Freitag, 22. Oktober 2010

Kurzgeschichte: Die Guillotine III

Dies ist das dritte Kapitel einer Kurzgeschichte in vier Kapiteln:

- Kapitel 1
- Kapitel 2
- Kapitel 4


Gerd wusste nicht mehr, wann er gemerkt hatte, dass die Puppen sprachen. Es musste eine der Nächte gewesen sein, wo er lange in der Werkstatt gesessen hatte um noch Kostüme zu nähen. Da hatte es angefangen. Erst war es nur der Kobold. Aber nach und nach trauten sich alle Puppen, mit ihm zu reden.

Er hatte mal ganz vorsichtig versucht es den Kollegen gegenüber anzudeuten. Aber es schnell wieder gelassen. Er galt ohnehin als Sonderling, da er den ganzen Tag in der dunklen Geisterbahn seine Arbeit tat und kaum jemals Urlaub nahm. Da wollte er nicht auch noch dadurch auffallen, dass er mit den Puppen redete. Es würde ihm wahrscheinlich ohnehin keiner glauben. Also behielt er es für sich und genoss es sehr in den Puppen verständnisvollere Freunde zu haben, als er sie zu Hause hatte.

"Ich werde schon noch meinen Spaß mit euch haben.", lachte der Henker trocken und riss ihn aus seinen Gedanken. "Geht das wieder los?", grollte der Kobold und verzog sich in seine Ecke. "Lass doch die Damen in Ruhe.", bat Gerd. Aber der Henker machte schon weiter. "Ich werde euch alle drei vornehmen. Schließlich seid ihr gefesselt." Die Damen empörten sich. "Das ist unanständig. Und wir werden schreien, wenn du es mit uns tust." Ein tiefes Lachen rollte dem Henker die Kehle hinauf. "Drum hack ich euch ja vorher die Köpfe ab.", lachte er fies.

Und wie jedes Mal, wenn er androhte sich an ihnen zu vergehen kreischten die Damen ohrenbetäubend und Gerd musste sich die Ohren zuhalten. Alle paar Tage machte er diesen dummen Witz. Und alle paar Tage kreischten die Damen. Passiert war jedoch noch nie etwas. Er hatte keine von ihnen geköpft und sich auch an keiner vergangen. Seufzend stand Gerd auf. "Ich werde sehen, was ich für euch tun kann.", versprach Gerd und durchhastete die Szene um in seine kleine Werkstatt zu kommen. "Du kannst gar nichts tun.", rief im der Kobold nach. "Du kannst ja nicht mal..."

Gerd war um die Kulisse gehuscht und hatte hinter sich die Türe wild zugeschlagen, so dass die letzten Worte des Kobolds im Knall untergingen. Er wollte nicht hören, was der Kobold zu sagen hatte. Völlig geschafft setzte er sich auf die kleine Liege, die er sich hinter die Werkbank gestellt hatte. Irgendwann hatte sein Chef ihn mal darauf angesprochen. Doch der war verständnisvoll, wenn es um Gerd ging. Schließlich war er der einzige, der diese alte Technik reparieren konnte. Wenn Gerd sich krank meldete lief die Bahn noch ein oder zwei Tage weiter. Spätestens dann trat irgendein Fehler auf, den außer ihm niemand abstellen konnte.

Zum Glück war Gerd nicht oft krank. Er war zuverlässig und da duldete der Chef eben auch seine Wunderlichkeit und sogar, dass er in der Werkstatt schlief. Immer wieder mal hatte man versucht, ihn auf einen rechten Pfad zu bringen. Oder ihm wenigstens einen Azubi anzuvertrauen, damit auch jemand außer ihm die Bahn bedienen und reparieren konnte. Aber wen auch immer der Chef dorthin geschickt hatte, stand spätestens eine Woche später wieder bei ihm auf der Matte und bat um Versetzung an ein anderes Fahrgeschäft. Teilweise drohten die Leute sogar mit Kündigung, müssten sie weiter mit dem komischen Kauz in dem veralteten Fahrgeschäft arbeiten.

Auf dem kleinen Gaskocher erhitzte sich Gerd noch eine Dose Ravioli. Dann blätterte er in einem Magazin und versuchte die vielen Stimmen zu überhören, die undeutlich durch die dicke Feuerschutztüre drangen. Als es nicht mehr ging setzte er sich Schaumstoffstöpsel in die Ohren und legte sich hin. Bang dachte er an die Zukunft.

1 Kommentar:

  1. Ich hab so das dumpfe Gefühl, dass das kein gutes Ende nehmen wird...bei so starken Wahnvorstellungen.

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.