Samstag, 11. Dezember 2010

Adventskalender 11 - Weihnachten auf Arramoa

Dies ist das 11. Kapitel meiner Adventsgeschichte. Ein Inhaltsverzeichnis findet ihr hier: Adventskalender

Ga'ilana und Jurina hörten den Hubschrauber und sahen von Ferne, wie er sich langsam senkte. "Der Hubschrauber? Jetzt erst? Es muss doch schon lange nach Mittag sein.", fragte Jurina etwas baff. Sie kannte die Abläufe auf der Insel genau und natürlich war ihr auch bestens bekannt, dass der Hubschrauber normalerweise morgens um etwa zehn Uhr ankam. Und für gewöhnlich wurde als erstes die Post entladen und mit einem kleinen Elektromobil direkt zum Haupthaus gebracht, wo man sie im Büro abholen konnte.

Alle Mädchen die Post erwarteten standen um diese Uhrzeit vor dem Büro und warteten sehnsüchtig auf die Ankunft der neusten Nachrichten. Ga'ilana zuckte die Schultern. "Keine Ahnung, warum der erst jetzt kommt." Sie näherten sich langsam dem Bauernhof, aber es wären sicherlich noch etwa zen Minuten zu gehen. Längst waren sie an vielen Feldern und Plantagen vorbei gekommen. Jurina hatte im Vorbeigehen einen Apfel gepflückt, den sie nun verspeiste.

Langsam näherten sie sich wieder der Küste. Auf dem Hauptweg durchquerte man die Insel diagonal und sie waren fast auf der anderen Seite angekommen. Durch die Bäume konnte man auf den Strand sehen und beide Frauen blieben wie angewurzelt stehen. Keine 20 Meter von ihnen entfernt waren zwischen den Bäumen Schnüre gespannt und Decken und Plastikplanen darüber geworfen. Eine Feuerstelle auf dem Strand qualmte vor sich hin. Und sie hörten Stimmen.

Dann endlich konnten sie auch Leute sehen, die sich vereinzelt zwischen den Bäumen herumtrieben und sich unterhielten. Die meisten von Ihnen hatten ein weißes X auf den Oberarm gemalt und darunter eine Nummer stehen. Ein humpelnder junger Mann stand Knöcheltief im Wasser und versuchte immer wieder mit dem Meerwasser und kräftigem Rubbeln die Farbe von der Haut zu bekommen. Die anderen schien es nicht zu interessieren. Die Frauen und Männer, die sich dort herumtrieben trugen zerrissene Kleidung und waren unglaublich dürr. Die Männer hatten fast alle einen freien Oberkörper und man konnte jede Rippe deutlich unter der Haut sehen. Die Frauen waren zwar auch obenrum bekleidet, jedoch ließ sich leicht erraten, dass sie kaum besser aussehen konnten.

Ga'ilana stützte sich an einem Baum ab. Sie war eine wohlgenährte junge Frau. Sie war fast ein wenig rundlich, was ihr aber eine sehr weibliche Schönheit verlieh. Mit aufgerissenen Augen betrachtete sie die Leute, die noch nicht bemerkt zu haben schienen, dass sie beobachtet wurden. Eine Träne schob sich in Ga'ilanas Augenwinkel. Ohne Näheres zu wissen, war ihr klar, dass diese Leute das Gleiche durchgemacht hatten wie sie. Sie selbst war während Rassenunruhen in ihrem Land unter den unmenschlichsten Bedingungen durch den halben Afrikanischen Kontinent geirrt. Zu der Zeit hatte sie auch nicht viel besser ausgesehen als die Leute, die sich dort vorne durch das improvisierte Lage trieben. Und auch unter Plastikplanen hatte sie geschlafen, wenn es sich einrichten ließ.

Dann eines Tages bekam sie schließlich mit den abenteuerlichsten Versprechungen ein Ticket nach Deutschland bezahlt und fand sich wenig später ohne Pass und ohne Bargeld, und sowieso ohne Deutschkenntnisse in einem höchst unangenehmen Etabliessement wieder, wo man sie in einem Kreislauf aus Drogen, Gewalt und Prostitution festhielt. Das Ende fand dieses grausame Leben erst, als Tom ihren Peinigern eine erklägliche Summe bot um sie dafür mitnehmen zu können. Das war vor über acht Jahren. Ga'ilana war mit 18 Jahren auf die Insel gekommen und nun war sie 26. Diese ganze Zeit hatte sie solches Elend nicht mehr gesehen. Selbst das Dorf in dem ihre Familie lebte, die sie ein bis zweimal im Jahr besuchte, sah inzwischen erheblich besser aus. Und mit dem Anblick dieser Leute kamen in ihr Erinnerungen hoch, welche lange verwahrt geblieben waren.

"Was ist das? Wer sind diese Leute?", fragte Jurina leise und deutlich ängstlich. Dann blickte sie zu ihrer Freundin, die an den Baum gestützt neben ihr stand. "Was hast du?" Sie klang sorgenvoll und nahm sie sofort in den Arm. Da knackte es hinter ihnen und ein schwarzer Kerl in einer abgerissenen kurzen blauen Jeans stand hinter ihnen. "Hübsche, nackte Mädchen!", sagte er auf französisch und grinste gierig und entblößte seine weißen Zähne. Er war bestimmt zwei Meter groß und blickte von oben herunter auf die beiden Freundinnen. Sein Blick war unverholen lüstern. Jurina sprach nur ein wenig französisch. Ihr Drang Sprachen zu lernen war auf der Insel schnell wieder erloschen. Doch das hatte sogar sie verstanden. Ängstlich fuhren die beiden herum und starrten den Kerl ängstlich an.

1 Kommentar:

  1. Oh oh... Da sind die Insulaner wohl schon froh gewesen, dass die Flüchtlinge am Versorgungspunkt gestrandet sind und nicht gleich hunderte von nackten Frauen sahen und dann das.

    Aber die Beiden müssten wohl nur laut genug schreien, um Aufmerksamkeit zu erregen, hoffe ich. Der mag zwar zwei Meter groß sein, aber abgemagert, geschwächt und die beiden sind gesund und immerhin zu zweit.

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.