer auf irgendetwas um 50. Und nun blickten ihn tatsächlich etwa 50 weiße Augenpaare aus schwarzen Gesichtern an.

Diese Menschen mussten Unglaubliches hinter sich haben. Sie waren von Angola aus gestartet. Nicht alle kamen aus dem Land, doch dort hatte ihre kleine Bootstour begonnen. Von einem der Männer hatte Frank erfahren, wann sie losgefahren waren. Es war über drei Monate her. Zu Anfang waren sie wohl auch eher 80 Leute gewesen. Das Boot war winzig. Selbst für die geplante Überfahrt nach Spanien, war es nicht ausgerüstet gewesen. Und nun hatten sie fast 20.000 km in der Nusschale, dicht an dicht, verbracht.

Dabei hatten sie eigentlich alles richtig machen wollen. Damit sie keinem Schleuser in die Hände fielen, hatten sie ihre Reise selbst organisiert. Leider war bei diesem Plan untergegangen, dass niemand von Ihnen Ahnung von Navigation oder überhaupt von Fahrten auf dem offenen Meer hatte. Nur ein paar Fischer kannten sich in Küstengewässern aus. Und schnell waren sie mit ihrer Idee, immer der Afrikanischen Küste nach Norden zu folgen, gescheitert. Das Boot war hinausgetrieben worden aufs Meer und wurde zum Spielball der Wellen, Strömungen und Gezeiten. Die Monate mussten Schrecklich gewesen sein. Nur der häufige Regen bewahrte sie vor dem Verdursten. Krankheiten machten die Runde in dem kaum 20 Meter langen Boot. Die Leichen derjenigen, die es nicht geschafft hatten, warfen sie einfach über Bord. Etwas anderes blieb ihnen auch nicht übrig.

Das Bild, dass sie jetzt boten war immer noch gruselig. Alle Körper waren abgemagert. Bei den meisten konnte man die Rippen selbst durch die zerschlissene Kleidung noch zählen. Und dabei hatten Frank und Mersad, die sich ja hier im Norden der Insel vornehmlich aufhielten, die Ankunft erst einen Tag später bemerkt. Im Stall fehlten einige Hühner und einer der offenen Zwischentanks mit Süsswasser war umgekippt. Sie hatten alle 50 darin gebadet. Dann waren zwei Männer recht ungeniert am Bauernhof aufgetaucht und fragten nach der Regierung. Sie wollten Asyl anmelden.

Schnell kam heraus, dass sie sich ein Lager an der Ostküste der Insel improvisiert hatten. Dort hatten sie mit einigen Planen Hütten gebaut und aus Treibholz Feuer gemacht. Frank war geschockt gewesen. Die Leute hatten die Nacht auf dem blanken Sand in der Sonne verbracht. Und ihre Notdurft verrichteten sie im Meer.

Und nun standen sie alle um ihn herum und blickten ihn erwartungsvoll an. Immer noch hatten sie keine Ahnung, wo sie waren. Sie wähnten sich vielleicht irgendwo auf den Kanarischen Insenl, wenn ihre Geographiekenntnisse so weit reichten. Doch, dass sie es, wie durch ein Wunder geschafft hatten Kap Hoorn zu umschiffen und jetzt nicht auf den Kanaren sondern fast 10.000 km weiter westlich waren, war keinem von ihnen klar. Frank hatte sie gestern auch nicht eingeweiht. Er hatte sie aufgefordert zusammen zu bleiben und sich für 'Formalitäten' bereitzuhalten. Doch sie verstreuten sich allenthalben über die nähere Umgebung. Was auch nicht weiter verwunderlich war. Sie hatten über 90 Tage auf einem nichteinmal 20 Meter langen Boot verbracht und jetzt das erste Mal wieder festen Boden unter den Füßen. Da war es sicherlich viel verlangt still zu halten.

Mersad hatte die Nachricht bekommen, dass die Feldbetten heute noch geliefert würden und auch Tom als Krisenmanager zur Insel unterwegs war. Dies hatte er prompt an Frank weitergegeben. "Ich habe für euch alle Betten besorgt.", begann er und Stimmengewirr brach vor ihm aus. Offensichtlich wurde es für diejenigen, die kein Französisch konnten übersetzt. "Ihr werdet in der Scheune schlafen. Mersad ist schon dabei sie auszuräumen, damit ihr alle Platz habt!", sprach er weiter unnd deutete auf das Gebäude. Die Leute folgten mit ihren Blicken seinem Finger. Die Scheune war ein modernes Gebäude aus Blechplatten. Innen drin war es zwar tagsüber recht warm, doch er rechnete ohnehin nicht damit, dass sie sich zu dieser Zeit dort aufhalten würden. Und nachts war ein Dach über dem Kopf sicherlich besser, als irgendwelche Planen. "Nachher kommt ein Mann der sich um euch kümmern wird. Er wird klären wo ihr hinkönnt.", erklärte er weiter. "Wir schicken euch nicht zurück!", versprach er dann und lehnte sich damit schon recht weit aus dem Fenster. Dieses Versprechen hatte Tom am Telefon nicht gegeben.

Doch diese Meldung kam an. Jubel brach aus und einige der Männer verfielen spontan in einen Tanz. Er hob die Hände und versuchte noch einige Sätze zu sprechen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder die Aufmerksamkeit hatte. "Wählt bitte einen Sprecher für eure Gruppe. Außerdem werde ich eure Hilfe brauchen. Ich möchte, dass 10 von den Männern mir helfen, sobald ihr den Hubschrauber hört." Diese Sätze waren etwas komplizierter. Aber schließlich beruhigte sich die Gruppe wieder und ein junger Mann trat hervor. "Ich bin der Kapitän.", erklärte er etwas großspurig. Frank nickte. "Gut. Dann sag deinen Leuten bitte, dass sie ihre Sachen jetzt in die Scheune bringen sollen. Und wennn ihr den Hubschrauber hört, kommst du mit 10 Leuten zu mir." Der Mann bleckte die weißen Zähne und überlegte. Er war gerade dabei seine Autorität zu verlieren, die er drei Monate unangefochten gehabt hatte. Aber dann nickte er. "Wenn wir den Hubschrauber hören kommen wir." Frank nickte erleichtert. Lange konnte es nicht mehr dauern.

1 Kommentar:

  1. Hauptsache, die bleiben den Mädchen fern. Frank und Mersag dürfen sich auch noch auf Quarantäne freuen. Thorsten legt ja nicht umsonst so viel Wert auf die Gesundheit auf seiner Insel. Nicht dass die nun noch Seuchen einschleppen.

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