Freitag, 22. Oktober 2010

Die Broschüre

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Nadja saß geknickt auf ihrem Stuhl in der Mitte und kam sich so dämlich vor. "Aber doch nicht so. Ich wollte das Geld als Krankenschwester verdienen.", sagte sie so leise, dass der Richter nachfragen musste. "Wie wollten sie das Geld verdienen? Ich habe Sie nicht verstanden." "Als Krankenschwester.", gab Nadja nochmal hinterher. Greunert tat das Mädchen leid. Dass der Anwalt sie so vorführte hatte er natürlich erwartet. Aber das würde hoffentlich nichts an ihrer Glaubwürdigkeit ändern.

"In der Broschüre stand auch man könnte Krankenschwester oder Altenpflegerin werden. Die würden in Deutschland viel gebraucht.", erinnerte sich Nadja. Das rief den Richter auf den Plan. "Erzählen sie mir von der Broschüre.", forderte er. Boris Anwalt fluchte leise und setzte sich hin.

"Keine weiteren Fragen.", sagte er nur patzig. "Aber ich möchte jetzt was über diese ominöse Broschüre wissen.", erklärte der Richter und schaute Nadja an. Die kramte in ihrem Gedächtnis. "Die Broschüre war so ein kleines Faltblatt. Weiß, mit schwarzer Schrift und überall waren Bilder von fröhlichen Frauen in Kliniken oder Altenheimen. Und da stand drin, das wären Berufe, die in Deutschland viel gebraucht würden. Und man könne sich melden und es würde alles organisiert. Dann könnte man hier arbeiten. Und auf dem letzten Bild war ein Mädchen, dass Geld in einen Umschlag gesteckt hat um es nach Hause zu schicken."

Das letzte Bild hatte es ihr damals so angetan. So gern hätte sie ihrer Mutter Geld geschickt. Einer der Richter die außen saßen blätterte wie wild in einer Akte. "Ist das die Broschüre, die sie beschrieben haben?", fragte er und reichte dem Staatsanwalt den platt gedrückten Zettel. Man konnte noch an den Linien sehen, dass er zweimal geknickt war. Greunert legte die Broschüre vor Nadja auf den Tisch. Die erstarrte. "Ja. Das ist sie.", erklärte Nadja fest.

"Sind sie in der Lage das zu übersetzen?", bat der Richter dann. Die Broschüre war ja auf Ukrainisch. "Ich versuch's.", erklärte Nadja und begann die kurzen Texte durchzugehen. In blumigen Worten wurde da von einem besseren Leben in Deutschland berichtet. Und dann kamen die Worte, die der Staatsanwalt erhofft hatte. "Und hier steht dann: Die Reise wird für dich organisiert.", Nadja stockte. An diesen Wortlaut hätte sie sich nicht mehr erinnert. "Und bezahlen kannst du sie von deinen ersten Gehältern als Krankenschwester oder Pflegerin in Deutschland."

Greunert feixte Dimitris Anwalt etwas verhalten an. Der fluchte nur wieder. "Vielen Dank dafür.", sagte Greunert und reichte die Broschüre wieder an den Richtertisch. "Sie hat das falsch übersetzt. So steht das da gar nicht.", erklärte Dimitris Anwalt trocken. "Hab ich gar nicht.", maulte Nadja. Sie fühlte sich gedemütigt. Doch Greunert winkte ab. "Nichts leichter als das. Wir haben vereidigte Dolmetscher hier im Bezirk. Da zählen Russisch und Ukrainisch zu den Standardsprachen. Den hab ich in dreißig Minuten hier." Der Richter schaute fragend zur Anklagebank, doch der Anwalt winkte ab.

Die Befragung ging noch über zwei Stunden weiter und wurde sogar einmal für eine Pause unterbrochen. Die Pause verbrachte Nadja auf dem Flur in den Armen von Joe, dem sie flüsternd auf Englisch erzählte, was sie alles gefragt worden war. Schneller als befürchtet ging es aber schon weiter. Von vielen Details gerade zum Hintergrund des ganzen konnte Nadja nicht viel berichten. Aber sogar einige ihrer Abrechnungen tauchten aus der Akte auf und dazu konnte sie natürlich berichten. Schließlich hatte niemand mehr eine Frage. "Gut. Dann sind sie hiermit als Zeugin entlassen.", erklärte der Richter. "Ich kann gehen?", vergewisserte sich Nadja und stand zögerlich auf. "Sie können gehen.", erklärte der Richter großmütig.

Das ließ Nadja sich nicht zweimal sagen und huschte mit Joe auf den Flur. Drinnen wurde die Verhandlung erneut unterbrochen und der Staatsanwalt kam zu ihnen auf den Flur. "Vielen Dank für Ihre Aussage.", sagte er freundlich und schüttelte Nadja die Hand. "Kommen die jetzt in den Knast?", fragte Nadja etwas bang. Greunert nickte. "Da bin ich mir sicher. Die Frage ist nur wie lang. Aber Sie haben mit Ihrer Aussage sicherlich ein hübsches Paket draufgesetzt." Unsicher nickte Nadja. "Dann. Gute Heimreise.", verabschiedete man sich voneinander. Eng an Joe gedrängt verließ Nadja das Gerichtsgebäude.

3 Kommentare:

  1. Geschafft! Gut gemacht, Nadja. Und auch noch schwarz auf weiß übersetzt, welchen Lügen sie aufgesessen ist, ha!
    Ich bin hoch erfreut!

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  2. Und immernoch kein Ausbruchversuch, wilde Polizeijagden, Erpressungen und ähnliches...langweiliges Hannover :P

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  3. *mit den augen roll*
    Julie..schau nicht so viel TV :-b

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