Donnerstag, 17. Juni 2010

Sunnys Geschichte 3 (Gastbeitrag)

Dies ist ein Gastbeitrag von der Gehirnbanane. Eine Übersicht über die bisherigen Teile findet ihr hier: Übersicht Gastbeiträge


Sunnys Geschichte 3 - Nacht über Seattle

Es war eine sternenklare Nacht und in dem kleinem Vorort von Seattle brannte nur noch in wenigen Häusern ein fahles Licht. Es war ruhig. Viel ruhiger als in den immerzu von hektischem Treiben erfüllten Straßen und Häuserschluchten der Megastädte. Es war fast schon idyllisch.
Kaum mehr als ein Schatten huschte sie, sich vom Schein der Laternen isolierend, von Dach zu Dach der Wohnsiedlung. Das Zielobjekt war laut der Kartenprojektion auf ihrer Netzhaut nicht mehr weit und bislang verlief alles genau nach Plan.

Die Klimaanlage auf dem flachen Bungalowdach diente ihr als willkommene Deckung. Durch einen kurzen Wechsel ihrer Sichtoption auf Infrarot konnte sie die Wärmesignaturen der Personen vor dem Zielobjekt ohne große Probleme erkennen. Zwei vor dem Haus, einer auf dem Dach und ein weiterer bewachte die Hintertür. Nur eine Streife. Hier hatte es schon mehrere Treffen gegeben und das Vorgehen schien einem Ritual gleich immer auf dieselbe Weise vonstatten zu gehen. Es hatte sie fast zwei volle Monate der Recherche gekostet dieses Versteck ausfindig zu machen, doch nachdem sie wusste wo es lag und mit wem sie es zu tun hatte, schien alles immer einfacher. Die Kriegerin hatte alles genau geplant. Der Mann auf Streife benötigte für seine Runde um das kleine Haus mindestens drei Minuten und fünfzehn Sekunden. Schneller war bisher keiner gewesen, dafür einige bedeutend langsamer. Solange würde sie nicht brauchen.

Mit wenigen geübten Handgriffen glitten die gut geölten Gelenke des Ranger-X-Compositbogens in ihre Arretierungen. Sie spannte die Sehne über die Umlenkrollen nach und hing sich dieses Präzisionswerkzeug geschmeidig über ihren Rücken. Sie trug schwarz. Schwarz war für sie mehr als nur Unauffälligkeit und Tarnung. Schwarz war der Kontrast der sie von denen abhob. Lautlos glitt sie vom Dach des Hauses und pirschte sich an das unauffällig bewachte Gebäude heran. Katzengleich und auf jeden ihrer leichten Schritte bedacht näherte sie sich dem Grundstück und wartete auf den Posten, dessen Wärmesignatur sie bereits um die Ecke biegen sah. Der Typ auf dem Dach wandte ihr den Rücken zu.

Als der Posten vorüber war überwand sie schließlich elegant den niedrigen Gartenzaun. Das Herz der Elfe pumpte ihr Blut schneller durch die Adern und ihr Adrenalinspiegel stieg stetig an. Mit dem Rücken zur Hauswand stehend schloss sie einen Moment die Augen und horchte auf ihre Umgebung. Ihr Gehör aus dem Hause Sennheiser verriet ihr Richtung und Position des auf dem Dach befindlichen Mannes. Die Schritte wurden langsam lauter, kamen näher und einen Moment lang schien er direkt über ihr zu stehen. Sie hielt den Atem an.

Schließlich entfernten sich die Schritte langsam wieder. Noch mindestens zwei Minuten bis die Streife hier wieder vorbei kommen würde. Sie wandte sich um und legte behutsam ihre mit Kletterhandschuhen ausgerüsteten Hände an die Wand um diese möglichst geräuschlos und langsam zu erklimmen. Sie hatte dies bereits zuvor geübt. Sie hatte aufgehört zu zählen in wie vielen Nächten sie diese Wand an den Abenden die zwischen den Treffen lagen, bereits erklommen hatte. So hielt sie ihre Augen geschlossen und konzentrierte sich ganz auf ihr Gehör und ihren kontrollierten Atem. Die vermummte Gestalt zog sich von jeder Mühe befreit über die Kante des Daches und begab sich in eine hockende Position. Ihr SmartGunSystem verriet ihr das ihre Entfernung bis zur Zielperson exakt 7,35 Meter betrug. Auf Schleichsohlen stahl sie sich heran, pirschend, lauernd und bis in die letzte Faser ihrer optimierten Muskeln angespannt.
Lautlos erhob sich der etwa 170cm große Schatten hinter dem ahnungslosen Mann und ein letztes Mal erhellte die aufglimmende Kippe in seinem Mundwinkel seine von nun an abkühlende Wärmesignatur. Er wollte sich gerade umdrehen als plötzlich mit übermenschlicher Präzision und beängstigender Geschwindigkeit eine schmale Monofilamentklinge durch sein Rückenmark und vorne aus seinem Hals heraus schnappte. Daraufhin zuckte sie ebenso schnell wieder zurück in den rechten Unterarm der nächtlichen Kriegerin, aus dem sie hervorgeschossen war. Sie griff dem in sich zusammen sinkenden unter die Arme und legte ihn behutsam ab. Dabei achtete die Mörderin akribisch darauf, dass das Mikrophon an seinem Gürtel in aufrechter Position blieb. Sie stellte seinen Tod fest und nahm ihm den Bargeldstick, das Magazin seiner AresPredator II-Pistole, sowie seine System-Identifikations-Nummer ab.

Danái ließ den Mann in seiner wachsenden Blutlache auf dem flachen Dach des Einfamilienhauses zurück. Ein Blick auf ihre Retinauhr verriet ihr, dass die Streife noch eine Minute und zweiunddreißig Sekunden vom Ausgangspunkt entfernt war. Mindestens. Und sie hatte inzwischen die Hintertür passiert, welche von ihrer jetzigen Position nicht weit entfernt lag.

1 Kommentar:

  1. Respekt! *Hut zieh*

    Schön geschrieben, sehr feine Details und eine schöne Wortwahl.
    Du solltest das ganze zu einer wirklichen Geschichte ausbauen, finde ich. Das Talent haste!

    Und DAL, die ich nun mal bin (Dümmste aller Leserinnen), brauche ichtrotzdem keine Erklärung, was eine Retinauhr ist.. ich nehme an, das Teil ist genauso präzise und genau wie der Autor bzw. die Hauptperson :)

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