Sonntag, 12. Dezember 2010

Adventskalender 12 - Weihnachten auf Arramoa

Dies ist das 12. Kapitel meiner Adventsgeschichte. Ein Inhaltsverzeichnis findet ihr hier: Adventskalender

Frank beaufsichtigte den Aufbau der vielen Feldbetten. Sie hatten mit dem Gabelstapler die Paletten aus dem Flugzeug geschafft und die Ware direkt verteilt. Vieles war für die gestrandeten Flüchtlinge zusätzlich bestellt worden. Einiges davon gehörte in die Küche, welche die Verpflegung übernehmen würde. Anderes war für den Arzt bestimmt, der einen großen Vorrat an Medikamenten, Impfstoffen und sonstigem medizinischen Zubehör bestellt hatte. Und natürlich waren auch die Feldbetten und ein Haufen Decken dabei, die in der Scheune ein veritables Lager ergeben würden.

Mersad hatte die Waren, die nicht für den Bauernhof bestimmt waren auf sein kleines Elektromobil und zwei Anhänger verladen und machte seine Tour über die Insel um sie zu verteilen. Auch die Post konnte nun endlich ans Haupthaus gebracht werden und an die Mädchen ausgegeben. Tom dagegen hatte den 'Kapitän' der Gruppe beiseite genommen und saß nun mit ihm in der Küche des Bauernhauses bei einer Tasse Tee.

Der junge Mann sprach nur wenig französisch. Doch da Tom, unter anderem, Portugiesisch sprach, war die Verständigung kein Problem. Es hatte eine Weile gedauert, bis der Mann auftaute und bereit war, die Einzelheiten der Flucht zu erzählen. Die Gruppe bestand im Wesentlichen aus Wirtschaftsflüchtlingen. Sie alle hatten sich in der Angolanischen Hafenstadt Namibe zusammengefunden und wollten es auf dem Seeweg nach Europa schaffen. Sie hofften irgendwo in Portugal anzukommen, wo sie vorhatten um Asyl zu ersuchen und sich Arbeit zu suchen.

Alle hatten Angst davor gehabt Schlepperbanden in die Hände zu fallen und in Sklaverei zu enden. Darum hatten sie, zwar mit großem Enthusiasmus, doch mit wenig Sachverstand ihre Flucht selbst geplant. In der Gruppe gab es auch einige Fischer, welche sich mit der See auszukennen vorgaben und so hatte man die Reise geplant. Sie hatten immer in Sichtweite der Küste nach Norden fahren wollen um so schließlich Europa zu erreichen. Zwei Wochen hätte die Fahrt dauern sollen. Und das mit fast 80 Leuten in einem winzigen Boot. Man war sogar auf Nummer Sicher gegangen und hatte für über vier Wochen Proviant und Wasser eingepackt. Als man in See stach hatte das Boot tief im Wasser gelegen.

Leider war bei all der Sorgfalt auch Einiges auf der Strecke geblieben. So befand sich an Bord nur ein einziger Kompass, welcher kurz nach dem Start der Reise bei einem Streit zweier Männer ins Meer fiel. Über die Art, wie man nach Sonne und Sternen zu navigieren hätte, entbrannte heftiger Streit. Um den knappen Treibstoff für den Motor zu sparen benutzte man die meiste Zeit das Segel und die Winde standen keineswegs günstig. Auch ließ sich das, rettungslos überladene, Boot so kaum wirklich steuern. Schon nach zwei Tagen verlor man den Sichtkontakt zur Küste und ab diesem Zeitpunkt hatte niemand mehr irgendein Fleckchen Land gesehen. Die Monate auf See waren blanker Horror gewesen. Krankheiten gingen um und fast 30 Männer und Frauen überlebten die Strapazen nicht und wurden kurzerhand im Wasser beigesetzt. So ging es bis man endlich eines Abends an der Küste Arramoas strandete und das Boot auch quasi sofort versank. Es war schon lange Leck geschlagen, doch die scharfkantigen Felsen rund um die Insel hatten ihm den Rest gegeben.

Der Kapitän hatte veranlasst ein Lager aufzuschlagen und war am nächsten Morgen mit einem weiteren Mann losmarschiert und am Bauernhof aufgetaucht. Zu dem Zeitpunkt hatten seine Kameraden längst den Hühnerstall um einige Tiere erleichtert und den Frischwassertank mit dem Dreck von Wochen auf See verseucht indem sie darin gebadet hatten. Wieder und wieder entschuldigte sich der Mann dafür. Aber Tom winkte ab. Er schob einen aufgeschlagenen Schulatlas hinüber. "Was denkst du wo du bist?", fragte er rundheraus und deutete auf die Weltkarte. "Hier ungefähr.", erklärte der Mann und tippte zielsicher auf die Kanarischen Inseln.

Tom seufzte. Er überlegte kurz ob es schlau wäre dem Mann zu verraten, wo er tatsächlich gestrandet war. Dann entschied er sich dagegen. Er nickte nur kurz. "Auf dieser Insel könnt ihr nicht bleiben!", erklärte er sachlich. "Hier gibt es keine Arbeit und keine Botschaft. Wo wollt ihr hin?" Der Mann sah ihn scheu und unsicher an. Er war erst nach einigen Querelen an Bord des kleinen Bootes zum Anführer gewählt worden. Während der Fahrt hatte seine Tätigkeit sich darauf beschränkt Streit zu schlichten und das knappe Wasser zu rationieren. An Navigation war ohnehin kaum zu denken und als er das Kommando übernommen hatte ließ er nur noch nach Norden fahren.

Und nun sollte er bestimmen, wo all diese Leute hinkommen würden. "In welchem Land sind wir denn?", fragte er fordernd. Tom schüttelte den Kopf. "Wo wollt ihr hin. Such es dir aus." Er schob die Karte wieder zurück und schaute ihn auffordernd an. "Ich weiss nicht genau. Da oder da.", meinte der Kapitän dann. Seine Finger lagen auf Portugal und Frankreich.

1 Kommentar:

  1. Na prima! Flugzeug chartern, 50 Fallschirme einpacken, nach Portugal fliegen und abwerfen. Problem erledigt!

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